Wilde Theatertage
2 Ganztagesworkshops Theater mit den Kleinen – oder einmal Powerkurs Laienpädagogik
Ein Junge und drei kleine Mädchen stehen auf der Bühne, noch halb verdeckt von den roten Vorhängen. Sie blicken erwartend hinunter ins Publikum im Saal. Dort bewegt sich hier und da noch ein Kind, ein Mädchen flitzt vor der Reihe aus Stühlen vorbei. Dann sind alle bereit. „C’est parti!“ Und los geht der selbsterfundene Sketch der kleinen Akteure. Im „P‘tit Théâtre“ in Redon finden die Ferientheaterworkshops von Anne-Marie statt. Organisiert sind diese von La Fédé – und deswegen bin auch ich dabei, die Europäische Freiwillige. Zusammen mit der Theateranimateurin gestalte ich die zwei Tage Theaterworkshop zu Beginn der Faschingsferien.
Schon mehrere Jahre lang arbeitet Anne-Marie bei La Fédé – und etwa genauso lange bietet sie die „Stages Théâtre“ während der ersten Tage der ersten Ferienwochen an. Das Publikum besteht zum einen Teil aus schon bekennten Gesichter, nämlich den Kleinen aus den Ateliers. Andere kommen nur zu den Ferienworkshops – und wieder andere sind ganz neu dazugekommen. 16 Kinder zwischen sechs und elf Jahren sind es dieses Mal, für die zwei Ganztage Theater gekommen sind.
Spielerisch begannen die Theatertage. Indem sie ihre Namen so laut wie möglich sagten, lernten die Kinder, wie man die Stimme im Theater richtig einsetzt, mit langen Zungenbrechern, die einmal richtig und dann auch noch deutlich gesprochen wurden, wie die Artikulation. Doch dann ging es auch schon ins Spielen. Phrasen in verschiedener Stimmung aussprechen und so unterschiedliche Stimmungen rüberbringen, Emotionen darstellen und behalten, in Gruppen Themen darstellen – so tasteten sich die Kinder an das weite Feld „Theater“ heran.
Mittags picknickten wir alle zusammen im Saal, auf zusammengeschobenen Tischen und Stühlen. Ausgestattet mit großem Mittagessen von Mama und Papa und den in Frankreich meiner Beobachtung nach obligatorischen Chips wurde das zu einem Festmahl – und gab genug Kraft um danach erst einmal wild durch Saal und Hof zu toben oder gemeinsam „La reine du neige“ – die „Schneekönigin“, der neuste Disneyfilm – zu singen und zu tanzen.
Mit einiger Mühe waren die Kinder wieder für das Theater zu begeistern. In einem kleinen Wettbewerb ging es darum, Berufe zu mimen, und das möglichst so gut, dass die eigene Gruppe diesen als erste erriet. Und damit begannen sich kleine Gruppen an Sketchen zu üben – die natürlich selbst erst einmal erfunden werden mussten. Als Vorgabe bekamen sie mal mehr, mal weniger konkrete Themen, Orte, Personen, manchmal auch nur drei Worte, manchmal eine halbe Geschichte. Einstieg – Geschichte – Pointe. So einfach der Aufbau, so schwer etwas wirklich Gutes als Idee zu finden und dann auch noch zu erzählen. Und das für die Kinder nochmal mehr. Umso mehr war ich nach dem Tag begeistert, was manche von den Nachwuchsschauspielern schon auf die Bühne zu bringen wissen. Und das nicht nur die langjährigen Atelierbesucher.
Am nächsten Tag wurden – nach kleinen Einstiegsspielen – größere Projekte angegangen. Der Vormittag war den Clowns gewidmet, also ein bisschen an den Zirkus angelehnt – mit dem Ziel, das zum Lachen bringen zu üben. Und darin waren sie kreativ, was sie in vier kurzen Shows auch zeigen durften. Jeweils vier angehende Künstler entwarfen dafür kurze Stücke. Von Jongleuren über Musiker bis Artisten war da alles dabei – und der Rest klatschte fleißig Musik. Einige Artisten konnten richtig turnen – andere musste man eher von gefährlichen Stunts abhalten. Und bei dem Ganzen das Wichtigste nicht vergessen: Lachen.
In dieser Mittagspause gab es zum ersten Mal Tränen. Und das ausgerechnet von der kleinen Königin, die als Jüngste im Mittelpunkt und an der Spitze stehen muss. Doch gerade ihre liebste Freundin spielte nicht mehr mit – und das ging natürlich nicht. Trotzdem habe ich das wohl ganz gut hinbekommen – und so nebenbei festgestellt, dass ich für die Kinder die emotional nähere Betreuerin bin.
Für mich bestand dieser Tag außerdem vor allem aus Fotografieren und Filmen. Zum einen mache ich das für meinen Blog über das Theater, der vor allem den Eltern zeigt, was wir so machen – zum anderen liebe ich es.
Nachmittags ging die Gruppe ins Restaurant – nur dass dieses in unserem Theatersaal ohne Tische oder Kellner und vor allem ohne Essen stattfand. Dafür aber mit viel Fantasie. Pro Tisch à zwei oder vier Kinder wurde sich eine Geschichte ausgedacht, die in eben jenem Restaurant stattfinden könnte. Mit diesem eher vorgegebenen und vor allem auf Sprechen ausgelegten Rahmen taten sich manche eher schwer – aber bei anderen kamen spannende Ideen heraus. So wurden plötzlich Töchter getauscht, Interviews geführt und Obdachlose beobachtet.
Dass sie aber sehr wohl mit Sketchen und Sprache umgehen können, zeigten die Kinder später in selbstentworfenen Geschichten in einem Wartezimmer oder Supermarkt. Und im Wörterpingpong hätten sie mich mit Sicherheit alle geschlagen.
So schlossen wir unsere zwei Tage Theateratelier auch theatermäßig – mit einem lauten und enthusiastisch ausgelebten „Hip Hip Hurra!“