Europawahl in Ungarn
Während weder Wahlkampf, Ergebnis noch europaweite Trends für Begeisterung sorgen, bekennen sich ein paar europäische Jugendliche bei sommerlichen Temperaturen und Holunderblütenschorle gern zur EU.
Am vergangenen Samstag wurde im schönen Budapester ,,Füvészkert“ (einer Parkanlage mit botanischen Garten) das ,,Európai Piknik“ veranstaltet. Anlass waren das zehnjährige Jubiläum Ungarns als Mitgliedstaat der EU, die Einführung des neuen Erasmus Plus Programms als auch die Europawahlen, welche in Ungarn ebenfalls am 25.Mai stattfanden. Die Veranstaltung, auf welche wir auf unserem Mid-Term Seminar hingewiesen wurden, war ein buntes Zusammenkommen verschiedener, vornehmlich junger Europäer, darunter viele Freiwillige. In dieser erfrischend internationalen Atmosphäre gab es ein gemischtes Bühnenprogramm (Ungarische Bands, die aber unter Beweis stellten, ebenso gut auf Englisch oder auch Französisch musizieren zu können), verschiedene Infostände rund um das Thema Wahlen als auch zu Erasmus Plus sowie u.a. einen No-Hate Stand und viele auf Europa bezogenen Spiele. Ein insgesamt sehr gelungener Nachmittag, der bei knappen 30 Grad erstes Sommerfeeling hat aufkommen lassen.
Zu den gestern stattgefundenen Europawahlen wurde auch in Ungarn Wahlkampf betrieben. Jedoch hat man sich es, was das angeht, oft leicht gemacht. So hat die regierende Fidesz-Partei die noch von den Parlamentswahlen übrig gebliebenen Plakate lediglich mit etwas veränderten Wahlslogans sowie einem anderen Datum überklebt. Das riesige Portrait Orbáns bleibt Hauptelement der Wahlwerbung. Nun ja, was man ihnen lassen muss, ist, dass es sich dabei immerhin um eine recht umweltfreundliche Variante handeln mag. Die derzeitigen Oppositionsparteien warben ebenso für sich. Insgesamt jedoch lange nicht mit so viel Nachdruck und Medienpräsenz wie etwa zu den Parlamentswahlen im vergangenen Monat. Das Ergebnis dieser Europawahl in Ungarn ist ebenso wenig überraschend wie das der Wahl im Vormonat. Die Regierungskoalition Fidesz-KDNP kommt auf ca. 51% und lässt damit alle Oppositionsparteien mit weitem Abstand hinter sich. Sie holt zwölf der insgesamt 21 ungarischen Sitze im Parlament. Die europafeindliche, rechtspopulistische Jobbik wird mit knapp 15% zweitstärkste Kraft. Dieser Erfolg hängt jedoch auch vor allem damit zusammen, dass die drei linken Parteien, anders als noch bei den Parlamentswahlen, nicht als Wahlallianz angetreten sind. Zusammen kommen MSZP, DK und Együtt auf etwa 28%. Die ungarische grüne Partei LMP holte ca. 5% der Stimmen.
Wie in so vielen anderen Ländern der EU lässt sich aber auch in Ungarn die Wahlbeteiligung als Armutszeugnis ansehen. Gerade mal knappe 28% der stimmberechtigten Ungarn gaben am Sonntag ihre Stimme. 2009 waren es noch etwas mehr als 36%. Außerdem lässt sich leider noch ein weiterer Trend erkennen, der sich auch in vielen anderen EU-Ländern (Großbritannien, Frankreich, Dänemark u.a.) abzeichnet: Die rechtspopulistische Jobbik fährt im Vergleich zu 2009 zwar leichte Verluste ein, schafft es aber dennoch mit beachtlichen 14,68% als offen europafeindliche Partei, welche einen Austritt Ungarns aus dem Staatenbund nicht ungern sehen würde, ins Europaparlament. Eine Entwicklung, die meiner Meinung nach wirklich die Frage aufkommen lässt, wo sich die Institution EU hin entwickelt, wenn sich in den Reihen eines ihrer bedeutendsten Organe nun zunehmend Politiker von Parteien finden lassen, welche dem Charakter und der Idee der EU an sich kritisch bis feindlich gegenüberstehen. Liegt hier nicht ein immenser Widerspruch in sich vor? Schließlich würde sich auf Bundesebene auch keine Partei etablieren können, die sich allen Ernstes ,,deutschlandfeindlich“ gibt.
Nimmt man die Wahl als Indikator für die Zufriedenheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger mit der Institution Europäische Union an sich, so zeigt sie zweifellos auf, dass die EU die Krise, in der sie seit geraumer Zeit steckt, noch längst nicht überwunden hat. Im Gegenteil. Sie steht mit ihren Organen was ihre demokratische Legitimation, ihre Transparenz als auch ihre Effizienz betrifft in starker, und sicherlich nicht immer unbegründeter Kritik. Was mich dabei, vor allem als Teilnehmerin des ,,youth in action“-Programms traurig macht und zuweilen verärgert, ist, dass in all dieser Kritik und der ständigen Wiederholung des Zustandes der ,,sich in der Krise befindlichen EU“, die Chancen und Möglichkeiten, die uns eben diese EU gibt, in den Hintergrund geraten. Allbekannte Vorteile wie Reisefreiheit oder das Recht darauf, zu wohnen, wo man es möchte, seien nur am Rande erwähnt. Es reicht, wenn ich mich an den vergangenen Samstag erinnere, um mir gewahr zu werden, dass mir die EU wichtig ist: Ein friedliches Zusammenkommen vieler junger Europäer aus den unterschiedlichsten Mitgliedsstaaten der EU, an einem sonnigen Maitag mitten in Europa, gemeinsam der Musik, welche von der Bühne erklingt lauschend, den viel umworbenen ,,Europäischen Gedanken“ lebend, vielleicht ohne sich in diesem Moment darüber allzu bewusst zu sein.