14. Platz: Liebe überwindet Grenzen
"Wer hätte gedacht, dass eine Reise in ein kleines Land in Osteuropa der Wendepunkt meines Lebens sein würde?" Eine Mädchen trifft in Rumänien eine Liebe, die ihr Leben grundlegend verändert.
Wer hätte gedacht, dass eine Reise in ein kleines Land in Osteuropa der Wendepunkt meines Lebens sein würde?
27. Dezember 2005
Gerade einmal 16 Jahre bin ich alt. Es ist kurz nach Weihnachten, als ich in den Zug steige der mich nach Rumänien, genauer gesagt nach Transsilvanien, in das Land Draculas, bringen soll.
Zu diesem Zeitpunkt weiß ich nicht viel über dieses Land. Mein Ziel ist ein kleines Dorf in den Karpaten, wo ich ein 1-monatiges Sozialpraktikum in einem Waisenhaus machen will. In dieser Zeit werde ich bei einer rumänischen Familie wohnen. Ich spreche kein Wort rumänisch aber bin sehr gespannt und voller Vorfreude auf das unbekannte Land und seine Menschen.
29. Dezember, 21:00 Uhr
Nach fast zwei Tagen Fahrt komme ich spät am Abend im tief verschneiten Siebenbürgen an. Ich bin sehr aufgeregt. Der Vater und die beiden jüngsten Töchter der Familie holen mich vom Bahnhof ab. „Welcome to Romania!“ steht auf dem Schild, dass sie in den Händen halten.
In einem uralten, klapprigen Auto geht es zum Haus der Familie. Aus dem Radio schallt die typisch rumänische Zigeunermusik. Sie klingt ziemlich fremd für mich und vielleicht auch ein bisschen schnulzig aber irgendwie gefällt sie mir, denn sie verbreitet eine lockere Stimmung.
Endlich kommen wir in dem kleinen Dörfchen an. Im Haus der Familie werde ich von der Mutter und sieben weiteren Geschwistern sehr herzlich begrüßt. Ich kann mir keinen einzigen ihrer Namen merken, vielleicht bin ich auch zu aufgeregt in diesem Moment. Leider sprechen die Eltern nur rumänisch, doch einige der Kinder können etwas Englisch. Die Mutter und Georgeta, eine der Töchter, zeigen mir nach dem Essen das Haus und mein Zimmer. Erst jetzt merke ich, in welch bescheidenen Zuständen die Familie lebt. Das Haus hat nur vier Zimmer und die ganze Familie drängt sich zusammen während ich ein ganzes Zimmer für mich allein habe!
30. Dezember, 10:00 Uhr
Als ich am nächsten Morgen aufwache, höre ich wieder diese Musik, die erst gestern Abend im Auto gespielt wurde. In der Küche sitzt schon die ganze Familie vor dem Fernseher und wartet auf mich. Der jüngste Spross tanzt zur Musik, doch als ich hereinkomme rennt er auf mich zu und umarmt mich. Ja, ich bin wirklich froh, dass ich in so eine herzliche Familie gekommen bin!
14:30 Uhr
Zum ersten Mal sehe ich das Dorf bei Tageslicht. Georgeta führt mich durch die Straßen des 100-Seelen-Ortes. Und es ist, als ob ich in einer ganz anderen Welt angekommen wäre! Die Häuser sind alle bunt angemalt und einstöckig, auf den Straßen spielen Kinder im Schnee, Hühner laufen frei herum und alte Leute stehen am Brunnen in der Dorfmitte und unterhalten sich. Man sieht keine Autos, nur Pferdekutschen. Das alles macht auf mich einen sehr friedlichen Eindruck, so in etwa stelle ich mir das Landleben vor wie es in Deutschland vor 100 Jahren war. Bin ich wirklich in Europa???
Viele Leute schauen mich neugierig an. Hier auf dem Dorf, wo jeder jeden kennt, fällt es sofort auf wenn eine fremde Person kommt. Ich grüße jeden freundlich mit „buna ziua“, was „guten Tag“ heißt, wie ich inzwischen gelernt habe. Die Leute grüßen zurück, einige laden uns auch zu sich nach Hause ein und zeigen mir stolz ihren Hof und ihr Haus. Ich bin ganz erstaunt über so viel Gastfreundschaft, aber ich sehe auch, dass die Leute hier in sehr ärmlichen Verhältnissen leben. Und trotzdem sehen sie alle irgendwie so gelassen und glücklich aus, lächeln viel mehr als ich es von den Leuten aus Deutschland kenne.
Dann kommen wir zu einem großen Haus, vor dem zwei geschmückte Tannenbäume aufgestellt sind. Von drinnen höre ich wieder diese Musik, die mir inzwischen schon so vertraut vorkommt.
Georgeta führt mich ins Wohnzimmer, wo etwa zehn junge Männer sitzen, die in der traditionellen rumänischen Tracht gekleidet sind. Sie hören Musik, trinken Glühwein und spielen Karten.
Als ich hereinkomme, drehen sich alle zu uns um. Georgeta stellt mich reihum jedem einzelnen vor. Es ist eine sehr lockere Atmosphäre. Einer der jungen Männer spricht recht gut Englisch und bietet mir ein Glas Glühwein an. Wir unterhalten uns eine Weile. Ich erfahre, dass er Radu heißt und zwanzig Jahre alt ist. Er erzählt mir ein bisschen über die rumänischen Traditionen. „Vielleicht hast du heute Abend Zeit“, sagt Radu. „Es findet nämlich ein Ball für das ganze Dorf statt. Aber vorher ziehen wir Jungs durchs Dorf und holen unsere Tanzpartnerinnen ab“. Dann plötzlich fragt er mich etwas, womit ich überhaupt nicht gerechnet habe: „Möchtest du heute abend meine Tanzpartnerin sein?“
„Aber ich kann doch eure Tänze gar nicht!“ entgegne ich, völlig erstaunt über diese Frage. Er versichert mir, dass diese überhaupt nicht schwer seien. Irgendwann lasse ich mich überreden. Ich weiß selbst gar nicht, worauf ich mich eingelassen habe...
19:00 Uhr
Ich wäre gerne noch länger im Haus der Jungs geblieben um mich mit Radu zu unterhalten, aber es ist schon spät und ich muss zum Abendessen zu meiner Familie. Beim Essen erzähle ich ihnen, dass ich zum Tanz eingeladen wurde. Zuerst schauen sie mich ungläubig an doch dann ruft mich die Mutter ins Nebenzimmer. Sie hält mir einen Rock und eine kunstvoll bestickte Bluse entgegen Erst jetzt begreife ich, dass auch ich die rumänische Tracht tragen soll. Sie sieht für mich etwas seltsam aus aber ich kann jetzt wohl schlecht widersprechen. Das „Kostüm“ passt wie angegossen, doch ich mache mir Sorgen, dass es viel zu kalt ist, um damit nach draußen zu gehen. Doch eigentlich ist gar keine Zeit mehr um mir noch Gedanken zu machen, denn schon höre ich altbekannte Klänge vor dem Haus. Begleitet von Saxofon und Trommeln kommen die Jungs herein. Sie alle tragen jetzt auch Hüte die mit Pfauenfedern geschmückt sind. Ich erkenne Radu erst, als er auf mich zukommt, mir die Hand reicht und mich nach draußen geleitet. Einige Mädchen, ebenfalls in Trachten, warten schon vor dem Haus. In einem langen Zug, immer ein Junge und ein Mädchen zusammen, geht es nun von der Musik begleitet zum prächtig geschmückten Dorfsaal.
Dort wartet schon eine Live-Band. Das ganze Dorf ist versammelt. Die meisten sitzen auf Bänken an der Wand und schauen zu, wie wir nun in den Saal einmarschieren. Dann stellen wir uns in einem Kreis auf und schon fängt die Musik an, in voller Lautstärke zu spielen. Und es ist „meine“ Musik, diese für unsere Ohren etwas unrhytmisch erscheinenden Klänge, die ich inzwischen liebe. Und man kann wunderbar tanzen zu dieser Musik! Ich keine zwar keine Ahnung von den Tanzschritten, aber lasse ich mich einfach führen. Radu ist ein sehr professioneller Tänzer und er hilft mir, in den Rhythmus reinzukommen. Es sieht bei mir anfangs sicher etwas verkrampft aus aber irgendwann ist es mir auch egal. Ich fühle mich einfach glücklich, ja als ein Teil dieser Kultur und ich bin sehr stolz dass ich, eine völlig „Fremde“, so schnell in die Dorfgemeinschaft aufgenommen und integriert wurde. Nach dem Tanz klatschen die Leute und ich habe das Gefühl, dass alle Augen auf mich gerichtet sind. Zuerst glaube ich, dass ich mich bestimmt blamiert habe, aber einige der Jugendlichen geben mir zu verstehen, dass es gar nicht schlecht war.
Jetzt ist der Tanz für alle eröffnet aber ich habe nur noch Augen für Radu, mit ihm ist alles so einfach und schön!
02:00 Uhr
Der Ball ist zu Ende und ich bin müde, aber zufrieden. Radu und ich haben getanzt bis wir beide kaum noch konnten und inzwischen fühle ich mich bei den Tänzen sehr sicher. Einige Leute haben mich sogar für eine Rumänin gehalten, was mich besonders stolz macht.
Radu begleitet mich nach Hause. Nur der Mond beleuchtet den Weg und auf einmal ist es angenehm still um uns. Wir halten uns in den Armen und ich wünsche mir, nie mehr von diesem Ort weggehen zu müssen. Ich will gar nicht daran denken, dass ich in einigen Wochen schon wieder abfahren muss.
Auch wenn ich es mir noch nicht eingestehen mag, ich habe mein Herz an Rumänien verloren, und ganz besonders an eine Person...
Mai 2009
Über drei Jahre sind vergangen seit ich das erste Mal in Rumänien war. Ich bin immer noch genauso verliebt in das Land und seine Menschen und inzwischen spreche ich fließend rumänisch. Immer wenn ich zurück fahre in das kleine Dorf, ist es, als ob ich zuhause ankomme. Die Leute kennen mich alle und erwarten mich schon.
Radu hat seine Familie verlassen und ist zu mir nach Deutschland gezogen. Es gefällt ihm hier, aber jede Ferien fahren wir nach Rumänien, um seine Familie und meine ehemalige Gastfamilie zu besuchen. Wenn ich mein Studium beendet habe, will ich mit ihm für immer nach Rumänien ziehen...
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