Alle reden immer nur über St. Patrick, aber wer ist das?
Wer ist St. Patrick? Wer ist der Nationalheilige Irlands? Was hat er getan, dass er immer noch so berühmt ist?
Über das Leben St. Patricks ranken sich, wie es schon bei St. Bridgid zu beobachten gewesen ist, unzählige Legenden. Das fängt schon bei seinem Namen an, der angeblich nicht Patrick, sondern eher Patricius, also die lateinische Variante von Patrick, gewesen sei. Andere Quellen behaupten gar, sein Name sei Maewyn gewesen und er wurde als Heide in Wales geboren. Erst später trat er dem Christentum bei. Was ist nun wahr? Historisch verlässliche Berichte gibt es über St. Patrick nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass kurze Zeit vor St. Patrick ein gewisser Paladius von Irland angeblich ebenfalls sehr erfolgreich auf der Grünen Insel missionierte. Wer kann heute noch unterscheiden, wem von den beiden welche Taten zugeschrieben werden können? Es ist unmöglich. Dennoch versuche ich mein Bestes, einen kleinen Einblick in eine Version des Lebens von St. Patricks zu geben. Und wer weiß? Vielleicht hat es sich tatsächlich so zugetragen?
Die Geschichtsschreiber nennen das 5. Jahrhundert n. Chr., als im römischen Britannien – oder war es Schottland? - dem Beamten und späteren Diakon Calpurnius und dessen Gattin ein Kind geboren wurde. Wie hätte der Vater beim Anblick des kleinen zarten Winzlings, der gerade seine ersten Atemzüge in den Armen des Vaters erprobte, ahnen können, dass sein Sohn einmal der berühmteste Heilige Irlands werden würde? Das alles schien in weiter Ferne zu liegen und so verlief die Jugend des kleinen Patricks relativ unspektakulär. Er wuchs behütet auf dem Landgut seines Vaters auf und wurde im katholischen Glauben erzogen. Ob er den Hof übernehmen sollte? Ob er der Liebling seines Vaters war oder fürchtete er sich gar vor ihm? Ich weiß es nicht, aber ich stelle mir vor, dass der kleine Patrick ein ruhiges Dasein führte – zumindest bis zu jenem Tag, der sein Leben mit dunklen Wolken überschatten sollte. Vielleicht gab es Vorzeichen, vielleicht kam alles aber auch nur sehr überraschend, als plötzlich die Truppen des späteren irischen Königs Niall of the Nine Hostages in dem Örtchen Bannauem Taburniae einfielen. Sie trennten den gerade einmal 15-jährigen Patrick von seinen Eltern, seiner Heimat und seinen Freunden, um ihn in die Provinz Ulster nach Irland zu entführen - in ein fremdes Land und eine fremde Kultur. Dort musste Patrick hart als Sklave arbeiten. Der Überlieferung nach hütete er die Schafe des Stammesfürsten Micho. Ob er währenddessen an seine alte Heimat dachte? Oder sprach er gerade mit seinen vierbeinigen wiederkäuenden Gefährten, um sich die Zeit im irischen Regen zu vertreiben? Vielleicht träumte er während der Arbeit auch einfach vor sich hin oder genoss nur das saftige Grün der Landschaft, das lustige Geblöcke der Schafe, die ersten Gehversuche der wuscheligen Lämmer inmitten der sanft hügeligen Landschaft – immer auf der Hut vor den im Gestrüpp lauernden Gefahren ... Doch was immer es auch war, wurde plötzlich nichtig, als Patrick von einem seltsamen Wachtraum heimgesucht wurde. Eine Stimme eröffnet ihm, dass er nun nach sechs Jahren in der Fremde bald nach Hause zurückkehren könne. Ein Schiff warte auf ihn. Wenn er den Weg in seine Heimat gefunden habe, solle er jedoch hierher zurückkehren, um den Iren die frohe Botschaft der Bibel zu überbringen.
Und so flieht Patrick vom Fürsten Micho aus nach Süden und gelangt mit einem Schiff von Wexford nach England zurück. Genauso wie es prophezeit worden war. Zu Hause wird er, wie zuvor schon sein Großvater, die Priesterweihe empfangen. Wie mag er sich gefühlt haben. Stolz ob seines Auftrages und des Vertrauens, das Gott in ihn hat? Zweifelnd und grüblerisch? Unsicher, ob die Menschen ihm Glauben schenken würden? Oder voller Zuversicht auf Gott? Jedenfalls bereitete er sich gewissenhaft auf seine Aufgabe vor. Bevor er nämlich nach Irland zurückkehrte, lebte er zwölf Jahre als Mönch unter anderem in Auxerre an der Nordküste Galliens bis er erneut von einem Traum geleitet wurde: Ein Ire übergab ihm darin einen geheimnisvollen Brief mit der Bitte, auf die Grüne Insel zurückzukehren. Oder war es das irische Volk, das ihn zu sich rief?
Und so geschah es, dass St. Patrick, mittlerweile ein Bischof, wohl von Papst Coelestin I. persönlich zum Nachfolger des verstorbenen Palladius und somit zum zweiten Missionar in der Geschichte Irlands ernannt wurde, als er im Jahre 432 mit 24 Gefährten auf die Insel zurückkehrte. Seine Arbeit war trotz teils heftiger Widerstände aus den Reihen der Druiden sehr erfolgreich. Dies lässt sich anhand von der Geschichte der Vertreibung der Schlangen ableiten: Durch seine Predigten von der Insel vertrieben, wurden wohl seit dem Eingreifen St. Patricks keine dieser kriechenden Tiere jemals wieder gesichtet. Das letzte Wesen dieser Gattung habe der Heilige wohl persönlich in eine Kiste mit dem Versprechen gelockt, dass er sie morgen wieder heraus lasse. Auf die Fragen des eingesperrten Tieres, wann denn nun endlich morgen sei, antwortete er wohl stets: „Morgen“ und warf die Kiste schließlich ins Meer. Da es aber auf Irland wohl vermutlich noch nie Schlangen und giftige Wesen gegeben hat, ist diese Geschichte wohl ins Reich der Legenden einzuordnen. Wenn man sie aber mit dem Hintergrundwissen liest, dass die Schlangen die heiligen Tiere der Druiden waren, wird sie plötzlich zur Versinnbildlichung des Sieges St. Patricks über die alten heidnischen Glaubensvorstellungen.
Doch St. Patrick konnte nur so erfolgreich missionieren, weil er sich die Unterstützung des mächtigsten Mannes Irlands, Laoghaire, dem hohen König von Tara, zugesichert hatte. Das verständliche Ziel des Heiligen war es, das Wort Gottes relativ sicher und wenn möglich unverfolgt unter dem irischen Volk zu verbreiten.
Darum überlegte er als erstes, wie er die Aufmerksamkeit des Königs auf sich ziehen konnte. Das Datum dieses Vorhabens war wohl gewählt – der Tag des keltischen Festes Beltaine, welches den Beginn des Sommers und den Sieg über die dunklen Mächte markiert. Traditionell werden an diesem Tag viele Feuer angezündet, wobei es aber dem Privileg des Königs obliegt, sein Feuer als erstes zu entzünden. Von diesem wurden dann all die anderen entflammt. Soweit die Vorschriften, die eigentlich für alle gelten zu haben – eigentlich. St. Patrick setzte sich bewusst über diese Regel hinweg und zündete ruhig und bedächtig sein Feuer als erstes an – vor dem Feuer des Königs! Ein Skandal! Die ältesten der Druiden, die das ganze Fest überwachten, versuchten wohl verzweifelt das von St. Patrick zu früh entfachte Feuer auszulöschen – doch vergeblich. Fassungslos mussten sie ihrem König von dem Vorfall berichten. Sie fügten auch eine Warnung an, dass, wenn es dem König nicht gelinge, das Feuer einzudämmen, es wohl für ewig zu brennen scheint.
Laoghaire versuchte sein Bestes, doch auch er musste am Ende sein Versagen eingestehen. Dennoch betrachtete der Herrscher das freche Eingreifen St. Patricks als ungeheure Provokation und drohte sogar mit einer kriegerischen Auseinandersetzung! Doch der Heilige beschwichtigte den tobenden König. Er wolle keineswegs dessen Autorität in Frage stellen sondern lediglich das Wort Gottes friedlich unter der irischen Bevölkerung verbreiten. Dies sei seine einzige Absicht. Bevor der König dem Heiligen diese Bitte allerdings gewährte, verlangte er eine andere Demonstration der Macht St. Patricks: Schnee. Hier und auf der Stelle. Wer annähernd mit dem Wetter in Irland vertraut ist, wird begreifen, wie unbegreiflich das Wunder zu sein schien, was nun geschah: Nachdem der Bischof nachdrücklich betont hatte, dass nur und ausschließlich Gott diese Wunder vollbringt und nicht er, Patrick, begann es plötzlich weiße leichte Flocken zu schneien. Sie wirbelten lustig in der Luft herum und vollführten leichtfüßig tanzartige Bewegungen. Erst als Patrick sich für diese Leistung selber lobte, hörte das Schneetreiben auf. Da akzeptierte der König, dass die „Magie“ des christlichen Gottes bedeutend mächtiger war, als die seine und die der Druiden. Laoghaire erlaubte daraufhin dem eigenartigen Bischof, die Iren zum Christentum zu bekehren, auch wenn er selbst den neuen Glauben nicht annahm. Auch dann nicht, als St. Patrick ein zu seinen Füßen wachsendes dreiblättriges Kleeblatt zu Hilfe nahm, um die mit dem Verstand nicht vollständig erfassbare Trinität des christlichen Glaubens zu veranschaulichen: Alle drei Blätter des Kleeblattes entstammen aus dem selben Stil, aber dennoch befinden sie sich an unterschiedlichen Zweigchen. Genauso verhält es sich mit der Trinität von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist im Christentum. Sie sind alle eins und doch verschieden. Laoghaire zeigte sich von der Demonstration sichtlich beeindruckt, zumal die Zahl drei seit jeher schon eine große Bedeutung in seinem eigenen Glauben hatte. Dennoch blieb er bei seiner Entscheidung, nicht zu konvertieren. Das Symbol des dreiblättrigen Kleeblattes aber, des Shamrocks, sollte sich in der Folgezeit zu DEM Symbol Irlands entwickeln.
Doch nicht nur Shamrocks sind angeblich auf St. Patrick zurückzuführen. Auch die berühmten keltischen Kreuze. Die Legende besagt, dass der Heilige an einem heidnischen aufrecht stehenden Stein predigte, der bereits in eine Kreisform gehauen worden war – dem Symbol des Sonnen- oder Mondgottes. St. Patrick griff auf diese uralte Symbolik zurück: Er zeichnete wohl einfach ergänzend ein Kreuz in den Steinkreis hinein und segnete das Objekt. Durch diese Kombination aus heidnischen und christlichen Symbolen gelang es ihm, viele Anhänger des alten Glaubens für das Christentum zu begeistern und schließlich zu bekehren. So weit jedenfalls die Legenden.
Doch neben seiner erfolgreichen Missionierung, die vor allem auch auf eine kirchliche Liturgie und Lehre in der Landessprache Irisch zurückzuführen ist und sich in angeblichen 365 Kirchengründungen widerspiegelt, haben die Iren dem Heiligen vor allem auch ihre Bildung und die Bewahrung ihres Gedankengutes zu verdanken. Von nun an begannen sie nämlich erstmals ihre Geschichten niederzuschreiben.
St. Patrick starb schließlich nach einem bewegten und erfüllten Leben am 17. März 461 im hohen Alter von 76 Jahren. Seine Gebeine, so glaubt man, liegen in Downpatrick in Nordirland begraben. Doch vergessen hat man St. Patrick nie.