Aus dem Leben eines Albatros´
Und auf einmal war es Winter… Ich kann nicht glauben, dass ich schon fast zwei Monate hier sein soll und vor allem nicht, dass in einem Monat schon fast wieder Weihnachten ist. Doch als ich letzten Sonntag völlig verschlafen, die Treppe heruntergetapst kam und aus dem Fenster schaute, war alles weiß und der Wechsel der Jahreszeiten erinnert mich daran, dass seit Anfang Oktober eben doch schon viel Zeit vergangen ist.
Die letzten zwei Wochen standen für mich und meine ATRIUM-Clique im Zeichen der Flashmob-Aufführungen in verschiedenen Städten und Dörfern. Besonders gut hat mir der Tag in Sighișoara gefallen, eine etwas eine Stunde entfernt gelegene Stadt mit wunderschönem historischem Zentrum, die ich auf jeden Fall noch einmal ausführlich besuchen möchte. Auch wenn sich die Zahl der Zuschauer - abgesehen unseren selbst mitgebrachten - an den meisten Orten sehr in Grenzen hielt und die Choreografie mangels zwischenzeitlichem Training von Mal zu Mal chaotischer ablief, war die Stimmung der Mannschaft aus Youngsters und externen Freiwilligen durchweg grandios und ich war auf der Heimfahrt des letzten Flashmobs tatsächlich etwas wehmütig über das Ende des Projekts. Definitiv geblieben sind die Ohrwürmer der Musik, zu der getanzt wurde, sowie von den dargebotenen teilweise etwas Nerv tötenden Liedern der Band „Happy Feet“. „I´m an Albatros“ (Siehe Titel), „Yes I can“, die ungarische-rumänisch Version von „If you´re happy and you know it, clap your hands!“, „Mi-e sete de tine“ (auf Deutsch: „Ich bin durstig nach dir“… - irgendwie gruselig in Transsilvanien) und so weiter, werden sicherlich noch eine Weile in Ellens und meinem Kopf herumgeistern.
Nach dieser abwechslungsreichen Zeit, gilt es nun, wieder in den gewöhnlichen Arbeitsalltag zurückzufinden, was allerdings durch zwei neue Mitglieder der Gruppe erschwert wird, die sich erst noch integrieren müssen und die vorherige Routine ein wenig durcheinanderwirbeln. Abgesehen davon, kämpfen Ellen und ich immer noch damit, unseren „Unterricht“, egal ob Gesellschaftsspiele, Vokabeln oder Bastelstunden in der richtigen Mischung aus Englisch, Rumänisch und Ungarisch abzuhalten. Immer öfter gibt es jedoch Erfolgserlebnisse, in denen wir wirklich verstehen, was jemand auf Rumänisch zu uns sagt und wir sind stets und teils auch erfolgreich bemüht, Gespräche ohne die Hilfe unseres besten Freundes dict.cc (ein mobiles Wörterbuch auf dem Smartphone) zu führen. Ich versuche sogar, mir einige ungarische Wendungen anzueignen, inwiefern das allerdings von Erfolg gekürt sein wird, bleibt noch offen, da mir diese Sprache mit all ihren fremdartigen Lauten immer noch ein Rätsel ist. Es hängt auch davon ab, in welchem Projekt ich ab Januar arbeiten werde, da die Zusammensetzung aus Rumänen und Ungarn überall variiert.
Einen kleinen Vorgeschmack auf das START Programm, bekamen wir vor zwei Wochen schon einmal, als unsere Youngsters frei hatten und Ellen und ich für einen Tag bei einem von der Foundation organisierten Feriencamp mithalfen. Im Vergleich zu der permanenten gedanklichen Anstrengung, die die Arbeit in ATRIUM beinhaltet, war der Tag von etwas anderen Herausforderungen geprägt, beispielsweise, eine gefühlte Ewigkeit den Stoßdämpfer der eindeutig nicht kinderfreundlichen Wippe zu ersetzen (ich habe meine Muskeln nach diesem Spielplatz-Workout ordentlich gespürt), Kindern zu erklären, dass sie nicht nur das innere von allen Brotscheiben herauspicken sollen oder sich Spiele auszudenken, bei denen von drei bis zehn alle Altersgruppen ihren Spaß haben.
Auch meine außerarbeitliche Zeit bleibt nach wie vor gut gefüllt. So durften wir beim Reiten mit unserem Mentor ein wenig Landluft schnuppern, haben den Kulturpalast und die historische Bibliothek von Târgu Mures besichtigt und uns langsam auch mal einen Überblick über die gastronomischen Perlen der Stadt verschafft. Besonders als wir am Wochenende Besuch von drei anderen EFD-Freiwilligen aus Cluj-Napoca (deutsch: Klausenburg), der zweitgrößten Stadt Rumäniens, etwa zwei Stunden Fahrzeit von uns entfernt, empfingen, wurden natürlich an zwei Abenden diverse Bars ausprobiert und unser aller Schlafrhythmus ziemlich durcheinander gebracht. Abgesehen davon, hatten wir sehr lustige und interessante Tage mit Târgu-Mures-Sightseeing, dem ausführlichem Austausch über unsere jeweiligen Erfahrungen im EFD und natürlich der Freude über den ersten Schnee. Wir freuen uns schon auf das geplante Wiedersehen mit unseren Freunden, das nächste Mal dann in Cluj.
Letzte Woche hieß es außerdem: „Vă invitam la ospat!“ (=„Wir laden euch zum Gelage ein!“). Unsere Kollegen organisierten einen interkulturellen Abend mit allen Mitarbeitern, zu dem jeder von uns Freiwilligen landestypische Gerichte und einen kleinen Vortrag über sein Herkunftsland beisteuerte. Nach stundenlangem Kochen konnten wir neben Kartoffelsalat, Käsespätzle und Apfelküchle die wirklich köstlichen österreichischen, spanischen, portugiesischen, rumänischen und ungarischen Gerichte der anderen genießen und später verrückte traditionelle Tänze ausprobieren.
Auch der monatliche Ausflug mit unserer Koordinatorin und anderen Kollegen stand wieder an, diesmal ging es nach Alba Iulia (deutsch: Karlsburg) und anschließend zu der Burg Hunedoara. Aufgrund der langen Anfahrt hatten wir leider nur Zeit, die Altstadt mit der siebeneckigen Festung der Stadt zu besuchen, die insgesamt etwa 60.000 Einwohner besitzt und im Westen des Siebenbürgischen Beckens liegt. Die Zitadelle Alba Carolina ist eine Befestigungsanlage und wurde von 1715 und 1738 erbaut. Sie enthält neben einem römischen Castrum, der Universität und einem Museum auch eine orthodoxe und eine katholische Kathedrale und ist meiner Meinung nach definitiv einen Besuch wert. Wer in seinem Leben doch noch auf die Einladung nach Hogwarts wartet,sollte sich aber definitv auch die Felsenburg Hunedoara aus dem 14. bis. 15. Jahrhundert ansehen, die einen der bedeutendsten Profanbauten Rumäniens darstellt. Ich bin jedenfalls begeistert, dass wir innerhalb von nicht einmal zwei Monaten schon so viel gesehen haben und sicher, dass Rumänien noch einiges mehr zu bieten hat.
Vor dem EFD wurde mir mal gesagt, ich würde so viel freie Zeit haben, dass ich gar nicht wüsste, wie ich sie füllen solle (Servus Lea:)) - tatsächlich kommt es mir aber wirklich schwierig vor, mal einen ruhigen Moment zum Blog-Schreiben zu finden. Wer weiß, ob sich das noch ändert, die nächsten zwei Wochen sind jedenfalls schon wieder gut verplant, da wir für eine Woche nach Sibiu zu unserem On-Arrival-Seminar fahren (-was genau da so passiert, werde ich im Nachhinein berichten-) und wir danach über ein langes Wochenende in Urlaub fahren wollen.
Bis bald, la revedere!