Die Digitalisierung der Bildung - Fluch oder Segen?
Die Digitalisierung ist ein Trend, der mittlerweile alle Bereiche des Lebens durchzieht und den man nicht mehr aufhalten kann. Auch die Bildung ist betroffen, und digitale Bildungssysteme werden in Zukunft eine große Rolle spielen - Eher positiv oder negativ?
In Grundschulen in Großbritannien wird teilweise bereits Informatik unterrichtet - Mit einfachen Übungen lernen die Kinder logisches Denken und später dann Programmiersprachen, fast wie weitere Fremdsprachen. Je digitaler die Welt wird, desto wichtiger werden digitale Skills oder ein Verständnis dafür, wie Technik funktioniert und angewandt werden kann. Wir sind zwar eine Generation der „Digital Natives“, aber das heißt noch nicht, dass wir dies auch im professionellen Bereich anwenden können - Digital Skills sind daher von großer Bedeutung und werden sogar noch daran gewinnen.
Wohingegen unsere Eltern noch einen sehr stabilen Arbeitsmarkt erlebt haben und häufig ihr ganzes Leben in einem Job oder gar in einer Firma verbracht haben, wird der Arbeitsmarkt von Morgen immer flexibler werden. Maschinen werden immer intelligenter und die Automatisierung wird weiter voranschreiten, dadurch werden sehr viel neue Jobs entstehen aber auch viele alte Jobs überflüssig. Interessant ist dabei, dass Ökonomen annehmen, dass es die mittelständigen Jobs sein werden, die wegfallen, zum Beispiel Sachbearbeiter - Die Digitalisierung, so wie jede technische Revolution, wird mehr hoch bezahlte, hoch komplexe Jobs schaffen, aber auch mehr prekäre, niedrig entlohnte Arbeitsplätze. Das ist eine enorme Herausforderung für unsere Generation: Formelle Bildung nimmt an Relevanz ab (wobei sie natürlich immer noch ausschlaggebend ist), Soft Skills, Erfahrungen und Flexibilität gewinnen an Bedeutung.
Diese Entwicklung hat einen großen Einfluss auf unsere Generation: Viele meiner Freunde und Bekannten, aber auch öffentliche Personen unserer Generation, Menschen auf Youtube oder Instagram scheinen dadurch einem großen Druck ausgesetzt zu sein - Schließlich kann man heute nicht mehr genug Qualifikationen oder Skills haben, durch die Globalisierung des Arbeitsmarktes müssen Absolventen heute auch international konkurrieren und mit dem Internet kann sich theoretisch jeder zu allem weiterbilden. Neben diesen eher negativen Effekten, hat diese Entwicklung auch bedeutendes Potential: Zum einen treibt dieser Wettbewerb Innovation an - Wenn so viele Menschen miteinander konkurrieren aber auch kooperieren und voneinander profitieren, werden Höchstleistungen erbracht und ständig Neues entwickelt. Zum anderen bedeutet die Digitalisierung der Bildung aber auch eine große Chance für Individuen: Schließlich kann jeder, mit Zugang zum Internet, sich bilden, lernen und sogar Qualifikationen erreichen. Für jemanden, der vielleicht in einem sozialschwachen Umfeld lebt, welches ihm wenig Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bietet, könnte das lebensverändert sein.
Denn Bildung, insbesondere auch formelle Bildung, ist eines der wenigen Mittel zum sozialen Aufstieg. In einem globalen Kontext betrachtet könnte eine Digitale Bildung tatsächlich helfen, strukturell schwache Regionen weiterzuentwickeln - Schließlich ist eine digitale Bildung viel günstiger, viel zugänglicher und man benötigt nicht mal Lehrpersonal, alles was man braucht ist Zugang zum Internet. So gibt es beispielsweise in vielen afrikanischen Ländern große Kampagnen, Tablets zur Verfügung zu stellen und so möglichst vielen Menschen Zugang zu Bildung zu schaffen, so können sie formelle Bildung erhalten, Fremdsprachen lernen, sich international vernetzen oder Musikinstrumente über Youtube-Tutorials lernen. Richtig genutzt kann das Internet Potentiale entfalten, fördern, informieren und Austausch schaffen.
Aber auch diese sehr positive Aussicht wird von negativen Prognosen überschattet: Die Digitalisierung ist eine Entwicklung, die schon vor Jahrzehnten begann, und gewisse Regionen profitieren schon lange von neuen Technologien. Diese Regionen sind häufig schon historisch privilegiert und all die Technologie wird ihnen einen wahnsinnigen Vorsprung geben - Was sie natürlich auch ausnutzen werden. Auch wenn sich entwickelnde Regionen nun mehr Zugang zu Bildung haben werden, können sie ihn dann in vollem Maße nutzen? Und wenn sich das Kapital der Welt in den technologisch modernsten Regionen sammelt, kann Bildung das überhaupt noch ausgleichen? Die große Frage in der Debatte um Digitale Bildung ist also tatsächlich, ob sie globale Ungleichheit reduziert, oder sogar noch verstärkt - Und das wäre dramatisch.
Gerade wir, als junge europäische Generation, sollten uns diese Fragen stellen. Lernen wir in der Schule, in der Universität oder der Ausbildungsstätte zukunftsrelevante Skills? Sind wir mit unsere formellen Bildung auf dem globalen Arbeitsmarkt der Zukunft konkurrenzfähig? Denn momentan sieht es so aus, als würden auch in Europa bestimmte Regionen, aber auch bestimmte Bevölkerungsgruppen innerhalb der Gesellschaften zurückgelassen - Ihre (Aus)Bildung ist veraltet und bietet ihnen später wenig Möglichkeiten. Die europäischen Gesellschaften und Staaten müssen auf diese Entwicklungen reagieren, sonst sind große Ungleichheiten, gesellschaftliche Spannungen und unüberwindbarere Rückstände die Folgen.
Kleiner Buch-Tipp, ein spannender und gar nicht so unrealistischer Roman über eine technologische Dystopie: The Circle, Dave Eggers