Zuhause in den Niederlanden
Wie ich hinaus ging in die Ferne um ein Zuhause zu finden und mich selbst zu entdecken.
Ich bin zurück- Zuhause in dem Ort in der Nähe von Berlin in dem alles so scheint wie immer. Als wäre ich nie weggewesen, als wäre die Zeit ein bisschen stillgestanden während ich in der Ferne im Laufschritt neue Erfahrungen gesammelt habe.
Zugegeben die Niederlande sind nicht die wirklich weite Ferne von dem so mancher Abiturient so sehnsüchtig träumt- aber das ist auch gut so. Denn die Niederlande waren für mich von Anfang an kein Ausland, nicht fremd- sie waren mein Zuhause oder auf Niederländisch: thuis. Und dieses Zuhause-, mit meiner Arbeit, der niederländischen Kultur und meinen fantastischen Mitbewohnern hat mich verändert.
Ich habe gelernt mit schwer geistig Behinderten umzugehen, die das mentale Alter eines Säuglings besitzen. Ich habe erkannt, dass man wenn Klienten nicht sprechen können, man ihre Bedürfnisse so gut wie möglich von den Gesichtern ablesen muss. Ich habe gelernt das Geduld eine der wichtigsten Tugenden in der Pflege von diesen Menschen ist- und dass man auch wenn die Geduld eigentlich aufgebraucht ist, dennoch lieb und freundlich bleiben kann. Ich habe erkannt das es unglaublich entspannend sein kann 3 Wäschekörbe pro Tag zu falten und das Windeln wechseln nach einer Weile genauso einfach ist wie die Spülmaschine einzuräumen. Ich weiß nun, dass Ignoranz manchmal sehr hilfreich ist- vor allem wenn man in einem Schwimmbad mit Klienten schwimmt die keinerlei Kontrolle über ihren Körper haben und im Wasser auch keine Windel tragen. Ich habe gelernt zu arbeiten ohne Dank zuhören, und mich dafür umso mehr über jedes Dankeschön zu freuen- weil ich weiß das es freiwillig aus tiefen Herzen kommt.
Mein Jahr in den Niederlanden hat mir gezeigt, dass ich so ziemlich der undirektes Mensch auf der ganzen Welt bin- dass ich aber an mir arbeiten werde. Ich habe erkannt, dass das Fahrrad tatsächlich das schönste Transportmittel ist- ganz besonders morgens um sechs auf der mit Tau bedeckten Heide auf dem 20 km langen Weg zur Arbeit. Ich habe das endlose Warten auf den gerade verpassten Bus zu schätzen gelernt- und das WLAN in den Zügen, Bussen und im Bahnhof. Ich habe mich getraut Mitglied in zwei niederländischen Orchestern zu werden und dabei herausgefunden, dass das deutsche B dem niederländischen Bes entspricht. Ich habe die Einfachheit des Kontaktlosem Bezahlens mit der EC Karte lieben gelernt und erfahren wie man mit relativ wenig Taschengeld gut über die Runden kommt und davon auch noch Reisen finanzieren kann. Ich habe über 50 Niederländische Städte und Orte entdeckt (ja es gibt tatsächlich so viele Städte in den Niederlanden, auch wenn es nur sehr klein ist). Ich habe das Niederländische inklusive der Grammatik erlernt und den abschließenden Sprachtest mit C2 bestanden. Ich wurde gefragt ob es nicht schwierig sei in Deutschland zu studieren, weil dann müsste man ja Deutsch beherrschen. Ich wurde für eine Niederländerin gehalten und musste mich als Deutsche zu erkennen geben.
Die Niederlande und meine Arbeit haben dieses Jahr zu etwas Besonderem gemacht. Doch was diese Zeit zur besten Zeit meines Lebens gemacht hat, waren meine Mitfreiwilligen und meine Mitbewohner. Sie haben mir zur Seite gestanden, wenn ich sie gebraucht habe und alle meine kleinen und großen Macken ertragen. Durch sie habe ich gelernt, dass man nicht immer nur die Beste sein kann- es reicht einfach gut zu sein. Ich habe gelernt, dass Rücksicht auf den anderen automatisch auch Rücksicht des anderen mit sich bringt. Ich habe gelernt, dass eine Toilette auch zu sechst machbar ist- sogar mit Sudoku Rätseln auf dem stillen Örtchen. Ich habe gelernt, dass man nur tiefe Freundschaften haben kann, wenn man sich komplett öffnet. Ich habe andere Meinungen schätzen gelernt- auch wenn sie meinem Weltbild widersprechen. Ich habe gelernt, das ich nicht immer richtig bin, ich dafür aber umso mehr lernen kann.
Ich habe mich verändert in diesem Jahr und vor allem habe ich jede einzelne Sekunde dieser Veränderung genossen und ich denke das ist das Wichtigste!