Der Optimismus der Besten im Park
Endlich ist es so warm, dass man die ganze Nacht in der Stadt verbringen kann! Das macht Johannson auch bei seinem Ausflug in Torun. Doch plötzlich fällt ihm der Abschied von dieser Stadt schwer.
Da die Sonne sich nach langen Wirren scheinbar endlich zum Bleiben entschlossen hatte, und ich dem Ende des Praktikums entgegen sehe, habe ich das Wochenende zu einem weiteren Ausflug in Torun genutzt. Dort sollten Sonntag insbesondere zwei Stadtviertelfeste gehalten werden. Wieviel Symbolik, fast genau vier Jahre seit meiner Ankunft dort, es ist sogar wieder Fußball WM, wie kann ich da nicht wieder ein Spiel in einem Lokal am Fluss gucken wollen?
Freitag
Da Ewa am Freitag auch auf Schulung in Warschau war, fuhren wir gemeinsam zurück nach Torun. Dort wollte ich trotz später Stunde die Stadt dafür zu nutzen, wofür sie da ist: Sommernächte auf dem Pflaster der Altstadt. Nach langen Monaten war es richtig warm, fast zu warm und erst jetzt abends erträglich. In Sandalen lief ich an der überschwemmten Weichsel lang, das Wasser hoch wie nie, man konnte richtig in den Fluss steigen, während aus dem Schlossrestaurant Musik über das Wasser wehte. Der weitere Abend enthielt trotz besserer Vorsätze einen immens nostalgischen Besuch im Desperado, das klar stirbt, aber wie ein alter Scherz sagt: was für ein schöner Tod.
Samstag
Zwar weckte ich bei der Rückkehr nach Hause Ewa auf, doch war die Entscheidung eine glückliche, meine Manieren als Gast hinten anzustellen und die laue Nacht zu nutzen. Denn Samstag brachte das unmöglich Geglaubte, nach der unerträglichen Hitze der Woche wurde es auf einmal kühl und wolkig. Nichts mit dem Straßencafé auf dem Markt. Ich ging eher in eine der Ausstellungen im Rathaus und dann mit meiner Marta ins Büro etwas arbeiten. Höhepunkt des Tages war die Ankunft des ersten von vier neuen Europäischen Freiwilligen, eines Franzosen, den wir vom Busbahnhof abholten und in seine Hippiewohnkommune brachten.
Der spätere Abend brachte ein Fest mit Rentnern und Kindern mit Regen und Erdbeeren, deren Veranstalter wenig überraschend Freunde von Ewa waren, die uns nach Hause einluden und mich mit zwei Stunden nicht enden wollendem, gleichzeitig und parallel vorgetragenem Optimismus, Philantrophie und Frömmigkeit an den Rand des Wahnsinns trieben.
Sonntag
Sonntag kam noch Felix aus Lodz angefahren und wir warfen uns beide enthusiastisch in die übertrieben angekündigte Arbeit auf den Viertelfesten. Zuerst das schleppend anlaufende kleine Fest einer Wohngemeinschaft, ein Musterbeispiel für Bürgerengagement in Polen. Eine Familie übernimmt die Initiative mit Kuchen und Musik, während die meisten Nachbarn misstrauisch durch ihre Gardinen blicken wie Grundschüler, die nicht wissen ob sie sich melden sollen oder ihnen das zu peinlich ist vor den anderen. Verständlich vielleicht wegen meines Aussehens, da ich mit Hinblick auf das Wetter eine Picknickdecke trug bis mir jemand einen Pullover lieh.
Das Hauptfest der gesamten Bromberger Vorstadt fand im großen Stadtpark statt. Dort besetzten und dekorierten wir den Infopunkt, während wir uns über die fragwürdige Platzierung, Organisation und Erfolgschancen austauschten. Jedoch gewann wie immer der überbordende Enthusiasmus meiner Marta, die diesen Tag seit einem halben Jahr neben ihrem Studium organisiert hatte und jetzt mit einem unschlagbaren Lächeln verunsicherten Passanten Programme und Einladungen in die Hand drückte. Tatsächlich wurde es zunehmend voll, an diversen Punkten des Parks fanden Aktionen für Jung und Alt statt, geleitet von verschiedensten anderen Organisationen und Freiwilligen. Felix und ich nahmen an verschiedenen Führungen von Lokalhistorikern statt, die uns voll Lob und Preis durch die tollen deutschen Häuser um die Mieckiewicza Straße führten, die einfach alles aushalten und immer noch stehen. Vor allem fuhr die Traditionsstraßenbahn gratis durch das Viertel, ein 20er Jahre Wagen mit Holztischen und Außenplattform.
Eine von mehreren abschließenden Feststellungen: in Torun leben die schönsten Mädchen im Land. Zweitens: bei Motyka arbeiten die besten Leute in Torun.
Felix fuhr abends wieder zurück, was auch ich machen wollte. Abends gab aber das Teatr Wiczy eine gratis Vorstellung. So entschloss ich mich, doch noch zu übernachten. Nach so vielen unnötigen endgültigen Abschieden wird mir diesmal erst nach und nach klar, dass ich Torun vielleicht für lange Zeit nicht sehen werde. Wie als Omen treffe ich noch Leute, die ich seit vier Jahren nicht mehr gesehen habe. Aber ich beschließe, mich dieses eine Mal nicht verrückt zu machen und von nächtlichen Erinnerungstouren durch die leere Stadt abzusehen. Am nächsten Tag eine Arbeit zu haben hilft dabei ungemein. Morgens musste ich dafür halb fünf aufstehen, denn um 10 Uhr holte ich in Warschau den nächsten Freiwilligen ab, einen Georgier der in Kiew studiert. Ich stellte sicher, dass er in den Zug nach Torun steigt.
Arbeit
Ich war auf zwei Sitzungstreffen mit den Justizfachleuten des Legislationsbüros, einer davon Absolvent des Bundestagspraktikums. Leider scheinen die zu denken, es ginge mir nur um ein Treffen und ich würde alles verstehen. Aber einige Male muss ich mich wohl noch anschließen.
Die Protestaktion vor dem Sejm ist merklich leiser geworden. Scheinbar hat die Unterschriftenaktion was gebracht. Praktisch, so stört nichts die Fußballübertragungen, die täglich im Büro laufen.