Die „Pille danach“ wird rezeptfrei
Die EU Kommission hat entschieden, dass das Präparat mit dem Wirkstoff Ulipristal Frauen von nun an rezeptfrei in der Apotheke ausgehändigt werden soll. In Polen und Deutschland war dafür bisher ein Arztbesuch notwendig. Widerstand kommt in beiden Ländern aus dem konservativen Lager.
Die Kommission folgt damit auch einer Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO, die das Medikament für leicht anwendbar und deshalb ärztliche Beratung für nicht notwendig hält. Die Freigabe betrifft allerdings nur das Präparat ellaOne, das seit 2009 zugelassen ist. Wie andere zugelassene Wirkstoffe verhindert es die Befruchtung der Eizelle, je nach Pille bis zu 120 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr. Eine bestehende Schwangerschaft wird nicht beeinflusst. Es handelt sich also nicht um eine „Abtreibungspille“ wie von Gegnern behauptet wird. Allerdings wirkt die Pille zuverlässiger, je früher sie genommen wird. Das spricht für eine rezeptfreie Abgabe, denn so sinken für Frauen in ländlichen Regionen und am Wochenende die Hürden.
Gesundheitsminister Gröhe und die CDU wollten an einer Rezeptpflicht festhalten, das löste Empörung bei der SPD aus. Sie sah die Entscheidungsfreiheit von Frauen eingeschränkt. Als die Entscheidung der Kommission im letzten Jahr bereits absehbar war, änderte der Minister seine Meinung. Inzwischen wird auch über eine Rezeptfreiheit eines weiteren Wirkstoffs diskutiert. Gröhe wünscht sich allerdings, dass Frauen beim Kauf in der Apotheke „intensiv beraten“ werden. Die Entscheidung soll in den kommenden Monaten ausgearbeitet und rasch umgesetzt werden.
Die deutsche Bischofskonferenz hat die „Pille danach“ für Vergewaltigungsopfer als zulässig erklärt, lehnt sie aber als Verhütungsmittel ab. In Köln wurde einer vergewaltigten Frau die Ausgabe der Pille von einer katholischen Klinik verweigert, was bundesweit für Empörung sorgte.
Auch in Polen ist es insbesondere die Haltung der katholischen Kirche, die den Widerstand gegen die tabletka po prägt. Die konservative Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) beruft sich gerne auf theologische Argumente bei gesellschaftspolitischen Fragen. Ein Sprecher der Partei erklärte, die rezeptfreie Abgabe des Medikaments widerspreche ihrer Weltanschauung. Das könnte durchaus relevant werden, denn Polen wählt dieses Jahr und bisher fehlt ein heißes ideologisches Thema.
Die EU lässt ihren Mitgliedsländern bei Arzneimitteln nämlich Handlungspielraum, sodass die Umsetzung in Polen strenger ausfallen kann. Bisher kann ein Arzt die Verschreibung oder der Apotheker die Ausgabe des Präparats aus Gewissensgründen sogar verweigern. Unter dem Motto „Masz 72 godziny“ (in Anlehnung an die maximale Wirkungsdauer) listet eine Website alle liberalen Ärzte und Apotheken im Land auf. Für die Kosten, die je nach Präparat 30 Euro betragen können, muss die Patientin selbst aufkommen.
Der Gynäkologe Południewski sagte der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza, dass die „Pille danach“ in Polen kaum zur Schwangerschaftsverhütung eingesetzt wird. Der Sexologe Professor Zbigniew bewertet die bisherige Praxis negativ. Da auch das Abtreibungsgesetz in Polen strenger ist, könnten mit der freien Abgabe von ellaOne ungewollte Schwangerschaften verhindert werden. Für ProLife-Organisationen kommt die „Pille danach“ trotzdem schon einer Abtreibung gleich.
Diese Meinung findet sich auch bei Abgeordneten der PiS wieder. Trifft der Sejm, das polnische Parlament, die Entscheidung, setzt die Partei auf die Unterstützung des konservativen Flügels der regierenden Bürgerplattform PO. Mit einem Ministerlass könnte das umgangen werden.