Fast zurück in der Gegenwart: Der Oktober und der Rest
Fast cinematisch langer Flashback und ein Stück Ehrlichkeit am Schluss
Es folgt die dramatische, zeitlich angeknüpfende Fortsetzung des letzten Eintrages. Wir sind fast in der Vorzukunft angekommen, auch Gegenwart genannt. Ich sitze auf einem Stuhl und reflektiere in meiner Vergangenheitsmeditation mit meinem verwirrten Geiste den Zeitraum nach September. Der Sturm liegt hinter mir, mein Geschirr ist nach 1 Woche einweichen im Dreck wieder im Schrank. Nein, der Fleiß und Tatendrang hat mich nicht plötzlich gepackt. Mein Mutter war es. Sie war zu Besuch. Sie war schockiert. Und hat geputzt.
Mehr gibt es zum Oktober nichts zu sagen, außer das generelle Fazit für die letzten 26 Tage: Es war sehr angenehm, ich bin sehr froh.
Es fand Anfang Oktober das jährliche EVS-Meet Up der tschechischen (ehemaligen als auch aktuellen) Freiwilligen und der in Tschechien stationierten EVSler statt. Ein zentraler Unterschied, der sich bei meinem persönlichen Highlight, der Projektvorstellung einiger Rückkehrer, gezeigt hat.
Ein Wort: KRASS. Besser ließe sich die Situation einiger ehemaligen Freiwilligen nicht beschreiben, die bei ihrem EVS in extrem ländlichen Regionen fast alleine auf sich gestellt waren und dort ihr eigenes Projekt aufbauen sollten. Um's noch zu steigern: Ohne jegliche Kenntnisse der Landessprache. Ich zog bzw. ziehe immer noch meinen imaginären Hut vor ihnen und hoffe so, ein wenig ihres Mutes und ihrer Stärke einfangen zu können. Klingt sehr kitschig, aber mir fallen zurzeit keine ernüchternd seriösen Synonyme dafür ein. Besonders beeindruckend war aber nicht nur die Tatsache, dass sie es irgendwie doch hinbekommen haben, sondern wie ehrlich sie mit ihren Enttäuschungen und Misserfolgen umgegangen sind. So hat die eine Freiwillige (frisch aus Rumänien heimgekehrt) ganz offen über die strukturellen Probleme in der Stadt geredet, wo sie ihr EVS machte, und die Einsamkeit. Ihr Vortrag hat sogar einen zugegebenermaßen empatisch-blockierten Menschen wie mich berührt.
Über das Stichwort "Einsamkeit" mache ich mir zurzeit viele Gedanken, wobei man anmerken muss, dass ich sonst nicht viel oder tiefgründig denke. Wie erzählt/gesagt/geschrieben war meine Mutter zu Besuch und andersrum ich vor einer Woche in meiner Heimatstadt. Und ich muss leider sagen: Es war anders. Ich wünschte nun, ich hätte einen schicken, weißen Philosophen-Bart. Dann würde ich mich nicht so schämen, irgendwelche Möchtegernlebensweisheiten zu verteilen als hätte ich die benötigte Intelligenz oder ausreichend Lebenserfahrung. Aber es war anders und es fühlt sich plötzlich alles anders an hier, in Prag. Man vermisst wohl alle Dinge mehr, wenn sie eine 10-Stunden-Busfahrt weit weg sind und einem zeigen, wie schön alles sein kann. Und damit meine ich nicht nur das saubere Geschirr im Schrank.
Ich konnte sehr viel Zeit mit meinen langjährigen Freunden verbringen und es war unglaublich schön, obwohl Schauplatz jeglicher Bgegegnung nicht in einer aufregenden Metropole, in coolen Bar oder überhaupt im Ausland war.
Ich habe mich schon lange von dem Gedanken bzw. dem Anspruch getrennt, während meines EVS Freundschaft in solcher Intensivität (was schon fast pervers klingt) oder Qualität zu finden. Es hat bei denen aus meiner Heimatstadt schließlich auch mehr als 3 Jahre gedauert. Dennoch frage ich mich, ob mich das nun von den anderen isoliert. Den Menschen, die hier so gut zu mir sind und mit denen ich doch auch Spaß habe. Einfach damit, dass ich ihnen nicht einmal die Chance gebe, in die samtene Box mit meinen Heimatfreunden zu fallen.
Und spätestens jetzt versucht mich mein realistisches Ich mit einem gefrorenen Riesen-Knedlik zu erschlagen. Ich denke zu viel. Es würde die betreffenden Personen nicht betreffen, es würde sie nicht stören. Es wäre kein Problem, wäre es nicht mein Problem. Manchmal wünschte ich mir nur die Verbindlichkeit in der Freundschaft zurück, die ich Zuhause habe. Das rituelle "Was machst du gerade?" und das folgende "Nichts. Hast du Zeit?". Oder, dass jemand sieht, wenn es mir mies geht. Dabei bin ich selbst blind gegenüber meinen Mitmenschen hier, die mir so viel geholfen haben in den letzten Monaten, während ich selbst auf niemanden zugehe.
Aber das gehört auch zum Erwachsenenleben, oder? Endlich die Erkenntnis, dass einem nicht alles automatisch und kostenlos geschenkt wird wie damals das Stückchen Wurst an der Fleischtheke.
Und man merkt, der Trick mit dem imaginären Hut hat funktioniert. Womöglich konnte ich mir doch ein wenig Persönlichkeit (weitaus besseres Wort als "Stärke" wie s. oben) einfangen von den ehemaligen EVSler und bin endlich einmal ehrlich. Es ist nicht alles so toll wie ich es immer schrieb. Zur Perfektion fehlt ein wenig Ignoranz und/oder ein Eimer Veränderung.
Kleiner Nachschlag: Die Tags habe ich nicht selbst gesetzt. Entweder war es ein Mitarbeiter von youthreporter oder es wurde automatisch eingestellt.