Der estnische Klang
Im Juli war es in Estland sehr musikalisch und ich habe wieder eine Menge vom Land gesehen.
In Estland gibt es eine Magie, die die Kultur, die Sprache und die Traditionen der Esten über die Jahrhunderte zusammenhielt. Als Estland unter der Herrschaft anderer Länder stand, war diese Magie das so ziemlich Einzige was niemand wegnehmen konnte. Um welche Magie es sich handelt? Es ist die Magie des Singens, die die Esten zusammenhalten lässt und ihnen die Kraft gegeben hat nie aufzugeben. Seit 1869 wird in Estland das traditionelle Sängerfest zelebriert und dieses Jahr war es ganz besonders, denn es wurde das 150. Jubiläum des Sängerfestivals gefeiert. Unter dem Motto „Mein Vaterland ist meine Liebe“ haben insgesamt 1020 Chöre mit 35000 Sängern die estnische Magie zum Strahlen gebracht. Es waren Chöre aus ganz Estland aber auch internationale estnische Chöre vertreten. Von Kinderchören über Frauen- und Männerchöre bis hin zu gemischten Chören war alles vertreten. Ein Sängerfest in diesem Umfang wird nur aller fünf Jahre gefeiert und ich war im richtigen Jahr hier. Bevor das Sängerfest so richtig los ging, gab es vorher eine endlose Parade der ganzen Chöre mitten durch die Stadt bis zum sogenannten „Lauluväljak“ (Sängerplatz), welcher eine riesige Bühne für die Sänger ist. Das Eröffnungskonzert, für welches ich eine Karte hatte, ging insgesamt zirka drei Stunden. Den nächsten Tag gab es noch einmal ein Konzert mit anderen Liedern, für welches ich aber keine Karte hatte, dieses ging noch einmal mehrere Stunden länger. An diesen Tagen gab es aber nicht nur das berühmte estnische Sängerfestival, sondern auch das Tanzfestival. Bei diesem Tanzfestival haben viele verschiedene traditionelle Tanzgruppen aus ganz Estland und internationale Tanzgruppen teilgenommen. Jede Altersgruppe war wieder einmal vertreten. Insgesamt waren es 713 Tanzgruppen (davon 15 internationale estnische Gruppen) mit insgesamt 11500 Tänzern. Auch hier war absolut alles perfekt organisiert und ausgeführt! Jeder Tänzer wusste wie der Ablauf ist und alles hat ohne Chaos funktioniert. Die Sänger- und Tänzergruppen konnten aber nicht einfach so mitsingen/ -tanzen! Alle Gruppen, die teilgenommen haben, mussten sich für die Teilnahme bewerben und vor einem Komitee ihr Können zeigen, erst dann wurde entschieden, ob sie an der großen Aufführung teilnehmen dürfen. An diesem Wochenende hatte man das Gefühl, dass ganz Estland in Tallinn ist und die Esten ‚munter‘ werden. Wirklich! Die Stadt war im Verhältnis zu anderen Tagen richtig voll und die Esten sind in ihrem Element aufgeblüht. Das Sängerfestival als auch das Tänzerfestival war absolut wunderschön und unglaublich.
Gleich nachdem das Festival zu Ende war, hieß es für mich ‚Rucksack packen und ab ins Ferienlager mit dem Peeteli‘. Dieses Ferienlager war, wie alle anderen auch, wieder auf der schönen Insel Saaremaa. Leider war das Wetter nicht wirklich auf unserer Seite und es hat jeden Tag ein wenig geregnet und es war für Sommerverhältnisse ziemlich kühl. An diesem Camp haben 13 Kinder im Alter von 9 bis 12 Jahre teilgenommen. Eigentlich waren es zum Teil genau die Kinder, mit denen ich das Jahr über am Meisten gemacht habe. Dies war ziemlich schön, denn so konnte ich noch einmal viel mit ihnen zusammen unternehmen. Wie das Camp abgelaufen ist? Also erst einmal hieß es ausschlafen, denn es sind ja schließlich Ferien! Gegen Mittag sind wir dann meistens mit viel Proviant gestartet und haben Ausflüge in die Natur gemacht. Zum einen waren wir zum Beispiel in einer Sumpflandschaft spazieren (in diesen Sumpflandschaften gibt es hier ‚ausgebaute‘ Wege), einen anderen Tag haben wir einen Ausflug in das Burgmuseum vom Hauptort Saaremaa’s Kuresaare gemacht und waren auf einem kleinen Bauernhof. Auf dem Bauernhof hatten die Kinder die Möglichkeit ein paar Tiere anzufassen (Hasen, Esel und Ponnys) oder zu füttern. Am besten fanden es die Kinder kleine Hasenbabys auf den Arm zu nehmen und hätten die Häschen am liebsten in die Tasche gepackt und mitgenommen. Auch wenn das Wetter nicht so warm war, wollten die Kinder nicht auf das Baden verzichten. Also haben wir zwischendurch immer wieder einen Halt an einem See oder am Meer gemacht und die Kinder konnten baden gehen.
Wie das Schicksal es auch will ist das Wetter nach dem Ferienlager natürlich richtig schön geworden. Es waren wohl die wärmsten zwei Wochen, die es in Estland während des Sommers gibt und ich hatte frei . Was ich während dieser Zeit gemacht habe? Eigentlich ganz einfach gesagt: meine Sportkurskarte abgearbeitet und am Strand gefaulenzt. Außerdem war ich zusammen mit ein paar anderen Freiwilligen an einem Tag auf einer Insel vor Tallinn namens Prangli. Mit einer kleinen Fähre fährt man zirka 45 Minuten zu dieser ~ 7 km² großen Insel. Auf Prangli selbst haben wir eine kleine Wanderung gemacht mit Picknick und sind Baden gegangen. Ein paar Tage später bin ich zusammen mit einer meiner Mitbewohnerinnen in den estnischen Kurort Haapsalu und mit einer Freiwilligenfreundin Richtung Osten nach Narva gefahren. Diese beiden Orte sind wirklich das komplette Gegenteil. Die einzigen Gemeinsamkeiten, die mir aufgefallen sind, sind das beide Städte eine alte Burg besitzen und man innerhalb von zwei bis drei Stunden alles gesehen hat. Haapsalu liegt direkt an der Westküste und die Häuser mit vielen Verzierungen schmücken die Stadt. Die Stadt Narva ist die östlichste Stadt Estlands und wird durch eine Brücke über den Fluss Narva mit Russland verbunden. Links der Brücke befindet sich die estnische Festung Hermannsfeste und rechts der Brücke die russische Festung Iwangorod. In Narva lebt der größte Anteil der russischsprachigen Minderheit Estlands und es wird zu 96 Prozent russisch gesprochen.
Nachdem ich also nun auch diese beiden Städte besichtigt hatte, ging es weiter in die Mitte des Landes nach Viljandi und es hieß ein wenig in die estnische Kultur eintauchen. Hier in Viljandi fand an mehreren Tagen ein Volksmusikfestival statt. Wenn ihr jetzt denkt, dass nur einfache Volkslieder gesungen wurden, dann täuscht ihr euch! Auf dem ganzen Festivalgelände gab es mehrere Bühnen auf denen verschiedene estnische und internationale Künstler/ Bands ihre Musik mit dem Publikum geteilt haben und mit traditionellen beziehungsweise modernen Instrumenten und Gesang ihre Traditionen zum Ausdruck gebracht haben.
Von Viljandi aus ging es dann für zwei andere Freiwillige und mich in die Sommerhauptstadt Estlands. Diese Sommerhauptstadt trägt den Namen Pärnu und liegt im Westen Estlands. Der Tallinner Bürgermeister übergibt symbolisch zum Sommersaisonbeginn alle Hauptstadtrechte dem Bürgermeister von Pärnu. Nicht nur die Esten selbst lassen sich hier in den zahlreichen Spa‘s verwöhnen, sondern auch eine Menge Touristen aus anderen Ländern kommen in diese feine Stadt um den Sommer zu genießen und am großen Strand ein Sonnenbad zu nehmen. Wir haben allerdings kein Sonnenbad genommen, da sich das Wetter ein wenig abgekühlt hatte und der Wind wieder zum Vorschein gekommen war.
BILDER:https://www.dropbox.com/sh/7ttb2dgcl2wg6zl/AACsAmwkPX3WQ9f60AOnlnoNa?dl=0