Extrazeit in Edinburgh
Edinburgh hat es Johannson wahrhaftig angetan. Zusammen mit seiner liebsten Reisebegleitung Hanni durchstreift und erforscht er die Stadt nun nicht mehr als einsamer Wolf. Glücklich und entspannt geht es dann nach einigen Sightseeing-Highlights ans Abenteuer Rückfahrt.
Sonntag: Verlängerungszeit
Hanni und ich sind auch zu sehr verantwortungsvollen Zeiten wieder aufgestanden und waren um zehn Uhr aus dem Haus. Hanni hält sowieso nichts länger als bis acht in einem Bett und ich schätze mal, für jemanden, der normalerweise um sechs aufstehen muss, ist das schon wie Urlaub pur.
Leider haben wir so von den anderen nichts mehr gesehen. Ich habe kurz an Claudias Tür geklopft, um mich zu bedanken und zu verabschieden, aber die tat das einzig Vernünftige an einem Sonntagmorgen und schlief. Wir machten es uns aber auch gemütlich, kauften etwas Frühstück und legten uns in die Königlichen Botanischen Gärten.
Und weil Hanni Parks so mag, sind wir dort auch gleich bis eins geblieben. Oh das war schön, Croissants und Nutella, Weintrauben und Kirschen, auf dem Gras liegend, zwischen Enten und Teichen, Kindern und Eichhörnchen. Warum war Hanni nicht so ganz glücklich? Ich weiß es gar nicht mehr. Ich jedenfalls war wieder einmal sehr angetan, im Gras zu liegen und mit ihr sowohl über Gott als auch die Welt zu reden. Melancholisch auch, zugegeben, wo dies doch vermutlich unsere letzte gemeinsame Reise werden wird bevor ich die letzten Wochen auf Urlaub gehe.
Planlos durch Edinburgh
Dann irgendwann gingen wir doch wieder, mit dem Bus Richtung Stadt. Mit unseren Tagestickets in den Taschen entschlossen wir uns dann spontan, sitzen zu bleiben und vom Oberdeck eine kleine Tour durch Edinburgh zu machen; zu sehen wohin uns der Bus führt. Er führte uns auf die andere Seite der Stadt, durchs Zentrum, entlang den Meadows und wieder zurück. Nicht besonders effizient, aber hey, wir verreisen nicht, um vernünftig zu sein. Dafür waren wir auch wieder verdammt müde, was für mich die perfekte Gelegenheit zum Auszusteigen war, und das zweite Vorzeigelokal aufzusuchen, das Forrest.
Tja ähm...das haben wir dann im Endeffekt nicht so ganz gefunden. Dabei war ich überzeugt mich zu erinnern, wo mich Elise damals lang geführt hatte. Also eben ins Nero Café von der Stange, wo wir wieder etwas dringend benötigtes Koffein konsumierten und besprachen, wo genau wir uns befinden.
Wissen macht die Zukunft leichter
Nach dieser kleinen Exkursion ins Blaue blieb gegen fünf nur noch eins zu tun. Wie schon in London galt es, eine deutsche Vertretung zu finden, die für Hannis Visa-Angelegenheiten ja weitaus näher läge. Bequemerweise war mir die Gegend um das Generalkonsulat bekannt, da es ganz in der Nähe von Dean Village liegt, wohin wir genauso wenig konnten wie auf Arthur’s Seat.
Aber was soll’s, wir sind zum Genießen und nicht zum Rennen da. Ich werd noch oft genug in Edinburgh sein wenn ich erstmal reich und berühmt bin. Das Konsulat war natürlich geschlossen, aber zumindest wissen wir jetzt, dass es gleich neben der zentralen Jugendherberge liegt. Was für Hanni sehr bequem sein wird, wenn sie allein dort hoch muss. Was sie ja, dank der deutschen Bürokratie, noch mindestens dreimal muss.
Und nach einem kleinen Abstecher in eine Kirche wird es dann Zeit, langsam trotten wir zurück zum Zentrum. Mit Eiscreme durch die Parks, unsere Bustagestickets verschenkt und Waverley Station umfängt uns wieder. Zum letzten Mal? Gerade mal sechs Uhr ist es und wir werden noch vor acht in Durham sein...soviel Zeit.
Die Bahn kommt...zu spät
Wenn, ja wenn der Zug nicht liegen bleibt. Was er selbstverständlich tut, weil mal wieder irgendwelche ganz begabten Komiker Feuer auf der Strecke legen mussten. Da kommt sie dann, die unheilsschwangere Durchsage „Vermutlich fünf Minuten Verspätung“, die sich ja verlässlich über die Ausbaustufen „halbe Stunde“ und „eine Stunde“ zu „keine Ahnung. Sorry“ entwickelt.
Als zwei Stunden später die Sonne langsam Feierabend macht, stehen wir immer noch. Zu allem Überfluss wird Hanni auf einmal ganz kalt und sie sieht aus, als wenn sie mir unter den Händen wegstirbt. Neun Uhr. Wir sollten schon längst zu Hause sein. Gegen zehn Uhr werden wir alle aus dem Zug geschmissen und in Busse gepackt, in Morpeth (scheint, als wenn ich dort niemals freiwillig hinkomme). Die bringen uns über die dunkle Autobahn nach Newcastle, wo mitten in der Nacht ein Sonderzug organisiert steht. Immerhin, sie bemühen sich. Denn uns geht es noch ganz gut: andere müssen bis nach London runter. So sind wir erst um elf Uhr in Durham.
Drama in der Nachspielzeit
Hier geht das Drama erst richtig los. Hanni hat zwar ihren Gasteltern regelmäßig über unsere Situation Bescheid gegeben, aber die haben sich nicht einmal die Mühe gemacht zu antworten. Also niemand, der uns aufsammelt. Hier mache ich den entscheidenden Fehler: ich nehme kein Taxi sondern mit Hanni den Bus nach Wheatley Hill.
Da schätze ich mich noch glücklich, weil es der letzte ist und mich wenigstens etwas näher an Easington bringt. Ohnehin werden Durhams Taxis ja vermutlich von den vielen anderen Leuten aus dem Zug ausgebucht sein. Und in Wheatley Hill kann man ja ohne Probleme auch eins finden. So dachte ich. Nachdem wir uns verabschiedet hatten und ich zum Taxibüro gelaufen war, schlug es gerade Mitternacht. Und jetzt dürft ihr dreimal raten, wer genau dann Feierabend macht.
Ende mit Schrecken
Kein Taxi. Kein Bus. Bei Hanni kann man dank Gasteltern auch nicht übernachten. Nein, nicht einmal auf einer Couch. Paul angerufen, unangenehm genug, weil ich weiß, dass er früh schlafen gegangen war. Ein extrem müder und genervter Paul kann mich nicht abholen, weil nicht mehr fahrtüchtig.
Weiche Knie: Mitternacht, winziges Nest, ich weiß nichtmal, wo genau es ist. Keine Ahnung wie nach Hause kommen. Ich frage sogar einen Pizzaladen, ob sie mich im Lieferwagen mitnehmen, wenn ich ein paar Sachen nach Easington bestelle. Geht natürlich auch nicht.
Ich fange gerade an zu laufen, da klingelt das Handy. Hanni hat gezaubert, ich weiß nicht wie, aber ein bekannter Türke aus einer anderen Pizzabäckerei wird mich mitnehmen. Stein fällt von Herz auf Füße, die aber sowieso weich und taub sind. Ich kann nicht beschreiben, wie ich mich gefühlt hab. Halb eins war ich zu Hause mit einer Laune am Siedepunkt, nachdem Paul versuchte, mich halbwegs für dieses Desaster verantwortlich zu machen. Drei Stunden Zeitreserve, was soll ich denn sonst noch machen?
Grundsatzfrage
Das war das Nerven zerfetzende Ende eines weiteren wunderschönen Wochenendes. Ich bin froh, noch einmal in Edinburgh gewesen zu sein. Auch, dass Hanni es zumindest einmal sehen konnte, selbst wenn sie nicht überschäumend begeistert war (um ehrlich zu sein, hat es mich diesmal auch nicht so beeindruckt wie sonst). Und ich bin froh Claudia & Co. noch einmal gesehen zu haben und das so überraschend.
Leider wurde mir vor kurzem mitgeteilt, dass es mit meinem Urlaub wohl nichts werden wird. Denn nun ist Sommer oder zumindest sowas ähnliches und wir sind logischerweise äußert beschäftigt. So beschäftigt, dass Paul mir sagte (man glaube es oder nicht), ich sei hier unentbehrlich.
Zwanzig freie Tage umsonst, aber aus irgendeinem Grund bin ich nicht besonders böse. Wahrscheinlich meine eigene Schuld, wo ich immer zu faul war, irgendwas zu organisieren. Und schließlich gilt meine erste Loyalität nach wie vor grundsätzlich dem Projekt. Denn das ist alles, was ich ihm geben kann im Ersatz für fehlende Qualifikation.
Berwick-upon-Tweed: Kurzbesuch
Somit bleibe ich bei meinen Wochenendtrips. Denen fehlt in letzter Zeit etwas Planung und ich musste ab und zu auf nähere Sekundärziele zurückgreifen. Letztens war ich in Berwick-upon-Tweed, das ist neben Alnmouth die zweite Stadt, die mir auf dem Weg nach Edinburgh immer auffällt.
Da bin ich an einem wortwörtlichen Sonntag mal schnell hin. Viel kleiner als es aussieht und mit einem Besuch abgehakt. Nicht besonders aufregend, aber nett - das richtige, um nicht zu Hause zu bleiben. Die beiden Brücken sind schön und die Innenstadt hat einige gut aussehende Lokalitäten. Davon abgesehen ist der Ort einfach zu klein, um größeres Interesse zu entfachen. Um ihn herum ist ein Ring von alten Befestigungen über die man laufen kann, was ich tat, durch einen zu teuren französischen Markt und einige Museen. Nur für die schönen Strände hatte ich keine Zeit mehr, weil ich gegen fünf Uhr schon wieder verschwunden bin, um mir mit Hanni „Gegen die Wand“ anzusehen, was sie sichtlich geschockt hat.
Das Tall Ships Race
In Newcastle ist bald das Tall Ships Race, wenigstens etwas Exklusives, was so schnell kein anderer Freiwilliger haben wird, denn es findet nur alle fünf Jahre statt. Jede Menge kleine und mittlere, große und ganz große Segelschiffe kommen die Tyne hoch. Zwei kommen sogar nach Hartlepool. Kein einziges nach Sunderland :-) Wir sind mal wieder privilegiert, denn wir können sie alle die Küste entlang fahren sehen. Sogar ein paar Marineschiffe sind da . Und es ist schon etwas komisch, einen Flugzeugträger vor der Farm zu haben. Leider ist das alles nur unter der Woche und ich hoffe, Zeit dafür zu finden. Auf dem Konzert in Gibside habe ich ein Mädchen von der Touristeninformation getroffen, die erzählte mir, sie werden die ganze Stadt mit Veranstaltungen auf den Kopf stellen.
Sachen kaputtmachen IV: Rausrupfen (später verbrennen)
Ansonsten werden weiterhin U-Bahnen in die Luft gesprengt oder es zumindest versucht. Die Polizei erschießt Leute und die Sun ist ganz begeistert. Die Stimme der Zivilisation und Freiheit fordert lautstark: Erschießt alle Bomber! Einen Tag später ist man ganz empört: Sie haben den Falschen erschossen! Wie können sie nur?!
Auch ich beschäftige mich engagiert mit dem Zerstören von Dingen, nur weitaus kompetenter und sogar mit Grund: Alles Ragwort muss weg, raus aus unseren Feldern. Ich kenne den deutschen Namen nicht, aber das gelbe Zeug ist ein sehr invasives, giftiges Unkraut. Ich frage mich, was in den letzten 20 Jahren auf Penshaw Hill gemacht wurde. Der ist fast deckend gelb, und wer muss sich drum kümmern? Das mache ich, jedenfalls im Moment, sehr oft und sehr lang. Mal einen Vormittag, mal einen Nachmittag, mal beides. Aber was tut man nicht alles, um der Natur zu zeigen, wer Herr im Hause ist.
Sie hat es nicht anders verdient. Man sehe sich nur Tiere an. Zum Beispiel unsere Schafe. Eins davon verfängt sich alle Nase lang mit einem Bein im Zaun und bleibt dort stundenlang hängen, bis jemand es bemerkt und befreit. In der Zwischenzeit bekommt es Panik, zappelt wie blöd und verletzt sich natürlich. Nun humpelt es, liegt den ganzen Tag in einer Ecke und guckt leidend. Rocky ist nicht viel besser. Will sich umdrehen, stolpert über meine Beine, fällt hin. Bleibt einfach mal liegen und guckt mich fragend an, fauler Hund. Daran sieht man mal wieder: Tiere sind dumm. Nicht umsonst sind wir die Krone der Schöpfung, die sich die Erde Untertan machen darf.
Küchen-Gerüchte
Ja, ich habe meine Glauben in die Menschheit immer noch, trotz einem Jahr in Easington Colliery. Und Peterlee und Horden und Sunderland. Wir mähen gerade Felder und Wiesen und Wege wie verrückt und versuchen, das Heu danach in Ballen zu sammeln. Was manchmal nicht gelingt, weil die sympathischen Anwohner abends nicht viel anderes zu tun haben, als es anzuzünden. Somit stehen Paul und Ron einige stressige Abende ins Haus, an denen sie bis zur Dunkelheit das Feld bewachen. Aber dann zündeln die Charver eben woanders.
Mein Englischkurs ist inzwischen auch zu Ende und nun trudeln nach und nach die Ergebnisse der Prüfungen ein. Wir hatten eine sehr nette kleine Abschlussfeier, ähnlich wie zu Weihnachten, mit Essen aus der halben Welt und ich bin ein absoluter Fan von Thai- Frühlingsrollen geworden.
Ganz zum Schluss habe ich ein wahnwitziges und trotzdem glaubwürdiges Gerücht gehört. In Horden soll es ein neues Café geben. Keinen Imbiss, keine Spelunke, ein Café im kontinentalen Stil. Ein C-A-F-É. In H-O-R-D-E-N. Das ist der ärmere Stadtteil von Peterlee. Erinnert ihr Euch an den Eintrag „Straßenszenen“? Das war da. Was kommt als nächstes? Ein französisches Restaurant in Peterlee? Der Sartre-Fanclub Sunderland? Alphabetismus in Easington?!
Nächsten Samstag zeige ich Hanni York.