fast ein Monat jetzt
Ankunft in Litauen Eigentlich drei Wochen, weil ich noch einmal für eine Woche unterwegs nach Hause war. Das Ankommen hier war wundervoll, der Flughafen in Vilnius war sonnig und ich hab viel zu viel angehabt, womit ich nicht gerechnet hätte - in Litauen. Aber man lernt schnell, dass man sich auf das Wetter nicht verlassen kann, ich hab immer einen Regenschirm dabei! Ich hab mich sehr frei gefühlt und kraftvoll. Nerijus, von meiner Aufnahmeorganisation, hat mich abgeholt und wir haben uns gleich gut unterhalten können, weil er sehr gutes Englisch spricht!
Dann ging alles recht schnell. Ich wohne mit Umut, einem Türken, und in der ersten Nacht war noch Tommy da, ein Italiener, der am Tag darauf nach Hause fliegen sollte. Er meinte, er hätte Italienisch verlernt, oder zumindest könne er das behaupten, weil ihm keiner das Gegenteil beweisen kann. Er hat in einem Dorf gearbeitet für ein Jahr und deshalb musste er sehr schnell Litauisch lernen, weil dort keiner Englisch sprach. Mit den anderen Freiwilligen spricht man Englisch, was er auch nicht konnte - jetzt schon! War sehr beeindruckend. Ja. Ein paar Tage später kam Pierre, unser französischer Mitbewohner. Es ist sehr lustig mit den beiden. Dann arbeite ich zusammen mit Gwendie, auch aus Frankreich. Und es sind noch drei Deutsche außer mir hier. Manchmal sind wir so drin, dass wir auch untereinander Englisch reden. Egal, wie man sich dann entscheidet - im Kopf ist ein Sprachdurcheinander. Litauischunterricht bekommen wir in der Organisation, von Nerjius. Es ist ganz gut, denke ich. Nach der ersten Stunde konnte ich am Tag darauf schon besser sprechen. Aber ich hatte ja schon in Berlin für einen Monat einen Sprachkurs, deswegen fällt mir der Anfang leichter. Und wegen seiner sieben Fälle ist Litauisch vor allem für Leute aus Frankreich schrecklich schwer, weil sie ja meist keine Sprache sprechen, aus der sie die Logik der Fälle ableiten könnten - und in Englisch lässt sich das auch nicht erklären, weil es dort ja auch nur sehr eingeschränkt existiert.
Also großes Glück, Deutsch zu sprechen! ;-)
Zur Stadt/zum Land
Litauen gefällt mir sehr, Kaunas auch. Es soll die litauischste Stadt in Litauen sein, weil die meisten Einwohner Litauer sind. Vilnius dagegen ist Touristenstadt (sagt man, ich war noch nicht da). Ich liebe die Gegend, die Betonklotzhäuser mit den wehrturmähnlichen Dächern, in denen wir wohnen, am Stadtrand, also 20 Minuten ins Zentrum mit den Bus. Ich mag die Holzhäuser in den bunten Farben, die schon abblättern, und dazu die herbstfarbenen Blätter! Dann die Leute, vor allem die alten Menschen strahlen dieses Bodenständige aus! So schön. Umut, mein Mitbewohner, ist da negativer. Er hat wohl schlechte Erfahrungen gemacht, weil er eben nicht nur fremd ist hier, sondern auch ausländisch aussieht. Er ist schon seit letztem Januar hier und laut ihm sind alle Litauer gefährlich und man soll am besten gar nicht erst anfangen, mit ihnen zu reden. Einfach weggehen, sagt Umut. Ansonsten ist er nett, aber darauf werde ich garantiert nicht hören!
Am letzten Wochenende bin ich mit einem Freund aus Deutschland ein bisschen durch Litauen getrampt. Ich habe Unmengen an Fotos gemacht, aber die kann ich erst später hochladen, mir fehlt jetzt das Kabel.
Wir haben eines der berühmtesten Wahrzeichen Litauns gesehen, den Hügel der Kreuze oder „Kreuzberg“ (wie ein Berliner Stadtbezirk genannt). Es ist - schon der Name lässt es vermuten - ein Berg mit tausenden Kreuzen, was wirklich keine Übertreibung ist. Er ist kleiner als man ihn sich vorstellt, aber extrem beeindruckend! Er ist ein Zeichen des Widerstands gegen die damalige Sowjetbesatzung Litauns. Man wollte diese christliche Gedenkstätte vernichten, aber immer wieder, nachdem Kreuze entfernt wurden, kamen Menschen und haben neue aufgestellt, irgendwann haben die Besatzer es aufgegeben und es wurden - auch als Zeichen des Triumphes - immer und immer mehr.
Siauliai, die Stadt in der Nähe, haben wir auch gesehen. Sie ist kleiner als Kaunas und wirkt auch etwas ärmer, denke ich. Ich glaube, da ist dann wirklich nicht so viel mit Tourismus. Aber mir gefällt es, gerade dieses „Litauische“, nachdem ich erstmal ein bisschen suchen musste, bis ich jetzt ungefähr weiß, was es für mich heißt! Klaipeda an der Ostseeküste Litauens haben wir nur bei Nacht gesehen. Wir wollten zum Strand laufen und dachten, der müsste ja bald nach dem Hafen anfangen, aber der Hafen war so extrem riesig, dass wir mehrere Stunden immer wieder in Richtung Meer gelaufen und auf ihn getroffen sind. Irgendwann war’s dann kalt und nicht mehr so lustig. Nachts waren es 8 Grad etwa.
Beim Trampen kann ich sagen, dass russische Truckerfahrer sehr cool sind! Wir hatten zwei lustige Fahrten, auch ohne viele Worte. Zum Schluss, aber nicht letztens, meine Arbeit:
Arbeiten einmal ganz anders
Immer, wenn ich am Anfang Leuten davon erzählt hab, wo ich arbeiten werde, haben sie mich mitleidig angeguckt. Es sei das schwerste Projekt hier. Ich arbeite in einem Aufenthaltszentrum und Heim für behinderte Kinder und Jugendliche. Wir ziehen umher und machen Musik mit ihnen. Mir gefällt es, weil ich mich sinnvoll fühle in diesem Projekt. Eigentlich wollte ich unbedingt etwas mit Theater machen, aber ist jetzt nicht mehr so wichtig. Denn hier zählt, dass man mal Abwechslung schafft, Aufmerksamkeit gibt, ein bisschen Liebe.
Anfangs war es schwer, die Menschen zu sehen - die Behinderten. Das war sehr neu für mich, ungewohnt und fremd. Aber auch die Sozialarbeiter waren ein Schock, denn sie sind teilweise sehr grob und unfreundlich, gelangweilt und mit sich selbst beschäftigt. So war zum Beispiel vor ein paar Tagen ein Mann da, der Silberschmuck verkauft hat. Wir haben gefragt, was er hier macht – „Ah, that's more cheap here, you know?!“ Nee, klar, sichersicher, warum auch außerhalb der Arbeitszeit, die Rollstühle der Kinder im Raum waren im angemessenen Abstand fixiert, so dass niemand in die Quere kommen konnte.
Und auch zu uns sind viele sehr herablassend. Außer Ilona, sie ist Musikpädagogin und mit ihr haben wir diese Musiksessions am Anfang gemacht, sie spricht etwas Englisch und ist sehr, sehr nett zu uns. Mit ihr hat es von Anfang an gut geklappt. Dann gibt es noch Nida, sie spricht auch Englisch und unterstützt uns (wobei da erstmal das Silber wichtiger war.). Mit den anderen Sozialarbeitern mussten wir uns erstmal etwas Sympathie erkämpfen! Jetzt ignorieren immer noch viele unser „Laba Diena!“ - Guten Tag. Aber es wird besser. Ilona hat gesagt, dass die letzten Freiwilligen auf Aufgaben gewartet haben und nicht genug Initiative gezeigt haben, deswegen haben die Betreuer hier das Bild von Freiwilligen, dass sie nichts machen wollen...hm. Da muss man erstmal das Gegenteil beweisen! Gwendie und ich haben viele Ideen und werden sicher eine Menge machen. Ilona lässt uns viele Freiräume, wir können machen, was wir wollen - was auch nichts sein könnte.
Wir haben einen Raum, in dem wir unsere Projekte vorbeireiten können, den Paintingroom. Wir haben schon mit Salzteig bebastelt, gemalt, und zweimal in der Woche gehen wir als Clowns verkleidet durch eine Etage und machen Musik und tanzen. Manche mögen es, manche nicht. Ich freue mich auf alles Weitere!