Am Strand und zwischen Gräbern
Johannson nutzt den Tag der Arbeit für einen Ausflug nach Danzig. Außerdem macht er in Lobdowo bei einem Projekt mit und hilft, einen alten deuschen Friedhof wieder herzurichten. Und es gibt einiges zu feiern.
Zur Sonne, zur Ostsee
Der Tag der Arbeit ist dankenswerterweise ein Freitag, also fahren alle in den Urlaub. Monika und ich nach Danzig, ans Meer. Ganz Polen war unterwegs, das Wetter schön, die Züge heiß und wir fuhren direkt an der Burg des deutschen Ritterordens in Malbork vorbei. Ich ärgerte mich schwarz, dass ich es in bald einem Jahr nicht dahin geschafft habe; immer dachte, es wäre schwer hinzukommen. Da uns das Hostel zu einer Zeit unserer Wahl aus dem Zentrum abholen wollte, sind wir gleich durchgefahren nach Sopot, haben das Gepäck in ein Schließfach gepackt und sind schnurstracks zur Seebrücke. Danzig am nächsten Tag war eine hübsche, warme, aber überlaufene Angelegenheit voller Touristengruppen. Auch merkte ich, dass ich auf meinen letzten Besuchen nicht viel über die Stadt gelernt und jetzt auch noch meinen Reiseführer vergessen hatte. So wurde ich Mittags langsam genervt, und Monikas Magen nahm ihr die letzte Kugel Eis übel. Daher fuhren wir zurück zum Strand sobald wir konnten und steckten die Füße ins Wasser.
Friedhofsprojekt bei Torun
Am Sonntag mit den allerletzten Plätzen im Zug zurück nach Warschau, fuhr ich am Montag allein gleich weiter nach Torun. Schande Schande, fast ein halbes Jahr seit dem letzten Besuch. Und ich sah auch gar nicht viel von der Stadt, denn es ging gleich weiter auf ein Projekt in Lobdowo, einem winzigen Dorf 50 km östlich. Wie immer will ich bald noch einmal fahren, auf einen Kaffee auf dem Markt, ein Buch an der Weichsel, ein Bier im Desperado. Zum Workshop ist nicht viel zu sagen, außer das in Torun Sachen einfach richtig gemacht werden. Wir wohnten in einem wunderschönen Holzhaus, dass sich Ewa Glodowska vor einigen Jahren hergerichtet hat. Direkt zwischen den Felder, ein Obstgarten daneben, aber mit allem Komfort und bei gutem Wetter gab es das Essen auf der Verande. Wir waren eine Gruppe aus Polen, Deutschland, der Ukraine, Armenien und Russland und legten einen evangelischen (= deutschen) Friedhof wieder frei, der seit Kriegsende überwachsen, vergessen und als Müllkippe genutzt worden war. Wir bewirkten ein echtes kleines Wunder; was zu Anfang nur ein kleiner Wald voller Flaschen im Unterholz war, musste nach vier Tagen eindeutig als Friedhof erkannt werden. Wir fanden ganze Gräber verschüttet in der Erde, dutzende Fragmente von Inschriften und sogar komplette Grabsteine, alle wie von gestern da aus Marmor. So konnten wir einigen sogar wieder Namen geben. Die älteste war eine Lehrerfrau, gestorben 1868, zu lesen auf einem mannshohen Eisenkreuz in der Erde vor ihrem Grab.
Was zum Spielen und was zum Naschen
Motyka wäre nicht Motyka, wenn nicht auch viele Jugendliche aus dem Dorf geholfen hätte, was sie auch davon abhalten sollte, alles wieder einzureißen sobald wir weg sind. So standen manchmal polnische Kinder im Kreis um ein Grab und versuchten, aus den neuesten gefundenen Fragmenten deutscher Inschriften zu entziffern, wer da lag. Mit ihnen machten wir auch abends einige Aktivitäten und organisierten am Ende eine Präsentation, für die ich bis drei Uhr morgens Filme geschnitten habe. Wir selbst machten auch einige Späße, von einem Tagesausflug in eine hübsche Kleinstadt in der Nähe und einige furiose Länderabende, mit zu vielen Pieroggen, einem Kochtopf auf meinem Kopf, einer Axt in meiner Hand und zuletzt der Biene Maja für alle.
Motykas Geburtstag
Das Wochenende am Ende brachte neben Monika's spontaner Anreise die Begehung von Motykas 10. Geburtstag. Eine Flut von Leuten stürmte unser wunderschönes Haus auf dem Feld, was für die Popularität Motykas spricht, aber kaum noch Schlafplätze ließ. Ich versuchte es eine Nacht im Zelt, aber dort war es inzwischen wieder zu kalt geworden. Eine Präsentation zu Herkunft und Zukunft Motykas nahm kein Ende, alles und jeder wurde beklatscht und bejubelt, Fröhlichkeit und Kuchen allerorten: mir wurde es am Ende zuviel Trubel, zuviele Fotos, zuviele Menschen. Aber zum Glück gab es draußen für Heiterkeitsmüde ein Lagerfeuer mit Dominik und Familie (vgl. 02.07.2006), die auch Ruhe wollten.
Bilder vom Geburtstag und vom Friedhof: http://www.adom.cba.pl/inne/lobdowo66/album/index.html
Wie bei der Kirchenaktion im September hat mir am besten die physische Arbeit auf dem Friedhof gefallen, als Igor (russischer EVS Freiwilliger...im Haus Neudorf) und ich uns mit einer Axt durch das Unterholz hackten. Die Motyka Leute sind einfach Spitze. Einmal war ich nach der Dusche bereits auf dem Weg ins Bett, als ich in der Küche von Musik abgefangen werde und wir alle nochmal bis zwei Uhr morgens tanzen. Wer schon im Bett war, stand nach und nach wieder auf, Wein wird rumgereicht, das Frühstück am morgen verschoben, ein Besen zum Limbostab.