Der Stadt fehlt das Gold
Über das berühmte Gemälde Adele Bloch-Bauer I des Wiener Jugendstil-Künstlers Gustav Klimt.
Es ist viel los im Schloss Belvedere mitten in Wien. In der barocken Schlossanalage, die heute die Österreichische Galerie mit zahlreichen namhaften Kunstwerken beherbergt, drängt sich ein Tourist und Kunstliebhaber an den anderen. Und viele wollen vor allem nur eines sehen bzw. erleben: Der Kuss. Das wohl berühmteste Werk im Belvedere. Der Kuss von Gustav Klimt zieht jährlich zahlreiche Touristen nach Wien. In einem dunklen Raum auf schwarzer Wand strahlen das Gold und die vielen bunten Farben des Kuss einem entgegen. Man wird fast schon geblendet und irgendwie berührt vom klimt´schen Kuss. Nicht umsonst wirbt die Stadt Wien mit dem Slogan: „Never leave VIENNA without a KISS“.
Während ich das fast 2x2 m große Ölgemälde betrachte, gesellt sich eine ältere Dame zu mir. „Schön, nicht wahr das Bild? Aber das Meisterwerk des alten Gustavs hängt in New York. Der Stadt fehlt seit 2006 das Gold“, sagte sie und wendete sich ab. Ich bin irritiert und denke über die Worte der Dame nach. Was sie wohl damit meint? Ich erinnere mich, dass ein weiteres berühmtes Bild von Gustav Klimt das der „Adele Bloch-Bauer I“ ist. Und in der Tat hängt dieses weltbekannte Gemälde heute in der Neuen Galerie in New York. Doch wie kommt das Kunstwerk eines österreichischen Malers und Familie in die USA? 1903 beauftragte der österreichisch-tschechische Zuckerfabrikant Ferdinand Bloch-Bauer den Künstler Gustav Klimt die Schönheit seiner Frau Adele in einem Gemälde festzuhalten. Nach vier Jahren Schaffenszeit entstand die „Goldene Adele“, wie das Werk im Wiener Volksmund genannt wird. Gemäß der künstlerischen Epoche des Jugendstils, zeichnet sich das Gemälde vor allem durch seine prächtige goldene Farbe, den vielen verspielten und geometrischen Formen sowie floralen Elementen, die an eine goldene Blumenwiese im Hintergrund erinnern, aus. In der Tat ein sehenswertes Kunstwerk, das nach seiner Fertigstellungen in zahlreichen Ausstellungen in ganz Europa zu sehen war. Adele Bloch-Bauer verstarb aber bereits mit 44 Jahren und hinterließ den testamentarischen Wunsch, dass ihr Mann Ferdinand die Klimt-Bilder der Österreichischen Galerie vermachen solle. Im Jahr 1938 mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich unter der Diktatur Hitlers war Ferdinand Bloch-Bauer gezwungen Österreich zu verlassen und in die Schweiz zu fliehen. Grund hierfür war sein jüdischer Glaube. Der gesamte Besitz der Bloch-Bauers wurde von den Nazis beschlagnahmt. Darunter befand sich auch die „Goldene Adele“, die dann nach einem Ankauf durch die Österreichische Galerie im Belvedere ausgestellt wurde. Ferdinand Bloch-Bauer überschrieb kurz vor seinem Tod in Zürich jeglichen Besitz an die Kinder seines Bruders Gustav Bloch. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erhielten die Bloch-Nachkommen aber nur einen Teil des eigentlichen Besitzes zurück. Die wertvollen Klimt-Werke blieben im Besitz des österreichischen Staates. Erst mit dem in Kraft treten des österreichischen Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen, das es jedem interessierten Bürger ermöglicht in die Erwerbsarchive der staatlichen Kunstgalerien Einsicht zu haben, wurde der Fall neu aufgerollt. Die Erbin Maria Altmann klagte in den USA gegen Staat Österreich zur Restitution der Klimt-Bilder. In einem zähen Verfahren entschied ein Schiedsgericht, dass die Bedingungen für eine unentgeltliche Rückgabe der Bilder an die Erbin Maria Altmann gegeben sind. Und so reiste 2006 der wertvolle Nachlass der Familie Bloch-Bauer, darunter auch die „Goldene Adele“ nach Los Angeles. Noch im selben Jahr erwarb der amerikanische Unternehmer Ronald Lauder das Gemälde der „Adele Bloch-Bauer I“ für seine Neue Galerie in New York. Hört man sich in Wien um, so betrübt der Verlust der „Goldenen Adele“ besonders einen Teil der älteren Bevölkerung, die mit ihrer Adele im Belvedere aufgewachsen sind. Die jüngere Generation hingegen befürwortet eher die ausgleichende Gerechtigkeit und die rechtmäßigen Wiedergutmachung der österreichischen Vergangenheit. Beide vereint jedoch die Ansicht, dass durchaus ein prächtiges Bild der österreichischen Kunstgeschichte nun in New York verweilt, die Stadt aber dennoch ausreichend künstlerisches Gold in ihren Galerien vorzuweisen hat.
Übrigens: Wer Interesse hat mehr über die „Goldene Adele“ zu erfahren, kann hierzu den erst kürzlich erschienen Film „Die Frau in Gold“ ansehen. Darin wird auf eine unterhaltsame Weise die faszinierende Geschichte um das Gemälde mit namhaften Schauspielern nacherzählt.