Bordeaux und der Sklavenhandel: Die dunkle Vergangenheit der Handelsstadt
Im 18. Jahrhundert erlebte Bordeaux dank des aufstrebenden Überseehandels einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung. Den neuen Wohlstand verdankte die Stadt vor allem dem Handel mit Kolonialgütern, die auf karibischen Plantagen von Sklavinnen und Sklaven produziert wurden.
Welthandelsstadt Bordeaux
Seit dem 16. Jahrhundert gehört Bordeaux zu den wichtigsten Häfen Europas. Mit der Entdeckung der Neuen Welt und dem Wachsen des globalen Handels stieg Bordeaux im Jahr 1743 zu Frankreichs führendem Kolonialhafen auf, von dem aus die Hälfte des gesamten Handels mit den Kolonien gesteuert wurde. Jährlich legten in Bordeaux etwa 3 000 Schiffe an, die Wein und lokalen Spezialitäten aus dem fruchtbaren Hinterland in die französischen Kolonien beförderten und gegen Zucker, Kaffee und Tabak eintauschten. Durch die wirtschaftlichen Erfolge des Überseehandels erlebte die Stadt im 18. Jahrhundert eine wahre Blütezeit: Der vorteilhafte Handel mit den Kolonien brachte Reichtum und Wohlstand in die Stadt. In dieser Zeit entstanden die pompösen Bauten am Ufer der Garonne - allen voraus der Place de la Bourse, für den die Tourist*innen noch heute in die Stadt kommen. Während die prächtigen Fassaden an der Garonne als Weltkulturerbe unvergessen bleiben, erinnert sich kaum jemand daran, dass neben Lebensmitteln und Luxuswaren auch mit Menschen gehandelt wurde. Tausende Sklavinnen und Sklaven wurden damals von Afrika in die karibischen Kolonien verschifft, um dort auf Plantagen zu arbeiten und den Wohlstand Frankreichs zu sichern.
Bordeaux, ein Sklavenhafen?
Im 17. und 18. Jahrhundert gehörte Bordeaux neben Nantes, La Rochelle und Le Havre zu Frankreichs bedeutendsten Sklavenhäfen. Zwischen 1672 und 1837 legten nach Berechnungen des Historikers Éric Saugera 411 Sklavenschiffe von Bordeaux ab, wobei zwischen 120 000 und 150 000 Afrikaner*innen aus ihrem Heimatland als Sklavinnen und Sklaven in die Kolonien verkauft wurden. Saugeras Schätzungen zufolge waren rund 180 Händler- und Reedereibesitzer aus Bordeaux direkt am Sklavenhandel beteiligt. Einer der berühmtesten Vertreter ist wohl Paul Nairac, der mit rund 14 Sklavenfahrten fast 4200 Sklaven verschiffen ließ. Durch den Sklavenhandel stieg der Geschäftsmann nicht nur gesellschaftlich auf, sondern konnte auch einen gewaltigen Besitz anhäufen, von dem er sich unter anderem ein pompöses Stadthaus mitten im Zentrum Bordeaux' bauen ließ.
Doch während von Nantes fast 50 Prozent aller französischen Sklavenschiffe ablegten, gingen mit zwölf Prozent vergleichsweise wenige Fahrten von Bordeaux aus. Das lag vor allem daran, dass sich Bordeaux dank seines fruchtbaren Hinterlandes und der Weinproduktion fast ausschließlich auf den direkten Handel mit den Kolonialgebieten in der Karibik konzentrierte. Sein Haupthandelspartner war die Insel Saint-Domingue (auf dem Gebiet des heutigen Haiti), die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem der größten Produzenten von Zucker und Kaffee gehörte. Übersiedlerinnen und Übersiedler aus der Aquitaine-Region leiteten die gewaltigen Zuckerrohr- und Kaffeeplantagen, für deren Bewirtschaftung sie afrikanische Sklavinnen und Sklaven auf den Felder arbeiten ließen. Nantes dagegen war auf einen triangulären Handel angewiesen. Häfen, die einen triangulären Handel betrieben, schickten ihre Schiffe zunächst nach Afrika, um dort europäische Waren gegen Sklaven zu tauschen. Im Anschluss steuerten die Schiffe die Kolonien an, um die Sklaven dort für Zucker, Tabak oder Kaffee zu verkaufen. Auch wenn Bordeaux durch den direkten Handel im europäischen Vergleich nur in geringem Maße am Sklavenhandel beteiligt war, verdankt die Stadt ihren beispiellosen Reichtum zweifelsohne dem An- und Verkauf von Produkten, die durch Sklavenarbeit hergestellt wurden.
Das Schicksal der Sklav*innen
Im 18. Jahrhundert kauften europäische Händler den Großteil der Sklaven und Sklavinnen entlang der afrikanischen Atlantikküste bei Sklavenhändlern ein. In den folgenden Monaten stand den versklavten Männer, Frauen und Kindern eine unmenschliche Reise bevor. Die Männer wurden im Ruder des Schiffes in Ketten gehalten, während Frauen und Kinder im Heck des Schiffes jederzeit Opfer von Vergewaltigungen und Demütigungen werden konnten. Die Nahrung war knapp und verdarb oft aufgrund der tropischen Hitze während der langen Reise. Hinzu kamen miserable hygienische Zustände, wodurch sich Seuchen und Krankheiten ausbreiteten. Die ungeheuerlichen Umstände an Bord führten dazu, dass nahezu ein Viertel der versklavten Afrikanerinnen und Afrikaner die Überfahrt nicht überlebten. Zwar verbot ein Gesetz aus dem Jahr 1777 die Haltung von Sklavinnen und Sklaven auf dem französischen Festland. Die Sklavenarbeit in den Kolonien und der Sklavenhandel wurden aber in Frankreich erst im Jahr 1848 endgültig abgeschafft.
Kein Platz für Erinnerung?
Der Sklavenhandel in Bordeaux war lange Zeit ein Tabuthema - hatte die Stadt doch gerade in dieser Zeit mithilfe der Gewinne aus der Sklavenarbeit ihr herrschaftliches Antlitz erhalten. Bis heute muss man in der Innenstadt lange nach öffentlichen Denkmälern suchen, die an die Leiden der Sklavinnen und Sklaven erinnern. Im Viertel Chartrons gibt es eine Gedenktafel in Erinnerung an die Gräueltaten der Sklavenexpeditionen, die sich jedoch geschickt am Rande eines Parkplatzes vor den touristischen Blicken verborgen hält. Seit 2009 ist das Kapitel des Sklavenhandels in Bordeaux endlich auch im Stadt- und Heimatmuseum Musée d’Aquitaine mit einem eignen Ausstellungsbereich Thema geworden. .
Dem Verein Memoire et Partages jedoch reicht das nicht. Mit Ausstellungen und historischen Stadtrundgängen will der Verein nicht nur dafür sorgen, dass das Schicksal der in die Sklaverei verkauften Afrikanerinnen udn Afrikaner nicht in Vergessenheit gerät, sondern auch Gerechtigkeit schaffen. Immerhin tragen bis heute noch 22 Straßen in Bordeaux den Namen ehemaliger Sklavenhändler*innen. Den Namen eines Sklaven trägt keine Einzige.
Quellen:
Saugera, Éric: Bordeaux port négrier. Chronologie, économie, idéologie XVIIe – XIXe siècles. Éditions KARTHALA 2002.
Bordeaux au XVIIIe Siècle. Le Commerce atlantique et l’esclavage. Le Festin/Musée d’Aquitaine 2010.
https://rue89bordeaux.com/2014/05/bordeaux-difficile-memoire-lesclavage/ (Stand: 22.03.2019)
Besuch der Austellung "Bordeaux au XVIIIe siècle, le commerce triangulaire et l'esclavage" im Musée d'Aquitaine. Weitere Informationen zu Austellungsinhalten udn Öffnungszeiten sind auf der Homepage des Museums zu finden: http://www.musee-aquitaine-bordeaux.fr/fr/article/bordeaux-au-xviiie-siecle-le-commerce-triangulaire-et-lesclavage
Weitere Beiträge
- Vier grüne Parks, die das Leben in Bordeaux besser machen
- Was eine Schale Linsen mit Solidarität zu tun hat
- Noch einmal ankommen oder: Bordeaux 2.0
- Zwischen Styroporlebkuchen und Konsumwahnsinn: Zu Besuch in der Weihnachtshauptstadt Straßburg:
- Stille in der Weihnachtshauptstadt: Straßburg nach dem Terror
Komentarze