Auf der Suche nach den jodelnden Berghirtli
Greys Weg ind die Schweiz führt sie durch knapp 18 Kilometer Dunkelheit, Stein und Erde. Doch kann die Schweiz am Ende des Tunnels ihre Erwartungen erfüllen?
Wenn man an die Schweiz denkt, dann denkt man an? Richtig, an jodelnde Berghirten in kurzen Lederhosen; an schwarze Almhütten mit niedrigen, breiten Dächern; an hohe schneegegipfelte Berge.
Das erste Rendez-vous mit der Schweiz findet auf einer vollgestopften Autobahn statt. Der Wagen rollt – Zentimeter um Zentimeter oder steht vollständig. Draußen vor dem Fenster kriecht Basel vorbei. Industriell mit Silos, Türmen, Fabriken und Förderbändern bewährt.
Keine idyllische Bergwelt und keine moderne Autobahn. Stattdessen führt die Straße, nachdem sich der Verkehrsstau aufgelöst hat, zu einer alten braunrostigen Autolade. Es gibt keinen anderen Weg als durch den Berg hindurch, um unser Ziel zu erreichen, zumindest suggeriert uns dies das Navigationssystem, von meinem Bruder in seiner ganzen Liebenswürdigkeit "Franz" genannt.
Der Pater ist dagegen nicht so liebenswürdig zu seinem Wegweiser und schon gar nicht zu der Autolade. Angesichts der Situation – man kann von hier aus nicht mehr umdrehen – bleibt ihm allerdings nichts anderes übrig, als sein Lenkrad festzuhalten und wiederholt hilflos "Ich will jetzt aber nicht mit der Eisenbahn fahren" von sich zu geben.
Wenig später sitzen wir für 17,8 km in der Dunkelheit; Über, unter, neben uns, allgegenwärtig, grauer, massiver Stein. Die Erde um uns herum. Eine Funzel am Wagon spendet fahles Licht, während die Lade durch die Finsternis donnert.
Doch die bedrückende Nacht lohnt sich. Am Ende spuckt uns der Berg in ein wunderbares Tal aus. Sonne statt Regen. Die Straße schlängelt sich eine Bergflanke hinunter, die riesigen Berge, die das Tal umgeben, wirken zum Greifen nah, sind es aber nicht. Ein Eindruck, der noch von Gran Canaria nachklingt.
Aber auch hier ist von der Klischeeschweiz nichts zu entdecken. Die Häuser, teilweise sehr provisorisch, wirken wie wahllos in die Landschaft gezimmert. Ein Westernrestaurant zieht an uns vorbei. Die Landschaft ist nicht saftig grün, sondern erinnert eher an die Vegetation eines von aridem Klima beherrschten Landes. Auch die Stadt, Brig, scheint jedwede Struktur zu entbehren. Hochhäuser ragen dem Himmel entgegen, als wetteiferten sie mit den Gipfeln, die sie einfassen.
Ich finde mich desillusioniert wieder. Darüber können mir nicht einmal die Almhäuser auf der gegenüberliegenden Seite des Tales hinweghelfen.
Die Schweiz ist eine merkwürdige Mischung aus glasklarem Rhein, versprengter Alpentradition und italienischem Flair. Die Schweizer, eine Paradoxie aus Gelassenheit und penibler Geschwindigkeitskontrolle.
Nachts verschmelzen Himmel und Erde. Lichter in den Bergen, die auch Sterne sein könnten.