Zwischen Filmen, Stars und Sandwiches
Schon seit einiger Zeit wollte Maxim einmal an einem Filmfestival teilnehmen. Da muss man halt erst ein Freiwilligenjahr bei der Barnimer Alternative im brandenburgischen Strausberg machen. Und als Mit-Organisator eines Kinderfilmfestivals geht es dann zu den nordischen Filmtagen in Lübeck.
Ich habe einmal eine Dokumentation über die Berlinale gesehen. Gebannt saß ich vor dem Fernsehschirm und beobachtete die seltsame Gestalten der Filmbranche. Faszinierend, dachte ich mir, wie gestresst sie alle scheinen, „Sehen und gesehen werden“. Irgendwann kam das Bild einer jungen Frau, durch ihre Nervosität als Zivilistin zu erkennen. Sie berichtete wie aufregend es sei, von Film zu Film zu hetzten, höchstens mal eine Kaffeepause zwischendurch und mal eben einen Blick auf diesen oder jenen Star zu werden.
Irgendwie kam da in mir der Wunsch auf, auch mal auf so ein Filmfestival zu gehen. Ich kam natürlich nie dazu. Da muss man halt erst ein Freiwilligenjahr machen, Veranstaltungsorganisation, Projektmanagement und Öffentlichkeitsarbeit bei der Barnimer Alternative. Und da man ein Kinderfilmfestival plant, kann man ja auch mal eben als Fachbesuche zu den nordischen Filmtagen, oder? Klar, sagte ich. Aurélie sagte auch klar und schon ging´s auf nach Lübeck.
Wir konnten leider nicht pünktlich zur Eröffnung, weil am Projektplatz die Pflicht rief. Kein Problem, in unserem Gepäck fand sich sowieso keine feine Abendgarderobe. Einen Tag nach der Eröffnung also kamen wir an und sahen, dass wir noch einen Stunde bis zum nächsten Film hatten. „Gehen wir also noch ´n Kaffee trinken“, sagte jemand und schon saßen wir beim Cappucino und stellten fest wie teuer Westdeutschland ist, und waren schon gespannt auf das Programm.
Danach ging es schlendernd durch Lübecks wunderschöne backsteinfarbene Altstadt und ich frage mich, wo denn das Holstentor sei. Vor der Kinokasse erfuhren wir, dass keine Karten mehr für den laufenden Film zu vergeben waren... und schon hatte der Festivalzirkus in seinem Griff. Nach dem Erhalten unserer Fachbesucher-Ausweise wurde uns mitgeteilt, dass die Freikarten schon eine halbe Stunde vor Filmanfang am jeweiligen Kinoeingang erhältlich seien; jedoch nur in begrenzter Stückzahl. Gut zu wissen, dachte ich und nahm den Rest des Fachbesucher-Empfangpaketes entgegen: Spielplan, Filmtage-Zeitunge, Fachbesucher-Liste und eine zweihundert Seiten dicke Broschüre zu den Filmen.
Hatte ich mein Namensschild erst an meiner Brust befestigt, ließ die Wirkung nicht lange auf sich warten. Sofort war ich erfüllt vom Stolz ein „Fachbesucher“ sein zu dürfen, ich war bereit, mir neu erschienene Filme in Massen rein zu ziehen. Mit zu viel neuer Zeit im Gepäck entschlossen wir uns, erstmals ins Gasthaus zu gehen und siehe da, mit der Zeit stellte sich raus, dass das besagte Gasthaus die Adresse für Fachbesucher war. Wie auch wir drei waren alle eingeladen an der Kinder- und Jugendfilmjury teilzunehmen.
Mit solcher Verantwortung auf den Schultern hatten wir natürlich soviel wie möglich vom Kinder- und Jugendprogramm zu begutachten. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich nur drei der neun Filme, die ich im Zeitraum der zweieinhalb Tage sah, zu jenem Sortiment gehörten. Ich bekenne mich schuldig, nachlässig mit meiner Verantwortung umgegangen zu sein, aber es war dieser Sog, dieses Flair, diese unglaubliche Auswahl... und die Möglichkeit auch für Erwachsene anspruchsvolle Filme zu sehen.
Und so gestaltete ich mir mein kleines Programm, partizipierte an der Filmfestgesellschaft, ertrug die chaotischen Momente zwischen den Vorstellungen, ernährte mich von Kaffee, Fastfood-Sandwiches und dem nahezu traditionellen Bier bei der letzten Vorstellung und verstand schon nach kurzer Zeit, was die Frau in dem Dokumentarfilm zur Berlinale gemeint hatte. Ehrlich gesagt würde ich so etwas nicht ständig machen wollen, ihren Reiz hatte die Sache allerdings. Zu guter letzte habe ich dann auch das Holstentor gesehen, zwar nur für eine Minute, aber gesehen ist gesehen.