Aller Abschied fällt schwer
Die letzten zwei Wochen
So schnell kann es gehen, in weniger als zwei Wochen trete ich meine Reise nach Deutschland an. Bin ich bereit dafür? Wie fühle ich mich damit? Gute Frage…. Dadurch, dass ich mich von vielen Mitfreiwilligen und Freund*innen bereits verabschieden musste, fühle ich mich auf jeden Fall bereiter zu gehen und diesen Lebensabschnitt hinter mir zu lassen, als ich das noch vor ein paar Wochen gedacht hätte. Ich freue mich darauf, meine Familie und Freunde wieder zu sehen und schöne Sommerwochen in Deutschland zu verbringen. Für mich ist es aber auch nicht einfach von hier zu gehen und das alles hinter mir zu lassen. Innerhalb von 10 Monaten baut man sich ja doch dann schon sein Leben vor Ort auf und rutscht wieder gemütlich in die Komfortzone, die man davor wohl oder übel verlassen musste.
Ein Jahr Litauen hat mir persönlich gereicht. Es ist ein kleines, schönes Land, mit viel monotoner Natur und Wetterbedingungen, die auch einmalig schön zu erleben sind, doch auf Dauer für mich eher ungeeignet wären. Auch wenn ich inzwischen selbst von mir überrascht bin, wie viel litauisch ich verstehe, ist es noch weit davon entfernt, dass ich aktiv am gesellschaftlichen Miteinander auf dieser Sprache teilnehmen könnte.
Aber in dem Freiwilligendienst ging es weniger um das Land, in dem ich gelebt habe, viel mehr um die Menschen, die ich dort kennen lernen durfte und die Erfahrungen, die ich gesammelt habe. Ich habe in den letzten Monaten viele neue, sehr unterschiedliche Menschen kennengelernt, viel Zeit mit ihnen verbracht und es haben sich sehr intensive Freundschaften über diesen Zeitraum gebildet. Das wurde glaube ich auch noch einmal durch Corona verstärkt, da man kaum neue Leute über einen relativ langen Zeitraum kennengelernt hat und somit auf seine bereits bestehende Kontakte zurückgreifen musste. Das Problem ist nur daran, dass dieser intensive Kontakt auf eine bestimmte Zeit begrenzt ist und man sich dann auch wieder erst einmal verabschieden muss. Mir fällt sowas vor allem in diesem Moment und in den Wochen um diesen Zeitpunkt sehr schwer, weil einen so viele schöne Momente miteinander verbinden, man sehr viele Erfahrungen miteinander gesammelt hat und auch ein sehr einzigartiges Jahr miteinander erlebt hat. Wir haben inzwischen so viele Insider (für ältere Generation: Witze, die nur diese Gruppe zu verstehen weiß ) und eine für andere, teilweise unentschlüsselbare Sprache, weil es englisch geprägt von litauischen Wörtern. Auch wenn ich mich damit immer zu trösten versuche, dass wir überwiegend alle in Europa leben und dort die Entfernungen immer noch überschaubar sind, werden wir uns in dieser Konstellation an Menschen nicht noch einmal begegnen. Man muss lernen loszulassen, hat mir meine Einsatzstellenbetreuerin, in unserem Evaluationsgespräch geraten, womit sie auch recht hat. Vor allem da ich Auslandserfahrungen als eine unfassbare Bereicherung sehe und ich mir sicher bin, dass die nächsten Jahre noch weitere dazukommen, ist das eine Fähigkeit, in welche ich auf jeden Fall noch investieren möchte.
Meine meisten Freunde, sind bereits zurück nach Hause gegangen, weswegen mich hier auch nicht mehr allzu viel hält. Ich habe die letzten Wochen genutzt, um mir Litauen noch etwas weiter anzuschauen. Damit bin ich aber inzwischen endgültig fertig, ich habe alles Sehenswertes, aber auch viele kleine unspektakuläre Dörfchen gesehen. Litauer*innen sind nach wie vor überrascht, wie gut ich mich in Litauen, auch auf ländlicher Ebene auskenne. Die letzten Tage meiner Zeit werde ich damit verbringen, mir noch Lettland und Estland anzuschauen. Da ich das ganze Jahr über aufgrund von Covid im Inland festsaß, freue ich mich wirklich, wieder neue Ecken der Welt zu erkunden. Da ich auch nicht weiß, wie bald ich wieder in diese Richtung komme, möchte ich das auf jeden Fall noch ein bisschen ausnutzen. Zudem ist mein Projekt beendet und viele inzwischen in ihren Heimatländern, weswegen mich in Kaunas auch nichts mehr hält, bis auf mein Gepäckproblem. Wo wir beim nächsten Thema wären. Meine Eltern haben mich vor zwei Monaten besucht und bereits über einen Koffer mit nach Hause genommen, dennoch habe ich glaube ich nach wie vor zu wenig Platz für mein ganzen Gepäck. Ich werde mein Gepäck per Post nach Hause schicken und nur einen Rucksack und mein Fahrrad mit auf den Weg nehmen, ansonsten würde ich mich zu Tode schleppen. Vor allem, weil ich per Bus und Bahn nach Hause kommen werde. Viele Fragen mich hier, warum ich um alles in der Welt, nicht einfach den Flieger nach Hause nehme. Ja, das eine ist, dass ich versuche auf meinen ökologischen Fußabdruck zu achten, aber der eigentliche Beweggrund ist, dass ich ein bisschen Zeit brauche, um von dem Leben hier Abschied zu nehmen und ich die Befürchtung habe, dass ich den Wechsel gar nicht wirklich realisieren kann, wenn ich nach zwei Stunden Flug, wieder in meiner Heimatstadt bin. Deswegen habe ich mich entschieden, innerhalb von vier Tagen nach Deutschland zurückzukommen, mit einem Zwischenstopp in Warschau und in Berlin.
Wie bereits oben erwähnt, freue mich auch wieder, nach Hause zu kommen. Ich freue mich, wieder mehr am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Nicht, dass ich das nicht hier auch getan hätte, aber es verändert den sozialen Kontakt, wenn man eine Sprachbarriere hat. Ich bin es inzwischen gewohnt, Stunden an einem Tisch zu sitzen und fast nichts zu verstehen, was andere um mich rum sagen. Auch wenn ich versuche, mich zu integrieren, Leute in Einzelgespräche zu verwickeln, wenn zu viele Menschen aus einer Nationalität zusammentreffen, dann wird meistens ihre Muttersprache gesprochen, in diesem Fall eben überwiegend Litauisch. Ich habe mich daran gewöhnt, dass ich um mich herum, niemanden verstehe und eher eine beobachtende Haltung angenommen habe. Ich freue mich darauf, dass sich das auf wieder etwas ändern wird. Auch wenn ich es lange als nicht schlimm empfunden habe, ist es auch kein Zustand, den ich langfristig als angenehm empfinde. Ich freue mich auch, wieder etwas mehr Platz Zuhause zu haben. Ich wohne hier in einer sehr kleinen Wohnung, die unfassbar warm in den Sommermonaten ist. In Deutschland wäre ich in den Keller umgezogen, hier gruselt es mich so vor meinem Keller, dass ich da auch nur hingehe, wenn ich es auch wirklich muss. Doch am meisten freue ich mich auf meine Familie und meine Freunde. Auch wenn ich eine Person bin, die wenig Heimweh verspürt und nicht die ganze Zeit hat Bedürfnis hat, seine liebsten um sich zu haben, freue ich mich auch wieder gemeinsam Zeit mit ihnen zu verbringen!