Alles auf Anfang
Hallo, mein Name ist Karolin und derzeit befinde ich mich im Europäischen Freiwilligendienst in Norden Griechenlands, wo ich in einem Flüchtlings-/Medienprojekt arbeite.
Dies tue ich mit Blick auf den Kalender bereits seit mehr als 6 Monaten. Warum fühlt es sich also manchmal gar nicht danach an und dann irgendwie wieder doch. Die Verwirrung des Wandels und Stillstands.
Zu Beginn des Freiwilligendienstes klangen 8 Monate lang. Zum Ende hin klingen 2 Monate zugleich nach nichts und allem. Allem was ich noch vor mir habe.
Tatsächlich muss ich immer wieder wenn ich die Youthreporter Homepage aufrufe mit Schrecken feststellen, wie die Zeitabstände in denen ich Beiträge poste immer geringer werden und sich nach dem ersten Schock dennoch meist nicht allzu viel an dieser Situation ändert.
Obwohl mein Kopf mir weiterhin sagt, dass sich nicht derart viel getan und verändert hat, habe ich das Gefühl keinen freien Moment finden zu können, um Geschehnisse und Pläne in Worte fassen zu können. Gleichzeitig fühle ich mich als passiere nichts und dann wiederum alles auf einmal. Und doch fühle ich mich als hätte ich nichts mitzuteilen.
Wie fühlt man sich völlig ausgelaugt und trotzdem voller Begeisterung für alles was man sich noch vorgenommen hat zur selben Zeit? Es ist auf der einen Seite ein erfüllendes Gefühl und auf der anderen Seite eines, dass dich dich selbst fragen lässt, ob es das jetzt war. War das schon alles, alles was du tun konntest?
Ja und Nein. Ja, denn trotz der kommenden zwei Monate habe ich das Gefühl im Projekt das erreicht zu haben, was unserer Truppe möglich war, was ich mir (manchmal nicht so ganz) persönlich vorgenommen hatte. Nein, denn ich glaube, da ist immer mehr. Man kann immer mehr tun, mehr erreichen. Sich mehr einbringen, sich mehr verändern, mehr beeinflussen. Trotzdem tut dies der Mensch von einem gewissen Punkt an meist nicht mehr und erst wenn eine gewisse Zeit vergangen ist, sucht er wieder nach seinen Grenzen um sie erneut zu überschreiten, sie auszuweiten.
Ich denke ich habe alles getan. Ich dachte ich hätte alles getan.
Dann kam der Sommer und mit ihm so unzählige Möglichkeiten, dass ich das Gefühl nicht mehr los werde, dass auf irgendeine Art und Weise alles wieder auf Anfang steht. Nur ist jetzt alles umgekehrt.
Dieses Mal sind wir diejenigen, die von ihren bisherigen Erlebnissen erzählen, von immer den selben Geschichten schwärmen und Tipps geben, was doch alles während der Zeit hier unternommen und erlebt werden solle, wie die Zeit zu nutzen ist. Jetzt sind wir die mit dem Plan. Nur das wir keinen haben. Jetzt sind wir diejenigen, die versuchen unsere Aufgaben an die nächsten weiterzugeben und die, die die anderen Freiwilligen anlernen, ohne dass diese verstehen, dass dies bereits notwendig ist. Jetzt sind wir diejenigen, die sich als Moderatoren zwischen Neu und Alt, Organisation und Freiwilliger verstehen.
Alles ist gleich, nur die Rollenverteilung ist anders. Oder ist nichts ist wie es war und doch sind wir immer noch die selben?
Kann ein On-Arrival-Training im vorletzten EVS Monat sinnbringend sein? Können Pläne von Produktionsfirmen für Dokumentationen über persönliche Veränderungen durch Freiwilligendienste aufrichtig sein?
Jeder sagt, das Leben sei kein Kinofilm und doch kann es sich manchmal so anfühlen. Jeder Film hat ein Skript. Haben wir einen Plan für’s Leben? Wohl eher nicht. Zumindest haben den die meisten hier bisher noch nicht und nur die wenigsten werden ihn hier finden. Nicht, weil sie ihn nicht suchen würden, oder es gar unmöglich wäre ihn hier zu finden, sondern weil ihn zu finden, wie ich denke für die meisten bedeuten würde sich einzugestehen, dass ein EVS ein Ende hat, das das hier nicht das Ende ist.
Dafür aber haben wir für die nächsten zwei Monate, von denen ich glaube, dass sie so vollgepackt sein werden wie kein Zeitraum hier zuvor. Trotzdem denke ich wird es Momente geben, in denen ich nicht wissen werde was ich mit meiner verbleibenden Zeit anfagen soll und das nicht, weil es nichts zu tun gäbe, sondern weil es doch noch so vieles gibt was es aufzuholen gilt.
Ich erinnere mich, wie sich zwei Monate im November zum Anfang des Freiwilligendienstes anhörten. Jetzt klingen sie anders. Doch irgendwie auch nicht.