Elvis lebt
Das Ende einer langen Liste von Reisezielen.
Was sollte man noch getan haben, bevor man Polen verlässt? Nein, leider habe ich den Besuch bei der weltgrößten Jesus-Statue nicht mehr hinbekommen. Aber dafür sind Sonja, Johanna und ich zusammen nach Warschau gefahren! Irgendwie hatten wir das vorher nicht zusammen geschafft, es aber auch nicht so wirklich geplant, nur ein "klar fahren wir noch in die Hauptstadt". Also sind wir an einem Samstagmorgen früh losgefahren und waren gegen Mittag dann da. Warschau hat wie alle polnischen Städte, die ich bisher besucht habe, eine sehr schöne Altstadt und tolle Parks. Vor allem die Menschen sind deutlich interessanter als in einer Kleinstadt. Bei einem polnisch-amerikanischen Straßenfest wurden Flaggen an alle Passanten verteilt und wir haben uns das neugierig angesehen. Am Eingang standen Pappaufsteller von Marilyn Monroe und Elvis Presley, mit denen wir natürlich unbedingt Selfies machen mussten. Als wir bei letzterem standen, kam ein älterer Amerikaner zu uns mit den Worten "Girls, Elvis lebt. Ich bin Elvis. Ihr solltet ein Foto mit mir machen." Also haben wir nun auch ein Selfie mit der Reinkarnation des King of Rock'n'Roll. Das Beste meiner Meinung nach war aber die Weichsel, an deren Ufer sich die Studenten trafen und gemütlich auf den Stufen saßen. An unserem ersten Abend sind wir dort entlang gelaufen, bis wir in einiger Entfernung eine große Menschenmasse sahen. Wie sich herausstellte, sind wir genau zum richtigen Zeitpunkt zu einer Wassershow gekommen, die dort regelmäßig stattfindet. Nach dem üblichen Filmchen über die heldenhafte polnische Geschichte wurde mit Lasern auf einem Bildschirm aus Wasser ein Märchen erzählt. In dieser Form hatte ich das noch nicht gesehen und war schon beeindruckt. Am nächsten Tag sind wir morgens ins Jüdische Museum gegangen, in dem Johanna zwar schon gewesen war, aber aufgrund der Größe des Ganzen längst nicht alles gesehen hatte. Ich hatte mir vorgenommen, in der Zeit möglichst viel zu schaffen, aber fast 1000 Jahre jüdischer Geschichte in wenigen Stunden sind schon eine Herausforderung. Insgesamt war es toll gemacht, auch für jemanden, der (trotz intensiven Religionsunterrichts zu diesem Thema) kaum Vorwissen hatte. Und es war keineswegs nur traurig: Auch jüdische Tänze konnte man lernen und Drucktechniken ausprobieren. Nach dem Museum stand ein weiterer Punkt auf dem Programm: die Łazienki Królewskie, der größte Park in Warschau. Dort finden zu Ehren des polnischen Komponist Chopin (ich gehe mal davon aus, dass ihr Chopin kennt, aber wusstet ihr auch, dass er Pole war?) Klavierkonzerte statt und genau so eines wollten wir uns anhören. Diesmal spielte eine junge Pianistin und na ja, Chopin ist ja ganz nett, aber eine CD würde ich mir davon nicht kaufen. Mitten während des Konzertes fing es an, in Strömen zu regnen, was die Stimmung aber kaum dämpfte. Die Zuschauer zogen sich unter die Bäume zurück, hörten aber weiterhin zu und der Flügel wurde logischerweise von einer Plane geschützt. Abends gingen wir in ein Restaurant mit dem einfallsreichen Namen The Mexican, bei dem es, wie ich sagen muss, richtig gutes Essen gab. Meine Fajitas kamen zur Belustigung meiner Mitbewohnerinnen mit einem Lätzchen, das mir vom Kellner umgebunden wurde. Vielleicht macht man das so in Mexiko. Die beiden hatten auf jeden Fall Spaß und haben schön viele Fotos gemacht. An dem Abend machten wir uns erneut auf zum Ufer auf der Suche nach Tanzflächen, bei denen Johanna gewesen war. Die fanden wir sogar, aber irgendwie hat dort niemand getanzt. Also setzten wir uns auf die Stufen und lauschten den verschwommenen Geräuschen, die aus dem Stadion gegenüber kamen. Auf dem Rückweg war die Straße, an der wir entlang gelaufen waren, plötzlich gesperrt und über die Brücke kamen tausende Menschen, die wohl im Stadion gewesen waren. Erst da merkten wir, dass es sich, den T-Shirts nach zu urteilen, um ein Konzert der Rolling Stones gehandelt haben musste, dem wir da gelauscht hatten. Am nächsten Tag las ich, dass sich Mick Jagger kritisch zur polnischen Regierung geäußert hatte. Das finde ich toll und wichtig, den niemand darf das Gefühl haben, dass alles hier unbeobachtet geschieht. Aber wie viele PiS-Anhänger findet man wohl auf einem Stones-Konzert? So gerne ich noch länger in Warschau geblieben wäre, ich musste noch arbeiten und bin deshalb einen Tag früher als die beiden zurückgekehrt. Natürlich stand mein Bus zwei Stunden lang im Stau, während der am nächsten Tag auf die Minute pünktlich war. So war es also ein kurzer, aber ereignisreicher Ausflug in die Hauptstadt und ich kann jetzt wenigstens sagen, dass ich mal da gewesen bin. Ich würde gerne ein Ranking polnischer Städte erstellen, aber das würde keiner einzigen gerecht werden: Jede Stadt hatte bisher wunderschöne Gebäude und eine eigene Atmosphäre. Aber gleichzeitig sieht man in den Städten auch nur die halbe Wahrheit. Das Dorfleben wie in Trzebiel ist wieder etwas ganz anderes und die Natur wie in den Bergen muss man auch gesehen haben. Falls ihr also die unterschwellige Botschaft noch nicht bemerkt habt: Fahrt nach Polen! Es ist ein tolles Land und ihr müsst nicht mal viel Geld dafür ausgeben. Die Sprache ist etwas beängstigend, aber die Menschen sind umso herzlicher (solange sie keine Busfahrer sind, tut mir leid). Auch wenn ich bald nicht mehr hier bin, hoffe ich, dass ich noch oft in dieses Land zurückkehren werde. Es gibt so viele Ecken, die ich noch nicht gesehen habe (die Jesus-Statue!) und mein Polnisch darf ich auch nicht verlernen. In dem Sinne: Eine tolle nächste Reise wünsche ich euch, wohin auch immer sie euch führen mag.
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