Der 3. Akt über die Zeit
Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.
Zwischen Griechisch Stunden, Bulgarienreisen, putzen, essen, arbeiten, schlafen, Frappe und Feta wachte ich eines Morgens auf und musste feststellen. Ein Monat ist es noch. Ein Monat dann werde ich das letzte Mal meine Kindergartenkinder in die Arme schließen und mich auf den Weg zurück nach Deutschland machen. Wo ist die Zeit nur hin? Ich komme nicht umhin mich zu fragen was Zeit eigentlich bedeutet. Für mich. Für andere. Für Deutsche. Für Griechen.
Ein Thema bei dem ich vermute alle Freiwilligen die sich gegen Süden aufgemacht haben schmunzeln und mit dem Kopf nicken. Dem sagen wir mal anders artigem Zeitverständnis der Südländer. Meine allererste Erfahrung mit der griechischen Pünktlichkeit machte ich gleich am Anfang als ich 5 Stunden warten musste bevor ich vom Bahnhof abgeholt wurde. Am Telefon hieß es eigentlich „Jaja. In einer halben Stunde bin ich da.“ Da dachte ich noch das war einfach ein blöder Zufall. War es nicht. Heißt es wir fahren um 10 los kann das schon mal auch um 12 werden. Wenn der Bus am Plan für 14 Uhr steht fährt er aller frühestens eine Viertelstunde später. Aber auch mal 10 Minuten eher. Würde man meine Freunde fragen, hätten sie mit Sicherheit viel über mich zu sagen doch eines bin ich definitiv nicht- pünktlich. Ebenso gut weiß dass wohl jeder Lehrer der mich mal in den ersten Stunden unterrichtet hat. Da kommt es mir beinahe lächerlich vor wie ich mich über das griechische Zeitverständnis manchmal aufrege. Womit ich allerdings hier selbst nach fast einem halben Jahr immer noch schwer umgehen kann ist die Selbstverständlichkeit. Sitze ich eine Stunde auf der Straße und warte das mich jemand abholt schickt mir keiner eine Sms das es später wird. Es ist dann eben einfach so. Irgendwie schockiert mich das, denn schon allein wenn ich darüber schreibe fühle ich mich so furchtbar wie ein Klischee-Gartenzwerg-Deutscher. Doch ich weiß einfach nicht wie ich damit umgehen soll. Es klingt lächerlich doch ich könnte nie einfach eine Stunde später aufstehen, denn vielleicht fahren wir ja diesmal nur eine Stunde später los. Verrückte Welt. Ich bewundere wie die Griechen das untereinander hinbekommen. Aber so wunderte ich mich auch nicht, dass hier im Gottesdienst jeder kommen und gehen kann wie er will. Mit Anfangs- und Endzeit wie ich es von einem evangelischen Gottesdienst gewohnt war, würde es wohl wahrscheinlich einfach nicht funktionieren.
So sehr ich mich ganz und gar nicht in diesem Punkt mit der Langsamkeit anfreunden kann, so sehr habe ich sie auch in anderen Dingen zu schätzen gelernt. Liebe ich es doch wie ausgedehnt die Griechen essen oder wie sie es fertig bringen stundenlang an einem Frappe zu schlürfen. Als meine Eltern mich besuchten merkte ich wie ich es mittlerweile genieße mir richtig viel Zeit zum essen zu nehmen und wie schwer das für meine Familie war- „Das wird doch nur kalt.“ „Ich habe eben Hunger.“ Für einen Griechen ist es eben nicht nur eben zack zack einen Kaffee hinter die Binde kippen oder mampf mampf das Essen in den Rachen schieben sondern purer Genuss, Freunde treffen und irgendwie eine ganz andere Wertschätzung des Essens. Ich habe das Gefühl bekommen es ist mit der größte Bestandteil dieser Kultur alles „Siga siga.“ (Langsam Langsam) zu machen. Außer beim Autofahren. Aber das ist ein anderes Thema.
Nach 6 Monaten Langsamkeit habe ich ein wenig Angst ins hektische Deutschland zurückzukehren, kam mir die Zeit doch manchmal wirklich erholsam vor hier. Wie eine Flucht von der hektischen Realität. Komisch wie die Zeit in dieser Langsamkeit doch so schnell vergehen konnte.
Ich finde jeder sollte mal ausprobieren ein wenig sein Tempo zurückzunehmen und wenigstens manchmal ein bisschen mehr griechisch zu sein. Denn:
„Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.“ Lucius Annaeus Seneca (Römischer Philosoph, Dramatiker und Staatsmann)