Das 3-Monatstief und die wiederkehrende Zufriedenheit
Die Zeit ist eben doch das, was man aus ihr macht.
August 2017. Ich sitze in meinen Seminaren und höre mir Geschichten darüber an, wie eine Menge Leute ein Tief erlitten nach drei Monaten ihres Auslandsaufenthaltes. ,,Pff. Das wird mir definitiv nicht passieren, dafür werde ich viel zu viel Spaß haben."
Dezember 2017. Unzufrieden sitze ich in meinem Apartment unter der Woche und frage mich, wie es soweit kommen konnte. Und warum.
Ich reflektiere meinen Aufenthalt. Ich stelle fest: Es ist das wohlbekannte 3-Monatstief, von dem ich dachte, dass es mir nie etwas anhaben könnte.
Dabei ist es nicht so, als würde ich nichts unternehmen. Ich gehe aus, ich reise, ich entspanne mich (gelegentlich). Aber dennoch hat mich der Alltag eingeholt und die Unzufriedenheit überholt mich. Die tägliche Arbeit im Krankenhaus und der drei Mal die Woche stattfindende Sprachkurs hängen mir zum Hals raus, und ich fühle mich, als hätte ich keine Zeit für mich oder (bzw und ;)) schöne Dinge. Selbst einige Events oder Highlights wie mein kurzer Besuch einer Freundin in Gan Yavne oder unsere Weihnachtsfeier in unserem Apartment verschaffen mir nur kurzfristig Glücksgefühle. Ich muss was ändern. Und dieses etwas bin ich.
Tasche gepackt, ich fahre nach Be'er Sheva übers Wochenende. Couchsurfing, alleine. Mit einem guten Buch in der Tasche mache ich mich auf die Reise und bemerke sofort, wie mich Ruhe überkommt. Worte können so eine heilende Wirkung haben. Als ich in Be'er Sheva ankomme, werde ich kurz nervös. Was ist, wenn mein Couchsurfing-Host und ich nicht auskommen? Ich denke darüber nach und stelle fest...nichts. Dann werde ich andere Wege finden, mich zu vergügnen und ihn danach nie wiedersehen. Go with the flow, wie der typische Israeli sagen würde. Letzten Endes sind die Sorgen auch völlig unberechtigt, denn auch wenn Be'er Sheva eine schnarchend langweilige Stadt mit hässlicher Archtiketur und so gut wie nichts zu sehen ist, schaffen mein Host und ich es dennoch, eine gute Zeit zu haben. Museum, Markt, Memorial außerhalb der Stadt mit arabischem Kaffee. Danach wird in seinem Apartment gekocht und mit seinen Freunden mehr oder weniger Shabbat zelebriert. Vor allem beim Essen mit den Freunden stelle ich fest: Der Sprachkurs macht sich doch bezahlt. Auch wenn ich nicht alles verstehe, wird mir zumindest der Kontext klar, und sogar den einen oder anderen Witz kann ich verstehen.
Nachdem ich am nächsten Morgen aufbreche, wandere ich durch die Sonnen beschienenen Straßen Be'er Shevas und nehme mir vor, meine Zeit noch intensiver zu nutzen. Zur Not auch allein. Denn die Zeit ist das, was man aus ihr macht. Ich gehe alleine ins Cafe, setze mich in einen Park (der so ziemlich einzige Fleck Natur in dieser Stadt), lese mein Buch und fühle mich einfach nur im Reinen mit mir. Im Bus auf dem Weg zurück mache ich Pläne für die anstehende Zeit: Einen Teil des Israel National Trails wandern, ein Festival besuchen, einfach machen, nicht denken (das mit dem Nicht-Denken hat an Silvester auf jeden Fall geklappt).