Zermürbungstaktik am Taxistand
In Litauen Taxi fahren lehrt Demut. benny_the_cop hat sich der Läuterung unterzogen.
Es gibt ja vielerlei Menschen auf diesem Planeten und nicht mit allen ist gut Kirschen essen. Soweit nichts Neues. Ein besonderes Völkchen sind die litauischen Taxifahrer, die hier genauere Erwähnung finden sollen. Ich kenne nämlich keine Branche, in der so viele Menschen ihren Beruf verfehlt haben wie die litauische Taxibranche. Da ist quasi jeder einzelne eine Fehlbesetzung.
In Litauen ein Taxi zu nehmen, bedeutet, gerade als Ausländer, Buße zu tun. Wer Service gewohnt ist, lernt Demut kennen. Litauische Taxifahrer lassen einen betteln und im Rinnstein tanzen, bis man mitfahren darf. Erst wenn man einer Pauschalgebühr zustimmt, mit der man normalerweise dreimal durch die ganze Stadt gelangen würde, lassen sie einen einsteigen. Während der Fahrt geben sie einem unaufhaltsam pantomimisch zu verstehen, wie sie es finden, dass gerade ein Fremder, ein Eindringling, in ihrem Wagen sitzt. Am Ende lassen sie einen dafür bezahlen und werfen einen hinaus. Und wehe, man hat's nicht passend. Wer mal wieder richtig einen auf den Deckel braucht, sollte in Litauen Taxi fahren.
Denn litauischen Taxifahrern fehlt es grundsätzlich an allem, was ihren Beruf eigentlich ausmacht. Die Merkmale, die einen guten Taxifahrer qualifizieren, sind ja schnell genannt: Führerschein, Orientierungsvermögen, Erfahrung im Small-Talk, Sitzfleisch. Oder, wenn das alles nicht vorhanden ist, zumindest ein abgeschlossenes geisteswissenschaftliches Studium. Alle anderen Bewerber sollten übrigens keine Alkoholiker sein und auch nicht im Fahrzeug rauchen.
Um ein guter Taxifahrer zu werden, braucht es also nicht viel. Wie das nun in Litauen genau ist, weiß ich nicht, aber ich habe das Gefühl, die Bewerbungen laufen dort ein wenig anders. Wahrscheinlich werden Taxifahrer dort gemeinsam mit Türstehern und Gefängniswärtern augebildet. Am Schluss stellen sie alle in eine Reihe und nehmen den, der am grimmigsten dreinschaut. Denn jeder Fahrgast ist entweder ein potentieller Zechpreller oder ein Serienmörder.
Man kann in Litauen tatsächlich eine Viertelstunde lang mit Gepäck im Schneesturm vor einer Kolonne von Taxis patroullieren und um Mitfahrt bitten - und keiner öffnet die Tür! Irgendwann, wenn man längst durchfroren und durchnässt ist und eigentlich nur noch auf ein Wunder hofft, kommt einer und ist bereit für eine Fahrt. Für 10 Litas Pauschale wohlgemerkt. Zermürbungstaktik am Taxistand.
Ganz schlimm ist es, wenn man eine Quittung haben möchte. Dann zahlt man von vornherein drauf. Und den Beleg gibt's nachher auch nicht immer. Ein Fahrer packte, am Fahrtziel angekommen, vor unseren Augen einen Notizblock aus, schnitt mit einer kleinen Nagelschere ein Viereck aus dem Papier und kritzelte eine große Zahl darauf und eine unleserliche Unterschrift. Und wurde sehr ungehalten, als wir seinen Beleg nicht annehmen wollten.
Mal ehrlich - wenn ein Terror-Netzwerk der Bekämpfung bedarf, dann ist es die litauische Taxi-Gilde.
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