Wraps und Whirlpool
10 Erasmusstudenten auf den Lofoten
Mittwochs in aller Frühe war es dann soweit: noch etwas verschlafen versammelte sich unsere kleine Reisegruppe am Kai um von dort das Expressboot gen Süden zu besteigen – mit der unter Touristen wohl bekanntesten Inselgruppe der Region als Ziel: den Lofoten. Das Schiff, das uns in drei Stunden nach Harstad befördern sollte, stellte sich als schicker Katamaran heraus, der so schnell durchs Wasser schoss, dass man sich nicht einmal an Deck aufhalten konnte – wir vertrieben uns die Fahrt daher mit Wizard spielen, Nickerchen und Frühstück. Von Harstad aus nahmen wir dann für weitere drei Stunden einen Bus, der die Inseln der Vesterålen und Lofoten über die Hauptverkehrsroute E10 in ihrer ganzen Länge abfuhr. Bei strahlendem Sonnenschein genossen wir die Panoramafahrt über zahlreiche Brücken und immer am türkisblauen Meer entlang, bis wir schließlich mittags in Svolær, das mit seinen 4500 Einwohnern die Hauptstadt der Inseln bildet, eintrafen. Dort nahmen wir direkt unsere zwei gemieteten Autos in Empfang, die uns das Vorwärtskommen dort extrem erleichterten, da man mit dem einmal täglich fahrenden Bus einfach zu sehr eingeschränkt wäre. Wir hatten beschlossen, ein Männer- und ein Frauenauto zu bilden, die mit je fünf Personen plus Gepäck schon sehr vollgestopft waren. Während wir Mädels mit Mamma Mia und Co. direkt in den Süden cruisten um in der Touristeninformation in Reine den Schlüssel für unsere Unterkunft abzuholen, wurde den Jungs die verantwortungsvolle Aufgabe aufgetragen, Proviant für den ersten Tag zu besorgen. Was soll man sagen? Sie haben vor allem in Bier investiert :D
Am frühen Abend trafen wir uns dann wieder am Wanderparkplatz, von wo wir noch ca. 3 Stunden zur Hütte, genannt Munkebu, wandern mussten…es ging steil den Berg hoch und mit unserem aus Schlafsachen und Essen bestehenden schweren Gepäck kamen wir ganz schön ins Schwitzen. Zudem war der Weg so matschig und ausgetreten, das die Füße des Öfteren im Morast versanken und wir alle sehr froh um unsere wasserabweisenden Wanderstiefel waren. Endlich am Ziel angekommen, stürzten wir uns heißhungrig auf das mitgebrachte Essen: Tortilla-Wraps mit Hackfleisch und diversen anderen Zutaten zum Füllen. Das ist ein Gericht, das die Norweger irgendwie besonders feiern, auf jeden Fall gibt es ständig Taco-kits im Supermarkt zu reduzierten Preisen.
Am nächsten Morgen ging wieder hinunter, wobei wir auf dem Weg noch einen Gipfel mitnahmen, den die Jungs, allen voran Matthias, der bei sich zuhause erst bei der Weltmeisterschaft im Orientierungsrennen teilgenommen hatte, errannten. Wir Mädchen sahen das etwas gelassener und wanderten in gemütlicherem Tempo hinterher – auf dem Gipfel gab es dann eine fantastische Aussicht und einige lustige Gruppenfotos. Wieder am Ausgangspunkt angelangt, machten wir uns nach einem Stopp im Supermarkt (um unsere Bier-und Essenvorräte aufzufüllen) mit den Autos auf zu unserer nächsten Übernachtungsmöglichkeit, Selfjordhytta. Diese war über eine Schotterpiste voller Schlaglöcher fast direkt mit dem Auto zu erreichen und lag inmitten eines kleinen Wäldchens, das, wenn unterhalb nicht das Meer gewesen wäre, auch sehr gut im Schwarzwald hätte sein können. Die Hütte besaß zu unserer Überraschung den Luxus von Elektrizität, dafür gab es jedoch kein genießbares Trinkwasser in der unmittelbaren Umgebung. Nachdem wir vergeblich nach einem Fluss oder See Ausschau gehalten hatten und versuchten die Touristeninfo, die jedoch schon geschlossen hatte, zu kontaktieren, beschlossen wir, beim nächsten bewohnten Haus nachzufragen. Mit Wasserkanistern und Töpfen bewaffnet, klopften ein paar von uns am schicken weißen Holzhaus, das sich nur einige hundert Meter von unserer Hütte befand an – und trafen auf den ersten unfreundlichen Norweger seit unserer Ankunft in diesem Land. Der Mann hörte sich nicht einmal an, was wir zu sagen hatten (wir wollten ja nur fragen, wo sich der nächste trinkbare Bach befände), er knallte uns die Tür mit einem knurrigen „No“ vor der Nase zu. Nach dem wir kurz berieten, ob wir sein Haus als Dank mit den Eierschalen unserer Carbonara dekorieren sollten, beschlossen wir einen weiteren Versuch zu starten…etwas die Straße hinunter hatten wir bei unserer Anfahrt noch weitere Häuser gesehen...und diesmal wurden wir nicht enttäuscht: eine freundliche ältere Dame ließ uns sämtliche Behältnisse an ihrem Wasserhahn auffüllen und so hatten wir endlich genug für unsere Spaghetti, Tee und den Porridge am nächsten Morgen :)
Für den kommenden Tag hatten wir ein im Internet und von mehreren Bekannten hoch angepriesenes Ziel vor Augen – den Strand von Kvalvika. Um dort hinzugelangen mussten wir ein Stück fahren und dann noch einmal einen Kamm erklimmen; oben angekommen öffnete sich unter uns eine malerische Bucht eingesäumt von steilen Felsklippen, zwischen denen sich die Wellen zu beachtlicher Größe brachen. Was wie ein Surferparadies aussah, wurde von uns in Ermangelung von Surfbrettern natürlich trotzdem gewürdigt….die Kälte hielt uns nicht davon ab, immer wieder in die Wellen zu springen und sich von ihnen bis zum Strand treiben zu lassen.
Danach ging es etwas durchgefroren zu unserer letzten Unterkunft Nøkksættra. Beim Abholen des Schlüssels (man bezahlt immer direkt in der Touristeninfo für die Anzahl an Gästen) wurden wir vorgewarnt, es könnte sein, dass sich außer uns dort noch ein deutsches Pärchen aufhielte – unberechtigterweise, da die beiden sich wohl nur informiert hätten und dann ohne zu zahlen wieder abgezogen seien…falls sie dort wären, sollten wir sie bitte rausschmeißen. Und tatsächlich: als wir nach zwei Stunden Fußmarsch das idyllisch gelegene Häuschen oberhalb eines Sees erreichten, sahen wir schon Rauch aus dem Schornstein aufsteigen und die beiden auf dem Sofa sitzen…der Schlüssel, den wir besaßen, war nämlich nur für den hinteren Teil des Hauses, der die Betten enthielt, vonnöten. Wir waren entrüstet, dass Touristen das Vertrauen der Norweger so frech ausnutzen wollten und ich erklärte ihnen klar, dass sie nur hier übernachten könnten, wenn sie auch den vollen Preis bezahlten. Währenddessen wurde es draußen mit heftigem Regen und Wind immer ungemütlicher und es war klar ersichtlich, dass sie gerne bleiben würden. Am Ende waren sie dann aber doch zu geizig die 20Euro Übernachtung zu zahlen und machten sich mit ihrem Zelt wieder auf in die Dunkelheit – Leid taten sie uns nicht! Und es stellte sich heraus, dass wir ihnen sogar einen Gefallen getan hatten…später am Abend kam nämlich dann sogar noch ein Mann zur Kontrolle vorbei, der die beiden ganz bestimmt Strafe hätte zahlen lassen. Stattdessen traf jedoch nur unsere fröhliche Runde an – die schon wieder am Tacos essen war :D Da sich das Gericht als unkompliziert, kommunikativ und sättigend herausgestellt hatte, setzte sich die Mehrheit durch…ein paar unter uns sind solche Wrap-fans geworden, dass sie die Dinger auch tagsüber als Vesper aßen, und zum Frühstück mit Nutella. Ich dagegen hatte am Ende der Reise eher das Gefühl jetzt erst einmal für die nächste Woche keine mehr haben zu müssen :D
Der letzte Lofotentag war dann sehr gemütlich – Einige ruderten mit dem zum Haus gehörenden Boot auf den See hinaus, die ganz Aktiven rannten noch auf einen letzten Berg und der Rest entspannte mit Tee und Kartenspielen am Kamin…am frühen Abend brachten wir dann die Autos schweren Herzens zurück und beschlossen aufgrund des einsetzenden Starkregens uns für die letzten Stunden in ein Einkaufszentrum zurück zu ziehen. Wie Obdachlose campten wir dort mit Plastiktüten voller Essen auf dem Boden und spielten UNO, bis wir dann endlich um 10 Uhr abends das Hurtigruten-Kreuzfahrtschiff, das uns in 17 Stunden zurück nach Tromsø bringen sollten, entern konnten. Diese Schiffe, die die ehemalige Postschiffroute von Süden bis hoch ans Nordkap und Spitzbergen abfahren, sind wie alle Kreuzfahrten recht luxuriös und entsprechend teuer. Für Fahrten unter 24 Stunden gibt es jedoch das Angebot ohne eigene Kabine mitzufahren und so eine Menge Geld zu sparen. Natürlich mussten wir die Nacht trotzdem irgendwo verbringen; nachdem wir uns ordentlich im Whirlpool auf dem Außendeck aufgewärmt (und gereinigt hatten), streckten wir uns einfach in der Bar auf den Sofas dort in unseren Schlafsäcken aus. Das Personal und die Gäste waren alle sehr freundlich zu uns und freuten sich einfach einmal junge Leute an Bord zu haben. Bevor wir dann gegen 14 Uhr wieder im Hafen von Tromsø einliefen, schlugen wir noch den Vormittag mit einem tausend Teile Puzzle tot – am Ende war unsere ganze Gruppe Feuer und Flamme das Ding noch rechtzeitig zu beenden – wie wild puzzelten wir gegen die Zeit und überlegten sogar, ob wir die Stunden Aufenthalt in Tromsø noch nutzen sollten. Am Ende siegte aber doch das Verlangen nach einer Dusche und unserem Bett und wir verließen die „Kong Harald“ müde, gut gelaunt und mit dem Kopf voller schöner Erlebnisse der letzten Tage.