Brücke der Versöhnung
„Während der iranische Präsident lautstark die „Auslöschung Israels“ fordert, leisten im Dorf der Hoffnung deutsche Volontäre ihren Beitrag zur Völkerverständigung.“ Esko berichtet von seinem Alltag in Israel.
Mein Projekt
Ich bin seit nunmehr fünf Monaten in Israel. Das Projekt heißt Kfar Tikva (Dorf der Hoffnung), liegt zwischen Haifa und Nazareth. Ein beschauliches Fleckchen, der Konflikt tritt in den Hintergrund.
Meine Organisation ist der "Deutsche Verein vom Heiligen Lande", der in Köln sitzt und die (meiner Meinung nach) besten Konditionen bietet. Dass ich nach dem Abi ins Ausland gehe, stand schon recht früh fest. Israel kam mir dann plötzlich in den Sinn. Ich hab mich schnell in die Thematik eingelesen und Israel als "Melting-Pot" und insbesondere mit seiner Sonderstellung im Nahen Osten hat sich schnell als Traumziel etabliert...
Auf den Tag genau in acht Monaten geht´s wieder Richtung Rheinland. Dem Abschied von hier und dem Wiedersehen zu Hause blicke ich mit ambivalenten Gefühlen entgegen... Eigentlich verdränge ich die Gedanken daran aber auch!
Brücke der Versöhnung
Während der iranische Präsident lautstark die „Auslöschung Israels“ fordert, leisten im Dorf der Hoffnung deutsche Volontäre ihren Beitrag zur Völkerverständigung.
Das Lagerfeuer knistert behaglich. Ich tippe meinen Kumpel Jerry an, zeige in den glasklaren Himmel. Eine Sternschnuppe zieht vorüber. Zeit für das obligatorische „Wünsch dir was“. Doch nach wenigen Sekunden stutzen wir. Verschwinden Sternschnuppen nicht gewöhnlich? Diese jedoch bahnt sich ihren Weg gen Norden. Dort liegt die libanesische Grenze.
Am nächsten Morgen verbreitet CNN die Meldung, Israel habe die schwersten Luftangriffe seit fünf Jahren gegen den Libanon geflogen. So ist der Konflikt allgegenwärtig und rückt doch angesichts der täglichen Routine in den Hintergrund.
Konflikt in weiter Ferne
Schließlich gilt es ganz andere Probleme zu lösen. Nachdem ich mit Mühe und Not den Morgenmuffel Ido aus dem Bett bugsiert habe, geht es gleich weiter. Laut Arbeitsplan muss ich mich im Zuge einer Gruppenbetreuung um 15 Chaverim (Freunde) kümmern. Mit einer Tasse dampfenden Kaffees in der einen und dem iPod in der anderen Hand marschiere ich los. Das Klingeln meines Handys reißt mich aus meinen Gedanken. Es ist Günter, mein Chef. Der Sozialpädagoge mit deutschen Wurzeln ist zugleich Ansprechpartner und Antreiber für allzu faule Volontäre. Ein morgendlicher Anruf garantiert eine Planänderung. So auch heute. Zwicker, der Behinderte mit dem ich am engsten zusammenarbeite, soll zur Kur gebracht werden. Nach einer einstündigen Fahrt durchs schöne Galiläa erreichen wir unser Ziel. Spätestens nach Passieren der elektronischen Schleuse wird mir klar, dass dieser Ort nicht meiner Definition von „Kur“ entspricht. Wir sind in einer klassischen psychiatrischen Anstalt gelandet. Meterhohe Mauern, blassrosa gestrichene Wände erzeugen eine beklemmende Atmosphäre. Die Patienten schluffen mit stumpfem Blick durch die Gänge. In ihren Schuhen gibt es keine Schnürsenkel. Suizidgefahr! Slawa, Zwickers Sozialarbeiter raunt mir zu: „Diese Anstalt erinnert mich an ´Einer flog übers Kuckucksnest´“ Mir graust es beim Gedanken, dass Zwicker an diesem abscheulichen Ort bleiben muss. Die Rückfahrt verläuft sehr still.
Erst jetzt wird mir bewusst, welch ein Paradies „Kfar Tikva“ für die Behinderten ist. Meine Laune steigt jedoch als ich die Tür zu meiner WG aufschließe. Es duftet nach Gebäck und Schwarzem Tee. Gerade rechtzeitig komme ich zum English-Club. Hier versammeln sich jeden Montag Richard, Michael, Tommy, Carmen und ich. Allesamt Nativespeaker, die froh sind zumindest einmal pro Woche in ihrer Muttersprache schwätzen zu können. Der Club gehört zu den Highlights der Arbeitswoche, da die Mitglieder allesamt sehr interessante Charaktere sind. Da ist Richard mit dem Cambridge-Examen, der aber auf die Frage „How are you“ stets bloß „I´m depressed“ antwortet. Just an diesem Tag kommt heraus, dass Richard und Michael dieselbe Grundschule besuchten. Die Welt ist klein – Israel ist es erst recht. Mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen verabschiedet sich Tommy, der Rollstuhlfahrer aus den USA. Morgen hat er Geburtstag. Nach einem langen Tag schnappe ich mir ein kaltes Heineken und mache mich daran, Holz für ein Lagerfeuer zu sammeln. Doch zuvor lasse ich noch einige Minuten in der Hängematte die Seele baumeln.
Heute fliegen keine Raketen.