Die letzte Novemberwoche
Auf einem Treffen zum Thema „Youth in Aktion“ hat Hennchen einen Vortrag über das EVS gehalten, auf Norwegisch. Die Sprache beherrscht sie also, aber Polarlichter hat sie noch keine gesehen.
Am letzten Wochenende wurde es plötzlich wieder wärmer und so waren die ganzen Straßen schon wieder voller Matsch. Es ist ein ewiges Hin und Her. Ich hoffe aber, dass der Schnee jetzt endlich mal liegen bleibt! Auch wenn ich jedes Mal, wenn es wieder in der Nacht viel geschneit hat, von dem Schneepflug um fünf in der Früh geweckt werde, weil in dem Hof direkt vor meinem Zimmer der gesamte Schnee von der Straße aufgetürmt wird. Das ist ein lustiges Hin und Her von dem Minitraktor. Und das allerschönste ist das Rasseln der Schneeketten. Das ist dann das Ende einer ruhigen Nacht.
In der letzten Nacht war es vor meinem Zimmer zum Glück ruhig, dafür waren meine Mitbewohner mordslaut. Ich bin um halb fünf erschreckt aufgewacht und hab mich schon gefragt, ob mein Handy seinen Geist aufgegeben hat und ich verschlafen habe. Weil es ab 14 Uhr bis um halb zehn draußen nicht zu erkennen ist, welche Tageszeit wir gerade haben. Mein Handy funktioniert aber noch. Und das Gerumpel kam von dem Mitbewohner, der immer nur von Montag bis Donnerstag hier war. Er hat sein Zimmer geschrubbt, weil er heute den letzten Tag hier war. Jetzt wohnen hier in dem Haus also nur noch der junge Künstler und ich. Es gibt kein lautes Getrampel am Abend und kein Türenschlagen mehr! Es wird ruhig, hier im Haus. Aber vielleicht kann ich jetzt hier üben. Vermutlich aber nicht lange. Der nächste Mitbewohner kommt bestimmt!
Was ist sonst noch diese Woche passiert? Ich bekam ein Päckchen von meiner Oma. Mit echten Eisenacher Lebkuchen und Bildern vom Thüringer Wald. Ich hatte schon total vergessen, wie groß Bäume sein können und wie hell die Blätter leuchten können! Und ein Adventskalender war auch dabei. Ich hab mich voll gefreut und es war genau das Richtige, nachdem ich mich letzte Woche so mies gefühlt habe. Das war wohl das berühmte Loch. Ich hab mich die ganze Zeit gefragt, warum ich das hier überhaupt mache. Und ich war sauer, dass ich hier allein wohne und einfach nicht mal kurz zu anderen Freiwilligen rübergehen kann.
Im Chor singen wir jetzt zwei Weihnachtslieder. Aber die sind beide gar nicht weihnachtlich, finde ich. Das Eine hat nämlich die Melodie von „meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad!“
Am Dienstag war dann mein großer Tag. Der Odd, also der Musikschulleiter, meine Mentorin, ein Schüler und ich fuhren nach Stokmarknes. Dort gab es ein Treffen von Mitgliedern der unterschiedlichsten Kommunen hier auf den Vesteralen und Lofoten. Das Thema war „Aktiv Ungdom“, das heißt “Youth in Aktion“. Es gab eine Powerpoint - Präsentation, in der alle möglichen Programme vorgestellt wurden. Bei dem Thema „EVS“ sollte ich dann etwas über meine Arbeit und Motivation und Erfahrungen erzählen. Entweder auf Englisch oder Norwegisch. Ich hab’s mit Norwegisch probiert, weil ich mittlerweile mehr Norwegisch als Englisch verstehe. Und ich hab mich danach riesig gefreut, als mehrere zu mir kamen und gesagt haben, dass ich „veldig flott i norsk“ bin. In Norwegen gibt es massig unterschiedliche Dialekte. Genauso komische, wie in Deutschland. Manche sprechen ein rrrr wie in Deutschland, also hinten im Rachen, und hier sprechen viele aber ein Zungen-rrrr. Das ist für die so normal, dass natürlich auch die Einsingübungen mit dem Zungen-rrr sind. Haha, für mich war das nicht so normal! Ich hab zwar schon vor Jahren meine Freundinnen auf der Singfreizeit damit gequält, dass ich die ganze Zeit „Bllllötchen“ gesagt habe, was dazu führte, dass ich immerhin einen Schlag hinbekommen habe. Jetzt klappts! Und ich benutze das „rrr“ wie wenn ich einen Schalter umlege. Im Deutschen nicht, nur im Norwegischen. Wenn ich dann aber doch mal Deutsch mit dem norwegischen „rrrr“ spreche, klingt es ganz fremd.
Ich habe im Internet bei dem norwegischen ersten TV Programm das „nettTV“ gefunden. Jetzt lasse ich also meinen Fernseher, der einfach so stark unter Empfangschwierigkeiten leidet, ruhen und schau mir die Serien im Internet an. Das ist superklasse. Wenn du so fern schaust, hörst du dann auch die unterschiedlichsten Dialekte. Und man trifft hier total auf irgendwas aus Deutschland ! Im Fernseher ein Reisebericht, ein Interview mit einem Vinzer, ein Tourist, Sport, Kultur, …der Kugelschreiber, den man als Werbegeschenk bekommen hat und spätestens, wenn man im Kindergarten für den gebastelten Weihnachtsmann als Gürtel ein Stück von dem deutschen „silbernen Glitzerband“ was abschneidet, hab ich gemerkt, wie viel Macht Deutschland doch als Exportland hat!
Jetzt ist am Sonntag ja schon der 1.Advent und ich vermisse die typischen, deutschen Weihnachtsmärkte. Die gibt es anscheinend nirgends in Norwegen. Klarer Minuspunkt für Norwegen! Dazu zählt auch die norwegische Mülltrennung! Die haben hier eine weiße Tüte für Restmüll, eine orangene Tüte für brennbaren Müll und eine grüne Plastiktüte für Biomüll. Wobei ich nicht verstehen kann, dass der Biomüll in einer Plastiktüte ist und was jetzt überhaupt brennbar ist. Und ich bin dabei nicht allein. Selbst die alt eingesessenen Norweger verstehen nicht ganz, wie der Müll zu trennen ist und schmeißen das Zeug nach Lust und Laune in die unterschiedlichen Eimer.
Apropos Eimer. Heute durfte ich in der Kulturschule die Luftfeuchtigkeitsapparate entkalken, schrubben (hat mich stark an die Froschbottichreinmache im August erinnert) und neu füllen. In Winterbach haben wir in der Musikschule ja Pflanzen, die dafür sorgen sollen, hier machen das Apparate. Es gibt kaum Zimmerpflanzen, also auf jeden Fall nähert sich keiner der Größe des MGKKG (Mamas Grünzeug, Kaktus und Kräuter Garten) an.
Zur norwegischen Weihnachtszeit gehört außerdem der Verkauf von Jule-Comics. Und das gemeinsame Essen (julemat) mit den Geschäftskollegen. Das heißt für mich: einmal Julemat mit dem Klubb, einmal mit dem Musikschule, mit den Nachbarn, den Freunden, …(und leider immer Fleisch, so dass ich mich gar nicht drauf freuen kann).
Weil mich schon so viele gefragt haben: Nein, ich hab noch keine richtigen Polarlichter gesehen. Es war immer bewölkt oder ich musste arbeiten oder schlafen. Heute war superklarer Himmel und Richtung Süden am Horizont war mal wieder ein gelbrosa Streifen und der Rest vom Himmel so hellblau, das gibt es in Deutschland nie! Dafür hab ich hier noch nie Kondensstreifen gesehen. Der nächste Flughafen ist südlicher und über Sortland führt glaube ich keine Fluglinie. Das macht den Himmel noch klarer. Ich werde jetzt mal sehen, vielleicht gibt es ja heute doch Polarlichter. Bis demnächst! Ha det!