Auf den Spuren der Römer
Nun folgt ihr zweiter Workcamp-Bericht. Dafür hat es Regentropfen in die Abgeschiedenheit der Pyrenäen verschlagen, wo sie mit einer bunt zusammengewürfelten Gruppe römische Überreste ausbuddelte.
Sommer 2005. Ja, da ist es also schon wieder einmal Sommer. Und mein Rucksack und ich starten zu unserem zweiten Workcamp in Richtung Süden. Samstagnachmittag geht es los mit dem Flieger nach Südfrankreich und etwa 29 Stunden und 17 Minuten später – nach einem wackeligen Flug, einer sehr sommerlichen Sommernacht in Montpellier und einigen Stunden im Zug – sitzen wir beide umgeben von Regen, Nebel und Kälte in einem kleinen Bahnhof in den Pyrenäen und warten auf die restlichen 14 Menschen des Camps. Zusammen geht es schließlich noch ein Stückchen tiefer ins Gebirge, nahe an die französisch-spanische Grenze, nach Antichan de Frontignes.
Antichan: Ein kleines Kaff mit 80 Einwohnern, etwa zehn Häusern, vier Straßen, dafür aber etwa 17 Trinkwasserbrunnen und mit einer wahnsinnig urig-schönen Atmosphäre. Abseits von jeglicher Zivilisation, umgeben von Bergen, Bäumen,... Bergen und Bäumen. In der Ferne kann man die Garonne fließen sehen, sogar einige kleine Dörfer lugen aus Wäldern und Feldern hervor. Dies alles bleibt jedoch aufgrund von nahezu fehlenden Verkehrsmitteln eben auch in der Ferne und unerreichbar für uns.
Wir sitzen hier fest, was mir offen gestanden am Anfang schon ein wenig Angst macht, gewöhnen uns aber schnell und gerne an ein Leben mit einiger Arbeit, aber auch genug Zeit zum Faulenzen, Essen und Aperitifs mit den Dorfbewohnern trinken. Nachdem wir die ersten zwei Regentage recht glimpflich überstanden haben – in den drei Zelten, die wir zusammen bewohnt haben, war das doch schon recht unangenehm – fängt die ganze Sache an, richtig Spaß zu machen.
Unsere Tage beginnen früh, definitiv zu früh. Aber nach einem hastigen Frühstück und dem etwa zehnminütigen Weg zur alten römischen Straße am anderen Ende des Dorfes, treffen die ersten Sonnenstrahlen auf unsere Haut, wecken uns endgültig auf und vertreiben die Reste der eisig kalten Gebirgsnächte. Während die Sonne am Himmel höher steigt und immer brutaler scheint, stehen wir gebückt am Hang und hacken Erde und Grasbüschel von dem uralten Kopfsteinpflaster des Weges. Das ist auf jeden Fall anstrengender, als es sich anhört und nach fünf Stunden harte Erde weg hacken, wissen Rücken und Arme, was sie getan haben. Nach der Arbeit geht es heim, um uns mit Riesenportionen an französischem, spanischem, türkischem, mexikanischem, italienischem, englischem oder deutschem Essen voll zustopfen. Dann wird erst einmal eine ausgiebige Siesta im leider kaum vorhandenen Schatten gehalten und schließlich bleibt noch jede Menge Zeit, die Gegend unsicher zu machen. Wir gehen wandern, klettern oder Mountainbike fahren, landen aber schließlich doch meistens mit einem Handtuch am nicht weit entfernten See in der Sonne.
Und ganz fest sitzen wir letztendlich auch nicht. Mit Hilfe einiger Franzosen aus Antichan, unseren engagierten Betreuerinnen und dem einmal wöchentlich pendelnden Bus in die nächstgelegene Stadt, gelingt es uns, der Abgeschiedenheit für einige Zeit zu entfliehen und auch Teile der weiteren Umgebung kennen zu lernen. So fahren wir nach St. Gaudens und Toulouse oder an die eiskalte Garonne zum Rafting. Wieder zurück im Camp bin ich doch jedes Mal froh, dass es hier ein bisschen ruhiger ist, als im Rest der Welt. Pyrenäenurwald scheint oft doch angenehmer zu sein als Hochhausdschungel und hupende Autos.
Nach etwa zwei Wochen Arbeit an der römischen Straße jedoch ist das Gestrüpp besiegt, meine Abneigung gegen Hacken und Unkraut ins Unermessliche gestiegen aber Bürgermeister und Einwohner von Antichan de Frontignes hoch zufrieden.
In der letzten Woche findet dann das alljährliche Dorffest statt. Da wir unsere Arbeit beendet haben, bleibt nun noch massig Zeit zur aktiven Teilnahme an dieser Feierlichkeit. Nach sechs Tagen Party wird uns klar, dass auch Feiern ganz schön anstrengend werden kann. Jede Menge Spaß und Kontakte zu den Dorfbewohnern hat es trotzdem gebracht, und die Zeit rennt vor allem am Ende immer schneller. Langsam fahren die ersten Freunde nach Hause und unsere Gruppe bröckelt unaufhörlich.
Am letzten Tag sitzen wir nur noch zu sechst um den nun viel zu großen Tisch und von der üblichen Nudelportion bleiben riesige Reste im Topf zurück. Draußen hat es wieder angefangen zu regnen.
Mit dem Zug geht es schließlich auch für uns Übriggebliebene zurück nach Toulouse, wo wir uns trennen und in alle Himmelsrichtungen davonfahren mit der Hoffnung auf ein Wiedersehen oder zumindest mit der gemeinsamen Erinnerung an eine wirklich wunderbare Zeit in Frankreich.
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