Asyl in Litauen II - Oder gerade darum?
Nachdem ich von meiner Radioredaktion gebeten wurde meinen Beitrag zu entschärfen, gab mir das nur noch mehr Gründe um über das Verhalten und die Reaktionen gegenüber den großen Themen Asyl und Integration nachzudenken.
Fortsetzung:
Natürlich kann ich das ganze Asylsystem von Litauen genereller und distanzierter betrachten. Aber das ändert nichts am Wahrheitsgehalt des Berichtes. Das Integrationszentrum in Rukla ist zweifelsohne eine bessere Einrichtung – nicht zuletzt weil die Menschen dort schon allein rechtlich nicht wie Kriminelle angesehen werden. Das Internierungszentrum provoziert die Asylbewerber gerade dazu, Angst vor dem litauischen System zu haben und lieber in anderen Ländern um Asyl ansuchen. Damit kann sich Litauen schnell seiner Einwanderer entledigen. Dass der Berater des Ministerpräsidenten Artikel schreibt, die besagen, dass Litauen einfach zu schlecht für Asylbewerber ist, gehört in die selbe Kategorie.
Einerseits braucht Litauen Einwanderer um ihre sinkende Bevölkerung und Wirtschaftsleistung zu stützen, andererseits sollen die Immigranten aber christlich, weiß und gut betucht sein. Unterstützung für Kriegsflüchtlinge? Wenn es sein muss. Im Heimatland politisch verfolgt, aber offiziell kein Kiregsgebiet? Nein, lieber nicht. Diese, leider überall in Europa stattfindende Unterscheidung, nach der gewichtet wird ob jemand wohl stark genug benachteiligt ist um Asyl zu bekommen, ist mehr als moralisch verwerflich. Aber sie kommt gut bei Menschen an, die ihre eigene nationale Identität am untergehen sehen.
Viele Litauer emigrieren nach Nord- und Westeuropa, um dort bessere Jobs und Lebensumstände zu finden. Was ist denn da der große Unterschied? Dass diese ein, zweimal im Jahr nach Hause kommen und hier ihr Geld ausgeben? Dass Litauen das Glück hat sich mit vielen reichen Ländern verbrüdert zu haben, die Einwanderung nicht abblocken? Diese Doppelmoral wird von Litauern meistens mit „aber wir haben doch dieselbe (christliche) Kultur“ gerechtfertigt.
Auch wenn viele jetzt von den Litauern schlechtes denken, werden wir Freiwillige hier doch sehr zuvorkomment und herzlich behandelt. Gerade die jüngere Generation interessiert sich für interkulturelles Lernen. Auch Ältere begegnen uns meist freundlich und positiv. Unsere Herkunftsländer sind ihnen bekannt. Meine Mitbewohnerin aus Armenien erfährt viel Zuspruch, da Armenien und Litauen eine gemeinsame Vergangenheit in der UdSSR haben und sie fließend Russisch spricht. Doch sehen viele eine religionsbedingte Grenze zwischen „Okzident“ und „Orient“. Auf die andere Seite des Tellers blicken – ja. Über den Tellerrand hinaus – das fällt vielen schwer. Genau da müssten Politiker und andere Spitzen der Gesellschaft ansetzen, um für mehr Akzeptanz, Respekt und Solidarität sorgen. Doch genau diese Menschen haben Angst vor einer Gegenreaktion.
Vielleicht hätte ich einen Bericht über die Reaktionen auf Flüchtlinge verfassen sollen. Dem kann nämlich niemand entgegensprechen. Am Ende habe ich meinen Beitrag in abgeänderter Form veröffentlicht. Ich schäme mich noch immer, nicht für meinen Artikel eingestanden zu sein. Wahrscheinlich hatte ich auch nur Angst vor einer Gegenreaktion.
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