Das Book of Kells - Ein Muss für jeden Irlandbesucher
Das Book of Kells entstand 800 n. Chr. In ihm sind die vier Evangelien aufgezeichnet.
Doch was das Buch so einzigartig macht, ist seine hervorragende präzise Ausgestaltung, die den Besucher in eine andere faszinierende Welt der Details und verschlungenen Linien eintauchen lässt.
Ich kann jedem nur einen Besuch des „Book of Kells“ empfehlen. Zu finden ist es im altehrwürdigen Trinity College, mitten im Herzen der pulsierenden und schönen Stadt Dublin. Schon wenn man das Tor zur Universität durchschreitet, wird man von dem ureigensten Charme dieses Gebäudekomplexes gefangen genommen. Das Trinity College wurde 1592 von der britischen Königin Elisabeth I. gegründet, um das irische Volk oder besser gesagt lediglich dessen Protestanten, zu zivilisieren, wie es so schön heißt. Heutzutage besticht das College mit seiner Architektur und bildet irgendwie einen angenehmen erholsamen Ruhepol in der Hauptstadt.
Durch geschickte Beschilderung wird der Besucher behutsam zum Herzstück und ältesten Gebäude dieses Universitätskomplexes, der Alten Bibliothek, gelotst. Sommertouristen brauchen diese Hinweiswegweiser vermutlich nicht, da die lange Warteschlange nicht zu übersehen ist, denn alle wollen es sehen – das Book of Kells. Doch was macht dieses Buch so einmalig?
Die Beschreibung ist eigentlich ganz einfach: Man muss es nur selber einmal gesehen haben: All diese filigransten Linien und Muster, diese Farbenpracht, diese unglaubliche Detailfülle, die dem wachsamen verzauberten Auge auch nach 15 Minuten immer noch neue Überraschungen schenkt. Egal ob furchterregende Bestien, Engel mit großen Augen, himmlische Blüten und Früchte oder einfache Menschen, sie alle verstecken sich in dem auf dem ersten Blick undurchsichtigen Liniengewirr und bestechen geradezu durch ihre sorgfältige Ausführung. Keine zwei Anfangsbuchstaben sind exakt gleich verziert. Der ganze Ideenreichtum der Erschaffer scheint in dieses Werk, in das Book of Kells, in das Neue Testament eingeflossen zu sein. Denn das ist das Book of Kells – das Neue Testament oder besser ein Teil davon. Alle vier Evangelien sind in ihm aufgeschrieben. Ehemals ein Gesamtwerk sind sie heutzutage in vier Büchern gebunden. Zwei davon werden jeweils ausgestellt – eines auf einer Text-, das Andere auf einer hervorragend illustrierten Seite aufgeschlagen, bereit dem Betrachter die ganze Schönheit, den ganzen Zauber zu offenbaren.
800 n. Chr. wurde das Werk in lateinischer Schrift geschrieben. Vermutlich wurde es von den Mönchen von Iona, einer Insel an der Westküste Schottlands, erschaffen. Unklar ist, ob sie das Buch bereits in ihrer Heimat oder erst in Irland, also nach ihrer Flucht vor den Wikingern, die 69 Mönche ihrer Gemeinschaft auf einem Raubzug in Iona getötet haben, vollendeten. Forschungen haben ergeben, dass drei verschiedene Personen, der „Goldschmied“, der „Illustrator“ und der „Porträtmaler“ diesem Wunderwerk mit ihren Malereien Leben eingehaucht haben und das eindrucksvoll veranschaulichen, was vier andere Menschen zuvor sorgfältigst aufgeschrieben haben. Ca. 185 Kälberhäute wurden in dem Book of Kells verarbeitet! Kalk, Grünspan, Blei, Lapislazuli, Waid und andere Stoffe ermöglichten den Farbenreichtum. Ein unvorstellbarer Aufwand für ein einmaliges Werk. Wer auch immer die Gelegenheit bekommt, sich das Book of Kells möglichst nicht im touristischen, schonungslos die Ellenbogen benutzenden Massenansturm oder abgeschreckt von den Eintrittspreisen ansehen zu können, sollte es tun und sich einfach fallen lassen und eintauchen in diese Welt der perfekten Buchkunst.
Wer es dann doch endlich schafft sich loszureißen, wird gleich im Anschluss an das Book of Kells die Alte Bibliothek betreten. Ich habe Bibliotheken schon immer gemocht, aber in diese habe ich mich geradezu verliebt. Ca. 200.000 der ältesten Bücher der Universität schauen hier stolz auf die Besucher herab, ausgestellt im „Long Room“, der mit 60 m der längste Raum in ganz Irland ist. Bücher so weit das Auge reicht und das Beste ist, dass passend zur gerade aktuellen Ausstellung über (klassische) Musik in Irland, die passende Untermalung im Hintergrund gespielt. Es ist so unglaublich schön mitten im tiefsten Irland in der Adventszeit das Weihnachtslied „Gloria in exelsis deo“ auf deutsch zu hören. DAS ist Weihnachten! Unter der Beobachtung von Shakespeare, Homer, Sophokles, Cicero und wen die ganzen Büsten hier noch darstellen, setzte ich mich auf eine Bank und ließ mich so lange von der Atmosphäre gefangen nehmen bis mir endgültig kalt war. Ich ging zur Treppe und brauchte als überzeugte Nichtalkoholtrinkerin fast erst einmal einen Schnaps, um den unvorhergesehenen Kulturschock zu verdauen. Mitten aus den schönsten Händelmelodien, umgeben von altehrwürdigem Wissen herausgerissen stehe ich plötzlich, wo sonst, im Museumsshop, wo nette Radiomusik den Besucher unterhält. Muss das wirklich sein? Naja, wenigstens bin ich so sehr schnell wieder in der Realität gelandet, fern von den Geheimnissen, die alte Bücher in sich bergen und beschützen bis sie bereit sind, sich zu offenbaren und ihren alten Glanz neu zu entfalten. Wenn wir Glück haben, dürfen wir daran teilhaben, dann dürfen wir uns an ihrer Schönheit erfreuen. Danke Book of Kells!
Das Book of Kells zum Anschauen gibt es unter: http://digitalcollections.tcd.ie/home/index.php?DRIS_ID=MS58_003v