Abschied und Aufbruch
Abfahrt, Ankunft, Vorbereitungsseminar
Was war ich aufgeregt. Ein Jahr ins Ausland. Ein Jahr ist nicht lang, das wird schneller vergehen als dir lieb ist. Aber ein Jahr, das sind 365 Tage, Weihnachten, Ostern und nicht auszurechnen wie viele Geburtstage. „Das ist doch super ein Jahr Freiwilligendienst zu machen. Wohin geht’s denn?“ – „Nach Polen =)“ - Stille, das Lächeln wird kläglich. „Oh…hast du nichts Besseres gefunden, oder warum?“
Nein, so war es nicht! Sicher, ich hatte mich auch für einen Europäischen Freiwilligendienst (EFD/EVS) in den klassischen Urlaubsgebieten beworben. Aber, wollte ich nicht etwas Neues kennenlernen? Polen ist zwar „nur“ unser Nachbarland und doch habe ich den Eindruck, dass es den meisten Menschen, und mir bis dahin auch, weiter weg erscheint als Australien.
Vier Wochen vor Beginn meines Dienstes erhielt ich die Zusage. Doch ich hatte kaum Zeit mich darauf wirklich vorzubereiten, begleitete ich doch noch die kommenden zwei Wochen eine Sommerfreizeit nach Barcelona. Meine Vorbereitung für Polen beschränkte sich also auf die letzten anderthalb Wochen vor der Abreise. Ich habe Packlisten geschrieben, von denen mir schon beim Schreiben klar war, dass das alles niemals in meinen Koffer passen würde. Wie haben das nur all die Freiwilligen vor mir geschafft? Doch das härteste ist nicht das Kofferpacken, es ist das Abschiednehmen. War ich zu Beginn noch munter, stets daran denkend, dass mein Jahr endlich wahr werden würde, wurde mir mit jedem Abschied die Tragweite meiner Entscheidung bewusster. Eine letzte Verabschiedungsrunde von allen Nachbarn und eine letzte, äußerst lustige Autotour durch meinen Ort und es war im Grunde vorbei. Nie erschien mir der Ort schöner als im Moment meiner Abreise. Ich wollte weg, hätte aber am liebsten alle meine Leute mitgenommen.
Zunächst ging es nach Bautzen auf ein 5-tägiges binationales Vorbereitungsseminar. Ich mache zwar einen IJFD, aber der Freiwilligendienst beruht auf Gegenseitigkeit. Während (2!) Deutsche nach Polen gehen, gehen (5) Polen für dieselbe Zeit nach Deutschland. Im Abstand von zwei Monaten werden wir dann zusammen Seminare haben, uns austauschen können und unser Gastland, aber auch unser Heimatland aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Auf dem ersten Seminar lernten wir einiges über unseren Vertrag, die Versicherung, das Programm an sich und natürlich die Vorurteile. Ich weiß, dass das naiv ist, aber ich war doch überrascht, dass es über Deutschland genauso negative Vorurteile gibt, wie wir über Polen haben. Ich habe einfach nie darüber nachgedacht, wie uns „der Osten“ wohl betrachtet.
Und dann natürlich die Sprache. Ich fahre mit dem Ziel nach Polen, die Sprache zu lernen. Aber die kurzen sprachanimatorischen Spiele haben mir doch ein wenig den Mut genommen. Bei diesen Spielen geht es darum, sich mit der Fremdsprache vertraut zu machen. Jeder Spieler erhält ein Wort und wiederholt dieses in unterschiedlichen Arten, je nachdem welches Spiel gespielt wird. Die Worte stammen dabei aus einem gemeinsamen Kontext, z.B. Wald, Lob, Kritik, Weihnachten, Schule. Nur leider habe ich in der ersten Woche noch kein Wort aus diesen Spielen bei Gesprächen zwischen den Polen wiedererkannt. Es klang nur wie sch, tschtsch, krrr. Die andere Freiwillige und ich fragten uns, ob wir das jemals aussprechen werden können. Und einige Worte erschienen mehr Japanisch als Polnisch: „jakotako“. Auf jeden Fall wuchs die Anspannung immer mehr und so war ich fast froh, endlich aufbrechen zu dürfen ins nahe und doch so ferne Polen.