Aller Anfang ist schwerer als gedacht
Mein EVS in Vilnius.
Was bisher so passiert ist...
Da bin ich also, alleine in Liauen. In einem Land, das ich nicht kenne mit einer Sprache, die ich nicht spreche und mit einem kaputten Abflussrohr unter der Spüle. Ca. 1.270 km von Zuhause entfernt... und wieso genau wollte ich das nochmal unbedingt machen?
Tatsächlich habe ich darüber vorher noch nicht so super intensiv nachgedacht. Für mich war nur klar: bloß nicht direkt Uni, bloß weg von hier, raus aus der Komfortzone und irgendein Abenteuer erleben. Wenn man dabei noch was für sich und für andere tun kann, dann immer her damit.
"Das mit der Sprache" hab ich mir gedacht, "das wird schon und am Anfang komm ich schon mit Englisch klar!" Aber Pustekuchen! Die Generation 40+ spricht hier, mit einigen wenigen Ausnahmen wie Englischlehrern, grundsätzlich kein Englisch, sodnern wenn überhaupt Russisch als Fremdsprache und bei den Grunschülern in meiner Schule geht es auch nicht über "hello how are you?" hinaus. Hätte ich mit rechnen können. Nur bei den älteren Schülern klappt es ganz gut mit der Kommunikation.
Meine Wohngegend hat auch wenig mit dem schönen Vilnius zu tun, das ich in Reiseführern und Dokus gesehen hatte. Um genau zu sein, ist es eine Gegend in der es außer grauen Plattetbauten aus der Sowjetzeit und ein paar Supermärkten nicht sonderlich viel zu sehen gibt. Ich wohne in einem der besagten Plattenbauten und die Heizung wird hier zentral im ganzen Haus erst am 1.11. angeschaltet. Bis dahin heißt es immer Kuschelsocken (danke Oma!) und Tee parat haben.
In der Schule, in der ich die nächsten zehn Monate arbeiten werde, wurde ich jedoch sehr herzlich aufgenommen. Als mich meine Koordinatorin mich am ersten Tag zur Schule begleitet hat, habe ich als erstes Schwester Danguole kennengelernt. Danguole (eine Nonne von den Schwestern der Himmelfart) ist die stellvertretende Schulleiterin und zuständig für alles was mit informellem Lernen zu tun hat (Ausflüge, Projekttage, Klassenfahrten, etc.). Ich habe selten eine Frau mit so einer Energie getroffen, man merkt es anfangs nicht, aber sie ist Feuer und Flamme für ihre Projekte und scheint es wirklich zu genießen, mit Schülern zu arbeiten. Die nächste Person, die ich kennenlernen durfte, war Mingaile, die Deutschlehrerin der Schule. Sie hat sich offensichtlich sehr gefreut, mich zu treffen, und hat mich nach einer kleinen Schulführung direkt mit in ihre Klasse genommen, wo ich beim Unterricht zuschauen durfte.
Die anderen Kolleginnen und Kollegen auf der Schule schienen anfangs eher ziemlich unsicher zu sein, was den Umgang mit mir anging. Ich bin halt nur ein knappes Jahr älter als ihre ältesten Schüler und damit die mit Abstand jüngste Mitarbeiterin. Ich wurde mindestens drei oder vier mal angeschnautzt weil ich für eine Schülerin gehalten wurde, die keine Schuluniform trägt oder sich unerlaubter Weise im Lehrerzimmer aufhält.
Tatsächlich habe ich mich in diversen Mittagspausen ziemlich alleine gefühlt und mir war zwischendurch echt zum Heulen zu Mute.
das klingt jetzt tatsächlich alles ziemlich deprimierend, aber so schnell wollte ich mich nicht unterkriegen lassen(auch wenn der Gedanke alles hinzuschmeißen und nach Hause zu fliegen zwischendurch doch sehr verlockend war). Tatsächlich hat sich mit dem Seminar für die EVS Volunteers, das in der zweiten Woche nach meiner Ankunft in Trakai, einer Stadt bei Vilnius, stattgefunden hat, vieles geändert.
Zuerst einmal habe ich ander Freiwillige kennengelernt. Irgendwie war es unendlich erleichternd, zu merken, dass ich nicht die einzige war, die irgendwie ein bisschen Startschwierigkeiten hatte. Außerdem haben wir unglaublich viel über unsere Ängste und Wünsche für den EVS geredet, was mir geholfen hat, mir selbst Ziele zu setzen, und mir darüber im Klaren zu werden, was ich mir von diesem Jahr erhoffe.
Als ich zurückgekommen bin (mit zwei Freiwilligen aus Kaunas im Schlepptau, die sich gerne mal Vilnius angucken wollten), war meine neue Mitbewohnerin aus Spanien bereits angekommen und die Wohnung fühlte sich dadurch längst nicht mehr so leer an. Außerdem habe ich beschlossen, das Heimweh ein wenig zu bekämpfen und habe überall Fotos von Freunden und Familie aufgehängt und versucht mein Zimmer ein bisschen nach meinem Geschmack zu gestalten, um mich etwas mehr Zuhause zu fühlen.
Durch einen IKEA-Besuch, mit ein paar anderen Freiwilligen, habe ich jetzt ein paar Sachen die mein Zimmer etwas persönlicher aussehen lassen und wir können uns jetzt auch in der WG Kaffee machen. Langsam wird es eine richtig gemütliche Wohnung.
Im Laufe der letzten Woche ist dann Ani, die Freiwillige aus Armenien, die auch mit mir zusammen arbeitet, eingezogen. Wir haben uns sehr schnell sehr gut verstanden. So habe ich in der Schule jemanden mit dem ich mich unterhalten und die Pausen verbringen kann. Die Lehrer sind jetzt auch viel aufgeschlossener mir gegenüber und scheinen sich an mich gewöhnt zu haben mit den Schülern komme ich immer besser klar. Es entwickelt sich immer mehr vom Zuschauen zum Mitmachen.
Außerdem hat Danguole mich und Ani mit zu dem kleinen Häuschen der Schule genommen, das mitten im Nirgendwo in einem klitzkleinen Dorf im Wald liegt. Hier finden im Sommer und im Frühling oft ein- oder mehrtägige Veranstaltungen für die Schüler statt. Um dorthin zu gelangen, musste man über einige ziemlich holprige und eigentlich nicht mehr wirklich befahrbare Feldwege fahren. Doch es hat sich gelohnt, es ist wirklich schön und friedlich dort und in der Nähe gab es einen Aussichtspunkt, von dem man über den scheinbar endlosen irgendwie verwunschen aussehenden Wald und den Fluss Neris blicken konnte (siehe Foto).
Ich bin grade ziemlich glücklich könnte man sagen.
Bis zum nächsten mal,
Luise
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