Evian – an der Quelle des Wassers und des Geldes
Rätsel über Rätsel. War die vermeintliche Trinkhalle wirklich der Ausgangspunkt einer berühmt berüchtigten Wassermarke?
Als mein Einsatzort für meinen Europäischen Freiwilligendienst endlich feststand, erkundete ich ein wenig die Gegend. Zumindest über Google Maps. Ich ließ meinen Blick schweifen und entdeckte nicht weit von meinem geplanten Aufenthaltsort ein Städtchen, dessen Namen mich zum Stutzen brachte: Evian. Irgendwo hatte ich den Namen schon ein Mal gesehen, aber mir wollte partout nicht einfallen, in welchem Zusammenhang das gewesen war. Auf der Hinfahrt mit meinem Mitfreiwilligen M. und seinen Eltern wurde mir dann einiges klar. Evian. Quelle.Wasser. Das war die Stadt, in der das luxuriös aussehende Mineralwasser abgefüllt wird!
Da man sich so eine Attraktion nicht entgehen lassen sollte, fahren wir auch schon am zweiten Wochenende in Richtung Evian.
Gemeinsam mit M.s Eltern, die auf Wochenendbesuch bei uns vorbeischauen, wollen wir die Quellen besichtigen. Was wir aber zunächst zu Gesicht bekommen ist ein etwas wohlbetuchteres Publikum als in Thonon. Zum einen sehen die Leute wohlhabender aus, zum anderen sind die Gebäude atemberaubend. Viele der vor uns stehenden Häuser erinnern an eine Therme. Aus diesem Grund wissen wir auch direkt, dass wir der Quelle auf der Spur sind.
Nachdem wir eine sehr glamuröse Hochzeit bestaunt haben und unsere männliche Riege sich an den teuren Autos satt gesehen hat, schlendern wir die Fußgängerzone entlang. Natürlich gilt es aber erst einen unausweichlichen Berg zu erklimmen. Unsere Aufmerksamkeit wird von einem großen Hauseingang in Anspruch genommen. Die Fassade des Gebäudes ist aus sandfarbenem Stein und als ich den Kopf in den Nacken lege um das gewaltige Bauwerk auf mein Foto zu bekommen, fällt mein Blick auf den Schriftzug, der an der Decke des Eingangs steht. "Source cachat". Es hat also etwas mit Wasser zu tun. So viel kann ich mit meinem noch nicht ganz ausgebautem Französisch verstehen. Was schön von außen aussieht, wird von innen noch beeindruckender sein. Erwartungsvoll wollen wir die Tür öffnen, müssen aber feststellen, dass ausgerechnet Sonntags Ruhetag ist. Internetrecherchen haben letztendlich aber sowieso ergeben, dass es zwar informative Schilder und Filme geben solle, es sich bei dem 1903 errichteten Bauwerk aber letztendlich um ein "Geschäft mit Werbeprodukten" handle. Da M. Und ich sowieso auf unser Budget achten müssen und in unserer WG das gute Kran-Thonon-Wasser genießen, war es darum vielleicht so auch besser.
Wir schlendern die Fußgängerzone weiter entlang, bekommen von einer netten Tabakladenbesitzerin den Unterschied zwischen den verschiedenen Sim-Kartenanbietern erklärt und finden uns schließlich vor einem kirchenähnlichen Gebäude wieder. Viele Leute gehen ein und aus. Da ich keinen Vergleichspunkt habe, kann ich natürlich über die Anzahl der Leute keine wirkliche Aussage machen, aber vermutlich ist das rege Treiben auch auf die „Journées européennes du Patrimoine“ [europäischer Tag des Denkmals] zurück zuführen. Im Rahmen dieses Tages bzw. dieser Tage, öffnen überall in Frankreich fast 17 000 Denkmäler ihre Pforten um den Menschen das Erbe des 21. Jahrhunderst nahe zu bringen. Kurz um: Es werden mehr als 25 000 Animationen für die 32. Ausgabe des Europöischen Tag des Denkmals angeboten. Und so kommt es, dass es auch in Evian einiges zu bestaunen gibt. Bei der vermeintlichen Kirche vor unserer Nase handelt es sich um die „Ancienne Buvette Cachat“. Eine wortwörtliche Übersetzung finde ich dafür leider nicht, übersetze es mir aber als eine Art Trinkhalle. Natürlich nicht im herkömmlichen Sinne, sondern eine Trinkhalle der gehobenen Klasse. Als wir die 1903 erbaute Halle betreten bin ich überrascht. Erstens hat der Architekt Jean-Albert Hébard, der auch das Casion und das Hôtel Royal entworfen hat, ganze Arbeit geleistet. Insbesondere die Fenster sind atemberaubend und bewirken, dass ich primär verträumt nach oben schaue anstatt darauf zu achten, wohin ich meine Füße setze. Dadurch stolpre ich beinahe in die in der Mitte ausgestellten antiken - ja, was soll das nun wieder da stellen? Beinahe tendiere ich dazu, die Gerätschaften, die kreisförmig um die in der Mitte der runden Halle positionierten weißen Nymphe angeordnet sind, als Spinnräder einzuordnen. Leider befinden wir uns allerdings in eine bedeutenden Wasserhalle, sodass diese Deutung wenig Sinn zu machen scheint.
Zweitens ist das Innere der besagten Halle – abgesehen von der schillernd weißen Dame in der Mitte und den bunten Fenstern, sowie dem Wandgemälde etwas herunter gekommen. Man sollte meinen, dass ein Denkmal besser gepflegt würde. Nachdem wir einmal durch die Halle gelaufen sind und ich die bunten Fenster noch etwas auf mich wirken gelassen habe, verlassen wir das Denkmal und verabschieden uns für den heutigen Tag von der Kultur.
Vermutlich könnte man das anschließende Kaffeetrinken aber auch als ein Stückchen (französischer) Kultur ansehen. Als uns der Kaffee serviert wird, sind wir etwas verwirrt. Die Tasse gleicht einer uns gängigen Espresso-Tasse. Der Preis entspricht aber einem „normalen“ Kaffee. Willkommen in Frankreich!