Chişinău - Stadt der Gegensätze
Nach einer Woche hier in Chişinău, im Herzen der Republik Moldau, möchte ich meine ersten Eindrücke und Erfahrungen mit euch teilen. Ich sehe diese Beiträge nicht nur als Erinnerungsschatz für die Zeit nach den 10 Monaten meines Freiwilligendienstes, sondern auch als Momentaufnahme meines eigenen Bildes der Menschen, der Kultur und insgesamt dieses doch sehr unbekannten Landes Moldawien. Diese Momentaufnahmen werden und sollen sich auch während dieser Zeit ändern. Denn aus einem Tourist, als der ich mich noch fühle, wird hoffentlich bald ein echter Bewohner Chişinăus.
Ankunft Chişinău-Airport: Die Frage, ob man sich wirklich in der Hauptstadt eines, wenn auch mit ca. 3,5 Millionen Einwohnern kleinen, europäischen Landes befindet, stellt sich unmittelbar. Nach holpriger Fahrt über die einzige Start- und Landebahn des Landes reiht man sich erst einmal in die Schlange der Passkontrolle ein. Im Gegensatz zu Rezessionen für die Fluggesellschaft Air Moldova, habe ich keine Probleme mit meinem Gepäck – zum Glück.
Vor Ort werde ich von meiner sehr netten Mentorin abgeholt, die sich durch den Kontakt zu mir auch eine Besserung ihrer Deutsch-Fähigkeiten erhofft.
Schon während der ersten Fahrt durch die Stadt fällt eine Sache besonders ins Auge: Das direkte Nebeneinander von wahren Bausünden (wer sich in Würzburg über bestimmte kleine Fehlschläge der Architektur aufregt, sollte einmal hierher kommen) und purer, scheinbar unangetasteter Natur. So sieht man die Plattenbauten nur durch die zahlreichen Parks und wild umher wachsenden Bäume grau hindurch schimmern. Wer dadurch jetzt aber auf den Gedanken kommt, Chişinău sei eine Schönheit, ist weit gefehlt.
Allerdings zeigen sich Kontraste nicht nur im Stadtbild der mit ungefähr 750.000 Einwohnern größten Stadt des Landes. Schon allein der tägliche Gang in den Supermarkt kann hier zu wahrem Erstaunen führen. So sind die Preise für Produkte aus der Republik Moldau um Welten niedriger als die für importierte Ware. Obst und Gemüse können hier bei zahlreiche Straßenhändler/-innen unvorstellbar günstig erworben werden. Wenn man hier Verkäufer/-innen darauf warten sieht, dass ein Kunde ihnen ein Kilogramm Karotten für umgerechnet 21 Cent abkauft, stellt sich schnell die Frage wie die Menschen in diesem Land ihr Überleben sichern.
Nur durch die finanzielle Unterstützungen der Bürger hier durch Verwandte, Angehörige und Freunde können sie ihr überleben sichern. Doch selbst in Chişinău gibt es, um dem Titel gerecht zu werden, diese, die sich den Monatsbeitrag von umgerechnet 100 € für ein Fitnessstudio leisten können – dieses ist stets gut besucht. Positive Begleiterscheinung für mich, der ich diese ersten Tage mehr als Tourist den als Freiwilligendienstleistender erlebt habe, ist die Möglichkeit, ohne zu überlegen mein Geld in den Besuch eines Europa-League Qualifikationsspiel für umgerechnet 2,70 € zu investieren.
Doch genug von dieser touristischen Oberflächlichkeit.
Nach ersten Versuchen in der russischen Sprache war am Mittwoch, den 20. August mein erster Arbeitstag. Die Arbeit wird, anders als mir vorher mitgeteilt, sich vor allem auf die Betreuung geistig behinderter Erwachsener konzentrieren. Die Einrichtung ist eine von Eltern ins Leben gerufene Anlaufstelle und von ihnen finanziert. Unterstützung vom Staat gibt es nur sehr bedingt. Nicht ohne Grund lautet der Name „Planeta Caritatii“ – Planet der Nächstenliebe: Aufopferungsvoll haben hier vor allem Angehörige über Jahre hinweg einen Platz geschaffen, an dem gemeinsam gearbeitet, gelernt und gespielt werden kann. Doch Nächstenliebe ist zwar international, spricht aber nicht jede Sprache. Noch wird meine Arbeit stark durch die Sprachbarriere eingeschränkt. Wenn diese allerdings erst einmal überwunden ist, hoffe und glaube ich, dass mein Projekt dort ein Gutes werden kann. Denn leider wird der Europäische Freiwilligendienst vor allem in Ländern im Osten Europas nicht wegen der aktiven Unterstützung der Freiwilligen selbst gefördert. Wie ich nun von vielen anderen zum Teil langjährigen Freiwilligen erfahren habe, stehen die EU und die Länder in einer Art Wechselverhältnis, das beispielsweise in der Republik Moldau in der jetzigen politischen Situation für beide Seiten interessant ist: Die EU setzt für jeden Freiwilligen Gelder frei, die natürlich direkt in die Kassen der Organisationen gespült werden – auf den ersten Blick keine schlechte Sache. Dieser Geldbetrag allerdings ist hier im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eine hohe Summe. Die Arbeit des Freiwilligen tritt so in den Hintergrund und zum Teil werden diese allein des Geldbetrages wegen angenommen. Gleichzeitig kann die EU in möglichen Beitrittsstaaten ihre Stellung sichern. Das Interesse an der Chance, die die Arbeit eines Freiwilligen bietet, spielt dann nur eine untergeordnete Rolle.
Trotz dieses Faktes, der nur für einen Teil der Projekte hier gilt, mir trotzdem aber interessant erschien, freue ich mich auf ein spannendes Projekt und die Arbeit zusammen mit den netten und herzlichen Menschen vor Ort, egal ob beim Sport, Musizieren, Lernen oder bei handwerklicher Arbeit.
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