760 Jahre Svitavy
Nicht ein, nicht zwei, nicht drei, nein 760 Jahre ist mein jetziger Wohnort Svitavy letztes Jahr geworden. Was steckt alles in dieser geschichtsträchtigen Stadt. Lasst es uns herausfinden…
Svitavy, oder deutsch: Zwittau ist eine kleine Stadt mit rund 18.000 Einwohnern in der ostböhmischen Region des Landes Tschechien. Sie scheint zwar unscheinbar, doch es steckt mehr hinter diesem Ort, als man auf den ersten Blick vielleicht denken mag. Vor allem aber hat die Stadt eine lange deutsche Geschichte, weswegen es so interessant ist, sich mit ihr zu beschäftigen.
Svitavy wurde schon, laut verschiedenen Quellen, im 12. Jahrhundert gegründet. Das erste Mal offiziell in einem Dokument erwähnt wurde sie aber erst im 13. Jahrhundert, um genau zu sein im Jahre 1256. Zu dieser Zeit stand Svitavy unter der Herrschaft des Bischofs von Olmütz. Er war es auch, der die ersten deutschen Einwanderer in die Stadt einlud, die sich dann als Bauern, Handwerker oder Bergbauspezialisten nützlich machen sollten. Das Stadtzentrum bestand damals aus 83 bürgerlichen Häusern mit Brauchrecht. So entwickelte sich die Stadt langsam aber sicher weiter. Diese Entwicklung konnten auch die Hussitenkriege durch ihre kurzzeitige Zerstörung der Stadt nicht verhindern.
Ende des 15. Jahrhunderts begann Svitavy wirtschaftlich aufzublühen, vor allem die Textilindustrie einschließend Tuch – und Leinengewerbe wurden immer mehr von Bedeutung. Das „goldene Zeitalter“ der Stadt begann, endete aber auch relativ schnell wieder, als der Dreißigjährige Krieg begann. Auch darunter litt Svitavy und dessen Umgebung sehr. Lange danach hörte man von der Stadt nichts mehr. Sie brauchte eine Zeit lang, um sich von den Rückschlägen zu erholen. 1781 kam es schließlich auch noch zu einem Stadtbrand, der viele materielle Opfer forderte. Zwei Jahrzehnte lang dauerte der Wiederaufbau, welcher aber einen Vorteil hatte: Die Händler der Stadt legten unbewusst die Basis für Svitavys späteres Wirtschaftsglück, die Baumwollindustrie. Durch den großen Brand waren nämlich sämtliche Güter des bisherigen Textilgeschäftes ausgelöscht und somit stiegen die Händler auf Baumwolle um. Ihren Höhepunkt fand die Textilindustrie im Jahre 1845. In dieser Zeit fingen allerdings die Fabriken an sich zu etablieren, so dass die Handweberei bald ein Ende fand. Die Textilverarbeitung war aber weiterhin ein großer Erfolg. Ab 1848 stand die Stadt Svitavy nicht mehr länger unter der Herrschaft des Bischofs von Olmütz und so entstanden die ersten politischen Parteien und Kommunalwahlen fanden statt.
Weiterhin bestand die Stadt größtenteils aus Deutschen, so dass sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts immer mehr Spannungen zwischen den Kulturen aufbauten. 1930 hatte Svitavy eine Einwohnerzahl von 9471, von denen 98,7% deutscher und 1,3% tschechischer Nationalität waren.
Durch die Beneš-Dekrete kam es ab 1945 zu den Aussiedlungen der deutschen Gesellschaft aus Svitavy. Relativ schnell zogen tschechische Familien in die Stadt, so dass heutzutage fast ausschließlich Tschechen hier wohnen. Und trotzdem kann man noch heute in verschiedenen Situationen die deutsche Geschichte wiedererkennen. Ob es auf dem Friedhof mit all den deutschen Gräbern ist, die Erkenntnis, dass es nicht selten in der Stadt Übersetzungen vom tschechischen ins deutsche gibt oder der Realisierung, dass noch relativ viele Tschechen hier deutsch sprechen können. Doch da kommt man auch schon schnell zum Ende seiner Aufzählung. Denn die deutsche Geschichte und den Einfluss der Deutschen sieht man noch an der einen oder anderen Stelle, doch die tschechische Jugend von heute lässt nur noch selten Interesse an dieser Thematik aufblitzen. Dies hat mir eines der Gymnasien hier gezeigt. Von dem gesamten Abiturjahrgang machen zwei Schüler ihr Abitur in Deutsch und der Wahlpflichtkurs des Faches Deutsch ist mit 18 Schülern das Höchste, was der 8. Jahrgang zu bieten hat. Dem stehe ich jedoch mit vollkommener Neutralität gegenüber und hoffe einfach nur, dass die deutsche Geschichte nicht vollends aus den Köpfen der Menschen hier verschwindet, da sie (leider) oft als gutes Mittel zur Achtsamkeit dient.
Letztes Jahr im Dezember gab es jedenfalls ein großes Stadtfest, bei dem die 760 Jahre gebührend gefeiert wurden. Auch ich war mit dabei und man hätte so einen großen Aufwand und die detaillierte Organisation für das Fest dieser kleinen Stadt gar nicht zugetraut. Somit sage ich nur: auf die nächsten 760 Jahre!
Quellen:
http://www.zwittau.de/
http://www.ostboehmen.info/svitavy/
https://de.wikipedia.org/wiki/Svitavy
http://m.de.svitavy.cz/geschichte/