Zeit für den ersten Bericht
Von großen Jungs, Marit Björgen, billiger Elektrizität, offenen Klos und Rollskiblasen. Seit mittlerweile gut einem Monat befinde ich mich nun schon in Norwegen, aber erst seit gut drei Wochen in Oslo.
Am 3. August bin ich in Gardermoen gelandet und ich hatte nicht einmal einen Tag in Oslo, dann ging es schon auf eine große Reise bis ins Vestlandet. Zuallererst war ich aber in Sjusjöen, wo mein Chef Per und ich das Aapen Juniorlandslagssamling (Öffentliches Jugendgemeinschaftstraining) beaufsichtigt haben. Da habe ich schon hunderte neue Menschen getroffen und es war sehr lustig, ich habe ja auch mit Per und zwei jüngeren Trainern in einer Hüttenhälfte gewohnt. Große Jungs... Lars Christian und Björnar. Nachts um drei wunderte ich mich darüber, dass im Flur und Bad das Licht brannte, es aber mucksmäuschenstill im Haus war... Das wird meist damit begründet, dass der Strom in Norwegen eines der wenigen billigen Dinge ist, okay. Aber dass viele den Klodeckel (auch gerne die Brille dazu) offen stehen lassen, ist manchmal etwas, sagen wir, geruchsintensiv.
Danach haben Per und ich den freien Tag genutzt, um eine fjelltur (Bergtour) auf den Högronden im Nationalpark Rondane zu machen. 10h, aber es war wirklich schön, Superwetter. Anschließend sind wir nach Aure weitergefahren, denn dort und in Kristiansund sollte in den nächsten Tagen neben dem FIS-Rollskiweltcup die sogenannte Toppidrettsveka (Topathletenwoche) stattfinden. Per war bei letzterer Jurymitglied und ich habe ihm assistiert. Im Vorfeld wurde ich abermals mit einer Menge Leute bekanntgemacht. Der Satz "Du maa hilse ogsaa paa..." (Du musst auch...begrüßen) wurde mein ganz persönlicher Ohrwurm. Ich bin ja eher nicht so, dass ich zu bekannten Leuten hingehe, um zu fragen, ob ich ein Autogramm oder Foto bekommen kann, aber Per (der sich um alles und jeden kümmert) liebte es, seine ehemaligen Schützlinge Marit Björgen, Öystein "Pölsa" Pettersen (Pölsa bedeutet Die Wurst, so wurde er von einem Kameraden genannt, als er einen neuen Laufanzug probierte und wohl nicht sehr vorteilhaft aussah...) oder Thomas Alsgaard heranzuzerren und ein Bild mit mir zu machen... Nur Petter Northug war zu beschäftigt, für mich völlig in Ordnung, für Per so lala, hatte er Petter doch als Junioren mittrainiert. Ich habe aber auch die Bekanntschaft von einigen anderen Leuten aus dem Skiverband (Norges Skiforbund NSF) gemacht oder die für ihn arbeiten, wie z.Bsp. Benthe Asp vom Langlaufkomitee aus Steinkjer, immer guter Laune, schade, dass sie so weit weg von Oslo wohnt. Oder Martins Niklass, TD (technical delegate) aus Lettland für den Rollskiweltcup, der mit unermüdlicher Geduld dem südländischen Temperament des türkischen Mannschaftsführers begegnete. Auf dem Rückweg nach Oslo haben wir dann ein Mädchen vom deutschen Rollskiteam mitgenommen, die auch aus Dresden wie ich kommt und, wie sich später herausstellte, deren Mutter eine Freundin meiner Tante ist - so klein ist die Welt.
Zurück in Oslo hatte ich schon ein bisschen Bammel vor dem Alltag. Aber auf irgendeine Weise hatte mir das Reisen gut getan. Hatte ich anfangs noch mit meiner Nervösität, Heimweh und diversen körperlichen Reaktionen zu kämpfen, habe ich das alles irgendwie auf die Reihe bekommen und bin jeden Tag frohgemut zur Arbeit. Zuerst aber habe ich meine Gastschwester Erica, meinen Gastvater Christian und Gastbruder Christian jr. (ist schon ausgezogen) kennen gelernt. Meine Gastmutter Midori (sie ist Japanerin) kannte ich schon von meiner Ankunft und Kurzaufenthalt in Oslo zu Beginn.
Ich arbeite im sogenannten Idrettens Hus (Haus des Sportes) direkt am Ullevaal Stadion, dem norwegischen Nationalstadion und Heimstadion des Fußballvereins Vaalerenga. Vom Treppenhaus und natürlich den Räumlichkeiten des Norwegischen Fußballverbandes aus kann man direkt ins Stadion sehen. Ich wohne auch nur 2km weg vom Stadion, das konnte man dann auch hören, sei es beim A-ha-Konzert oder gestern beim Länderspiel Norwegen gegen Portugal (und Portugal hat verloren...meine Lieblingsmannschaft schon seit Kindertagen, beklager...). Meine Kollegen sind sehr nett. John-OLav (bitte Juhn aussprechen) ist etwas speziell, man hört ihn schon von weitem, er liebt die Frauen und deswegen bin ich ganz froh, dass ich nicht alles verstehe, was er sagt. Gestern und heute war er aber nicht im Büro und es war gleich merkwürdig still. Per ist ein absoluter Workaholic, mit 60 noch sehr fit, um alles und jeden bekümmert, das beschreibt ihn wohl am besten. Mal so zum Alter im Büro, von 25 aufwärts ist so alles da. Ich drücke da ein bisschen den Altersdurchschnitt... Per passt auch auf, dass ich regelmäßig auf Rollskiern trainiere, was ich in Sjusjöen das erste Mal gemacht habe, aber weil ich meine Hände die ersten Male nicht genug geschützt habe, bekomme ich regelmäßig Blasen an den Fingern, zusammen mit den Blasen von der Bergtour bin ich Weltmeister im Blasenausstechen und Eiterausquetschen.
Was meine Arbeit betrifft, so ist sie natürlich am schönsten, wenn es wirklich handfeste Arbeit ist, wie in Aure, zu schauen, ob alle die klassische Technik benutzen und keiner die Skatingvariante (da mussten einige disqualifiziert werden) oder die Zeiten beim Sprintprolog aufschreiben und Gruppen danach einteilen, usw. Zurück in Oslo ist es aber meist Büroarbeit und somit Vorbereitung für die Skisaison 2010/2011. Schauen, wer ist (neu) in der Nationalmannschaft, Trainer, etc. für das neue Adressbuch. Vor allem auch in das PC-System einarbeiten, Websiten korrigieren, Artikel schreiben, Athleten bei FIS anmelden, Anmeldeformulare abheften, zum Verlag gehen, Telefonate, Meetings, Seminare und und und.
Was meine Freizeit betrifft, so habe ich mir das Historische Museum an einem absoluten Regentag zu Gemüte geführt und bin besonders an der Runen-Sonderausstellung hängen geblieben, sodass der Wächter mich dann fragte, ob es denn wirklich so interessant sei (es war nämlich die kleinste Ausstellung im gesamten Museum) und ich war mit Per im Wikingerschiff- und Frammuseum auf der Museumshalbinsel Bygdöy. Ich habe aber auch eine Sonntagstour zum Ullevaalseter (Gasthaus) unternommen oder den Tag der Offenen Tür an der Osloer Oper genutzt. Donnerstagmorgen gehe ich ja außerdem immer eine Runde Joggen um den Binnensee Sognsvann, von dem ich nicht weit wegwohne und es ist echt schön dort, ich war auch schon zwei Mal baden. Ansonsten habe ich mich vorige Woche bei der Klettergruppe des Osloer Studentensportvereins angemeldet, um in Kontakt mit (ungefähr) Gleichaltrigen zu kommen. Morgen werde ich mich wieder dahinwagen. Gestern bin ich auch zwei Mal absichtlich im Vorstieg gefallen, um mir zu versichern, dass es nicht der Weltuntergang ist.
Sprachlich gesehen habe ich überhaupt keine Probleme. Ab und zu muss Englisch oder Deutsch aushelfen, aber eigentlich spreche ich hier nur Norwegisch (3 Semestern an der Volkshochschule Dresden, sowie einer tollen Truppe dort sei Dank). Beim Klettertraining sind oft ausländische Studenten mit dabei, da kommt dann auch schon mal Englisch oder Französisch zum Einsatz.
So, bestimmt könnte ich noch viel mehr erzählen, aber das würde zu ermüdend sein (und liegt sicher auch daran, dass ich auf meinem Blog etwas mehr aktiv bin für die ganze Verwandtschaft).
Ab nächster Woche wird es auf jeden Fall ziemlich stressig: Dienstag Klettern, Mittwoch Selbstverteidigungskurs, Donnerstag Klettern, Freitag bis Sonntag großes Veranstalterseminar in Lilleström und dann geht's auch schon zum Ankunftsseminar nach Selbu bei Trondheim, worauf ich mich schon wahnsinnig freue, denn auch wenn ich viel Wert auf Kontakt mit Einheimischen lege, so finde ich es toll, sich mit anderen EVSlern austauschen zu können und das eine ganze Woche lang!!!
Es grüßte euch alle und bis zum nächsten Mal,
eure Henrike
Ach, und mein Brüderchen ist ja auch gerade ins Ausland als Student nach Madrid gestartet und hat jetzt endlich eine feste Bleibe. Da wird einem das schwesterliche Herz doch gleich leichter!