Allerheiligen auf (dem) Cmentarz Grabiszyński
Die Menschen bewegen sich andächtig, reden mit gedämpften Stimmen, bleiben mit der Familie vor dem Grabe stehen und beten für ihre Verwandten. Es ist Allerheiligen, die Stadt ruht und die Kerzen flackern
Dieser Eintrag kommt ein bisschen verspätet, denn Allerheiligen ist am 1.11..
Im protestantisch-geprägten Norden Deutschlands ist dieses katholische Fest eher unbekannt, deshalb hier eine kleine Erklärung:
„Allerheiligen (lateinisch Festum Omnium Sanctorum) ist ein christliches Fest, zu dem aller Heiligen gedacht wird – auch solcher, die nicht heiliggesprochen wurden − sowie der vielen Heiligen, um deren Heiligkeit niemand weiß als Gott.“
(natürlich könnte ich das auch selbst erklären aber eines habe ich in den zahlreichen Seminarfachstunden gelernt: https://de.wikipedia.org/wiki/Allerheiligen; eingesehen am 9.11.2014)
In Polen wird neben den Heiligen vor allem den Verstorbenen gedacht. In erster Linie natürlich denen die einem selbst am nächsten stehen. Aber anders als es in dem beschaulichen Dorfleben öfter mal passieren kann, wird hier nicht die Nase über ein nicht gepflegtes Grab gerümpft bzw. eines ohne Kerzen, sondern es wird eine Kerze hinzugestellt. So bleibt an diesem Tage kein Grab ohne Kerze. Zu den Kerzen wird noch eine große Menge an Blumenschmuck gebracht. Denn anders als auf deutschen Friedhöfen, gibt es auf den polnischen Friedhöfen eine Grabplatte aus Stein. Das Grab wird/kann deshalb nicht bepflanzt werden.
Die meisten Polen gehen am Nachmittag zum Friedhof. Die meisten Polen bedeutet, dass der Rest am Abend geht, denn gefühlt geht jeder Pole am 1.11. auf den Friedhof (außer mein Mentor, denn die Erinnerung an die Verstorbenen solle keine Pflichtveranstaltung sein). Die Menschen bewegen sich andächtig, reden mit gedämpften Stimmen, bleiben mit der Familie vor dem Grabe stehen und beten für ihre Verwandten. Einige bleiben einsam auf der Bank vor dem Familiengrab sitzen auf der sie letztes Jahr vielleicht noch zusammen gesessen haben. Die Gespräche kreisen um Tod, Vergänglichkeit und bewegen mich auch meiner verstorbenen oder kranken Verwandten zu erinnern.
Als wir den Friedhof Cmentarz Grabiszyński betraten fand gerade ein Gottesdienst vor der Friedhofskapelle mit anschließender Prozession über den Friedhof statt. Die Prozession war beeindruckend, aber ehrlich gesagt auch ein wenig beängstigend. Dem Pfarrer mit seinen Pfarrdienstleistenden, die ein übergroßes Kreuz trugen und im Takt Weihrauch schwenkten, folgte eine langer Menschenzug, der die immer gleichen, einprägsamen Verse wiederholt.
Dazu die vielen Kerzen, die vor allem abends besonders schön leuchten. Deshalb hat es mich auch gewundert, dass die meisten schon am Nachmittag da waren. Allerdings habe ich am Nachmittag auch mehr dieses Gefühl der Andächtigkeit erlebt. In der Dunkelheit sah der Friedhof beinah, so unpassend das Wort in diesem Kontext ist, romantisch aus.
An dieser Stelle möchte ich Tomek, der als Pole auf der deutschen Seite einen Freiwilligendienst in einem Pflegeheim absolviert, noch einmal danken, dafür, dass er mich zum Grab seines Vaters mitgenommen hat. Ich weiß nicht, ob ich die Kraft dazu gehabt hätte. So war der Besuch des Friedhofes aber nicht einfach nur ein touristisches Vergnügen, sondern ging unter die Haut.
Dziekuję bardzo