Anti-Heimweh
Wenn alles vorbeigeht und du nicht mehr genug schläfst vor Unglück darüber.
Huhu, Freunde der Sonne. Finale… es geht in Riesenschritten aufs Ende zu. Nach diesem bekommt ihr noch einen weiteren Post aus Rumänien, und das wars dann mit meinem EVS.
Die Trauer darüber setzt mir noch mehr zu als ich dachte, mehr als meinen Mitbewohnern. Vielleicht, weil mich zu Hause viel viel weniger erwartet. Jojo hat ihre Riesenclique an Freunden, Skypen mit ihnen hatte stets Priorität über irgendetwas hier, sie ist eher froh dass es vorbei ist. Alkie fühlt sich auf der ganzen Welt zu Hause, und das hier war bei weitem nicht ihre erste derartige Erfahrung. Und Juliana lebt und atmet für Portugal und vermisst ihre riesige Familie mit jeder Zelle.
Kein Heimweh
Ich… bin froh, dass dieses seltsame Projekt jetzt vorbei ist. Ich vermisse meine Mutter sehr. Und vernünftiges Brot.
Abgesehen davon? Die meisten meiner Freunde in Deutschland sind aus meiner Heimatstadt weggezogen, oder lebten schon vorher in anderen Teilen des Landes, oder der Kontakt ist eingeschlafen. Ich kann mich nicht identifizieren mit diesem “man vermisst seine Freunde so sehr und freut sich riesig auf sie, wenn man zurückkehrt”. Meine Freunde sind an verschiedenen Orten, viele sind jetzt hier, aber kaum welche sind dort, wohin ich zurückkehre.
Deswegen setzt keine Rückkehrfreude zwischen dem Abschiedsschmerz ein. Mal schauen wie ich das hinkriege - im Moment nicht sehr gut.
Petru
Nunja. Montag und Dienstag lag ich erstmal mit der Grippe flach. Sicher selbstverschuldet nach dem Wochenende, aber trotzdem, was für ein Timing! Hätte mich schwarzärgern können.
Dienstagabend ging es etwas besser, und Emoke rief mich für einen Besucher herunter. Es war Petru und seine Familie… sie hatten das Datum der Abschiedsparty verwechselt und standen nun da mit einem großen Korb Gebäck und verwirrten Gesichtern. Petru klammerte sich weinend an seine Mutter, aus Angst dass sie ihn dortlässt.
Das war vielleicht ein schöner Schock zur Genesung. Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte! Und war nicht vorbereitet, Petru eine Woche zu früh zum allerletzten mal zu sehen. Das hat wehgetan. Seine Mutter hatte auch Tränen in den Augen.
Noch mehr Abschiede
Donnerstag verließ uns noch jemand, Alex. Der seine letzte Mittagsruhe natürlich nicht zum Schlafen nutzte. So viel Stress uns der Junge auch bereitet haben mag, so sehr werde ich ihn vermissen, eins der fröhlichsten Kinder der Gruppe.
Außerdem ging ich zum letzten Mal zur Suppenküche, und das tat richtig weh. Ich hatte dem Team ein Buch gekauft, ein Kochbuch natürlich, von Jack Monroe. Deren Blog hat mich um 2015 rum sehr inspiriert. Sie hat sich und ihren Sohn lange Zeit von zehn britischen Pfund pro Woche ernähren müssen. Ist also weit entfernt vom Quinoa-glutenfrei-Paleo-Superfood-Wahn heutzutage und bringt bei, wie man seine Vorratskammer gut aufstockt, wie weit einen ein Sack Karotten bringen kann und wie sie und Bolognesesauce aus Linsen macht.
Nur Dana war da, die Süßeste von allen, die sich riesig über das Buch freute. Wir kochten Kartoffelbrei und Salami, was sie an ihre Studentenzeit erinnerte. Nach der Ausgabe fuhr sie mich noch ins Zentrum, bot mir ihr Haus an wann immer ich Cluj besuchen möchte, und mit einer Umarmung war auch dieses Kapitel in meinem Leben vorbei.
Freunde am anderen Ende des Kontinents
Danach ging ich noch mit Bory aus, wir liefen durch den Park. Eine Person mit so viel Herz hab ich auch selten getroffen. Man fühlt sich einfach komplett wohl und warm in ihrer Gegenwart. Sie konnte mir sogar die Angst vor Berlin ein wenig nehmen…
Freitag war Bogdans Schwester in der Stadt. Oh mann, ist die knuffig. Wie oft ich an dem Abend von ihr hörte, dass ich süß bin, kann ich nicht zählen. Man merkt schon dass sie Geschwister sind. Sie ärgern sich ständig, und haben beide ein sehr sehr großes Herz - Bogdan maskiert das nur ganz gern mit Sarkasmus. Aber ich habe nicht so viele Freunde, die um ein Uhr morgens noch drauf bestehen, rauszukommen um mich aufzumuntern. Von ihm möchte ich mich wirklich nicht verabschieden.
Samstag entschied ich mich, nach Oradea zu fahren, eine der wenigen Fragezeichen für mich auf der Karte Rumäniens. Fazit: okay, aber nicht bahnbrechend. Es war echt schön, besonders die Pasajul Vulturul Negru mit den Glasfenstern wirklich hübsch! Nochmal würde ich aber nicht hinfahren, vielleicht auch weil mich die Sonne fast auf der Stelle schmolz. Nun habe ich das Land wirklich im Norden, Süden, Westen und Osten gesehen.
Abschied feiern
Samstagabend hieß es dann EVS Abschiedsfeier, La revedere. Wir trafen uns alle in einer Bar, und die Mädels vom Education Studio hatten schöne Bücher mitgebracht, in die wir Grüße schreiben durften. Endlich sah ich auch mal wieder Olivia und Karin, letztere fing irgendwann an, mich mit Bewunderungen und Komplimenten zu überschütten. Ich wusste gar nicht, was ich sagen soll!
Danach im Park zog ich alle bei weitem im Flunkyball ab, bevor wir ins Delirio gingen. JA! Habe mir so gewünscht, dort noch ein letztes Mal hinzugehen. Delirio war der erste Gay Club den ich je besucht habe, und es macht mich etwas emotional. Ich ging mit dem Sonnenaufgang nach Hause.
Sonntagabend schließlich sah ich Zsófi, wir bestiegen nochmal den Cetatuia Hügel (bis ein Gewitter uns dann verscheuchte). Sie hatte schon mein Abschiedsgeschenk bereit... aber ich sagte ihr, dass ich sie noch mindestens einmal sehen muss. Ich hasse das, mich von Freunden zu verabschieden, und sie ist eine ganz Besondere.
Nächste Woche, letzte Woche. Wir werden Abschied in der Kita feiern, ins Donaudelta reisen, und am Dienstag danach ist mein Heimflug.
Ich bin nicht bereit.