Fragwürdige Geschichten vom Rande des Nervenzusammenbruchs
Johannson schaut sich Glowno, eine kleine Stadt in der Nähe von Lodz, an und erlebt dort eine Überraschung nach der anderen. Am Ende stellt er fest: es ist die unpolnischste Stadt Polens!
Johannes in Lodz
Samstag wollte ich mit dem Mittwoch nach Hause fahrenden Felix nach Bialystok. Dann blieb er aber doch in Lodz und so bin ich eben auch dahin, der letzten Chance Willen, Alltagsprobleme mit der Methodik eines Naturwissenschaftlers zu diskutieren. Wir gingen ins Kanalmuseum mit seiner Tandempartnerin, von der er sich verabschieden musste. Abends kamen noch zwei deutsche Erasmusler zum Falafel-Essen nach Haus und wir machten eine letzte kleine Kneipenrunde.
Die fliegenden Schweine von Glowno
Sonntag haben Felix und ich die unpolnischste Stadt Polens gefunden, Glowno nördlich von Lodz. Dabei wollten wir da nicht mal hin, wir waren nur zu dumm rechtzeitig aus dem Bus auszusteigen. Ein schöner kleiner See und davor eine hübsche Promenade. Kaum Alkoholiker, an einem Sonntag. Schockierend: am Seeausfluss der surrende Generator eines Wasserkraftwerks – erneuerbare Energie! Auch kaum Müll, stattdessen, da begann man richtig verdächtig zu werden, in regelmäßigen Abständen Papierkörbe und sogar geleerte. Versuch das mal den überquellenden Kübeln in Warschau und Lodz zu erklären. Noch regelmäßiger, und hier verloren wir endgültig die Fassung: Fahrradständer. Und sogar mit Fahrrädern, dutzende, hunderte.
Infarktalarm: am Supermarkt lassen die Leute ihre Räder einfach draußen stehen ohne anzuschließen. In den Läden mehr Komorowski als Kaczynski Plakate. Neue Straßen in guter Qualität. Geschäfte offen am Sonntag. Ein grandios hergerichteter Gutshof, wohl bald heim des neuen Stadtmuseums, unterstützt von der Bürgerinitiative der Freunde von Glowno. Alles schreit hier nach einer schockierend kompetenten Verwaltung. In der Tat, das Stadtamt täglich offen von 8-16h! Und in einer liebevoll renovierten Kate untergebracht.
Gerade strömen penibel gekleidete Menschenmengen nach der Messe dorthin zum Wählen. Und etwas weiter der absolute K.o. Schlag für uns beide: das örtliche Recyclingzentrum. Und davor der Aufruf zum Referendum für die kommunale Abholpflicht...damit unsere Wälder schön bleiben. Das ging endgültig über unsere Fassungskraft hinaus.
Kasia in in Lodz, Warschau und Tallinn
Zurück in Lodz trafen wir mit Rosen bewaffnet Kasia und eine Freundin, die gerade ihre Masterarbeit verteidigt hatten, was mir nach zwei Jahren die erste Gelegenheit für einen echten polnischen Handkuss gab.
Kasia kam dann am darauf folgenden Mittwoch auf der Durchreise nach Tallin zu ihrer ersten Reise als Touristenführerin dieses Jahr nach Warschau. Wir gaben ihre Bewerbungsdokumente für ein Praktikum im Bundestag in der Deutschen Botschaft ab. Dann brachten uns vor unerwarteter Kälte in Cafes in Sicherheit, wo ich sie nach der völligen Überarbeitung der letzten Monate am Randes des Nervenzusammenbruchs entlang betreuen musste.
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