Arrangierte Hochzeiten und die Rolle eines Mädchens in Indien
Für uns ist es Unvorstellbar, in Indien sind 80 % der Ehen arrangiert und die meisten finden sich damit ab. Außerdem ist man als Mädchen eher eine finanzielle Last für die Eltern, als Junge ein Gewinn. Für mich ist das eine komplett neue Welt
„ein Mädchen großzuziehen ist als würde man die Pflanzen des Nachbarn gießen.“ So ein indisches Sprichwort und in Folge dessen findet man in indischen Waisenhäusern meist mehr Mädchen als Jungen oder aber das Geschlecht wird durch Sex Determation schon vor der Geburt festgestellt und viele weibliche Embryos abgetrieben. Die Untersuchung kostet ca. 100-200 € doch in Zukunft sparen die Eltern doch viel Geld, wenn sie das Mädchen nicht bekommen, den vor allem die Mitgift für die Hochzeit ist teuer und nach der Heirat lebt das Mädchen komplett in der Familie ihres Mannes. Unter rein ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet, stellt das großziehen eines Mädchens also tatsächlich eine Belastung für die Familie dar. Während sich die Eltern der Braut durch die Mitgift oft hoch verschulden, steigt das Vermögen des Bräutigams durch die Mitgift an. Wichtige Elemente der Mitgift sind zum Beispiel traditionelle Gaben wie Seidenstoffe, Saris, Schmuck und Kochutensilien aber mittlerweile zählen auch Luxusgüter wie ein Motorroller, eine Waschmaschine und eine Summe Bares. Die Mitgiftpraxis ist zwar seit 161 verboten, wird aber immer noch offen praktiziert.
Die Regierung hat die Abreibungen bereits 1994 öffentlich verboten und im Jahre 2002 wegen der alarmierenden Zunahme illegaler Abtreibungen die Strafen auf bis zu drei Jahren Gefängnis und 10. 000 Rs erhöht (1 Rs = 74 €) doch auch das hatte kaum positive Folgen. Man schätzt dass 11Mio. Abreibungen in den letzten 20 Jahren durchgeführt wurden und fast alle waren Abtreibungen von Mädchen.
Diese Praxis wirkt sich natürlich auf die Bevölkerungsstatistik aus und so ist Indien ein Land mit einem deutlichen Männerüberschuss. Es kommen ca. 927 Frauen auf 1.000 Männer. Das hat zur Folge, dass in Indien Vergewaltigungen nicht selten sind.
Auch wenn es nicht häufig ist so kommt es doch vor, dass skrupellose Ehemänner Morden um durch eine zweite Heirat eine weitere Mitgift zu erhalten. Wohingegen eine Frau, deren Ehemann gestorben ist, meist nicht noch einmal heiraten kann und auch keine Sozialhilfe bekommt.
Viele sagen, Frauen und Mädchen werden in der Familie unterdrückt. Statistiken belegen, dass mehr Mädchen, trotz verschiedener Regierungsprogramme und Frauenbewegungen, von der Schule ferngehalten werden als Jungs, weil sie im Haushalt helfen sollen. Somit ist die Analphabeten Zahl unter der weiblichen Bevölkerung höher als unter der männlichen. Auch in der Familie gibt es in Indien eine andere Art von „Hirachie“ als bei uns in Deutschland. Der Mann ist ganz klar das Oberhaupt und wird Entscheidungen treffen. In den meisten indischen Familien hat die Frau jedoch ein gesundes Selbstwertgefühl und verschafft sich Gehör und Platz. Wenn ich in indischen Familien zu Besuch bin, fällt mir vor allem auf, dass die Frauen die Männer bedienen, vor allem beim Essen. Die Frauen sitzen neben dem Mann und tun ihm immer wieder Essen auf und warten, bis der Mann fertig ist. Dann bringen sie die Teller der Männer weg und essen erst danach selbst. In einigen Familien habe ich das angesprochen aber es kommt mir nie so vor, als würde es von keiner Seite als ungerecht betrachtet. Vielleicht ist es einfach eine andere Art und Weise von Manieren. So wie wir mit dem Essen warten bis jeder am Tisch sitzt und nicht aufstehen bevor nicht jeder fertig ist, wird hier eben der Reihe nach gegessen.
Das Zusammenleben von Ehemann und Ehefrau erlebe ich jedoch eher als eine Art Team denn wie jeder weiß sind in Indien 80% aller Hochzeiten arrangiert. In sozial stärkeren und moderner lebenden Familien wird viel Wert auf gegenseitiges Einvernehmen gelegt und es ist eher ein Vorschlag der Eltern, den Tochter und Sohn dann annehmen oder eben nicht. Doch wenn das Alter von 28 überschritten ist kommt es auch hier zu Zeitdruck und man lässt sich zu Ehen überreden. Es kommt oft vor, dass sich Braut und Bräutigam an der Hochzeit zum ersten Mal persönlich sehen und sich vielleicht vorher nur über Skype oder E-Mail kennenlernten.
In ärmeren Familien und sozial schwächeren spielt der Wille des Brautpaares oft eine viel geringere Rolle. Die Eltern entscheiden, die Kinder heiraten. Man arrangiert sich eben. Viele meiner indischen Freunde sagen das sei ok. Natürlich würden sie sich gerne den Partner aussuchen aber Liebesheiraten machen zu viele Probleme und darum steht für sie fest, sie werden mal arrangiert heiraten auch um ihrer Eltern Willen. Liebesheiraten machen deshalb Probleme, weil Kaste, Religion, Beruf, Hautfarbe, gesellschaftliche Stellung… übereinstimmen müssen und es sonst oft bürokratische und soziale Unannehmlichkeiten gibt.
Für mich ist das unvorstellbar und wenn ich indische Paare sehe, schleicht sich immer der Gedanke ein, dass dieses Paar wahrscheinlich nicht aus Liebe entstanden ist. Es ist ein komplett anderes Denken, dass in unseren Köpfen herrscht und in dem der indischen Bevölkerung. Ich bin beeindruckt wie viele der Ehen dann doch so gut funktionieren und frage mich oft, ob die Ehepartner denn glücklich sind.
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