Außen vor!
Obdachlosen in Ungarn steht ein harter Winter bevor.
Das Weihnachtsgeschäft hat längst begonnen und hier hält auch der Winter so langsam Einzug. Der Schnee hat uns noch verschont, aber Temperaturen um den Gefrierpunkt sind auch tagsüber keine Seltenheit mehr. Nur noch warm verpackt geht man aus dem Haus – zur Arbeit oder um eine Runde über den Weihnachtsmarkt zu schlendern.
Doch es gibt auch eine dunkle Seite in diesen Tagen. Dunkel für alle, die kein warmes Dach über dem Kopf haben. Dunkel für alle, die sich nicht in mehrere warme Kleidungsschichten hüllen können. Dunkel für alle, die in Ungarn unter Obdachlosigkeit leiden.
Ungefähr 30.000 Obdachlose gibt es in Ungarn, allein 10.000 in Budapest. Jedoch stehen nur für maximal die Hälfte der Obdachlosen Schlafplätze zur Verfügung. Doch die Situation in den Unterkünften ist auch nicht gerade gut. Viele Obdachlose bevorzugen das Übernachten auf der Straße, als in eines der Obdachlosenheime zu gehen. Dort werde man nur bestohlen, fange sich durch die schlechten hygienischen Bedingungen Krankheiten ein und könne durch die Überfüllung der Heime schlechter schlafen als im Freien, argumentieren viele Obdachlose.
Seit Oktober ist es Obdachlosen verboten, sich an bestimmten Stellen in „lebensführender Weise“ aufzuhalten. Im Klartext: Obdachlose, die an diesen Orten Übernachten und dabei „erwischt“ werden, haben mit Sozial- oder Geldstrafen oder – falls sie das Geld nicht aufbringen können – mit Gefängnis zu rechnen. Begründet wird dies damit, „die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit, die öffentliche Gesundheit und die kulturellen Werte zu schützen“. Diese Plätze dürfen von den Kommunen festgelegt werden. Dazu gehören vor allem touristische Orte und Orte des Weltkulturerbes. Aber auch Unterführungen und der Umkreis von Kindergärten und Schulen müssen gemieden werden. Hier (www.youtube.com/watch?v=HXefPONEnyk) findet ihr alle Plätze in Budapest, die Obdachlosen verwehrt sind. Gerade im Weihnachtsgeschäft sind die Obdachlosen nicht gern gesehen, es könnte ja die weihnachtliche Stimmung zerstören. "Wir möchten nur nicht, dass Obdachlose an bestimmten öffentlichen Orten, die auch touristisch gut besucht sind, leben, das ist doch völlig legitim", gibt sogar der Staatssekretär Gergely Pröhle zu.
Seitdem wird in Budapest heftig demonstriert und protestiert. Beispielsweise wurde der Sitzungssaal des Stadtrats besetzt und so laut und durchgehend gesungen, dass eine Kommunikation unmöglich wurde. Nachdem die Demonstranten von der Polizei hinausgetragen wurden, fuhr man mit der Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit fort. Vor allem Mitglieder des Vereins „A Város Mindenkié“ (Die Stadt gehört allen) nahmen an Demonstrationen teil. A Város Mindenkié unterstützt besonders Obdachlose und setzt sich für deren Rechte ein und hat im Zuge der Gesetzesänderungen auch ein Bericht an die Venedig-Kommision (Europäische Kommission für Demokratie durch Recht) geschickt. Und auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wollen Bürgerrechtler ziehen, sollte sich nichts ändern.
Viktor Orbán und seine Regierung hingegen scheinen resistent gegen jede Kritik. Man wolle ja nur die Obdachlosen gegen den drohenden Tod im Freien schützen, heißt es aus Regierungskreisen.