Wild Wild East I
Casandra ist in der Stadt angekommen, aus der scheinbar alle weg wollen. Sie nimmt es dennoch locker. Das Einzige, was ihr den Spaß verdirbt, ist die Heizung, die erst ab November laufen wird.
Wie weit sind eigentlich 750 km?
Nicht so weit, wenn man bedenkt wie groß die Welt ist. Wie weit sind eigentlich 750 km auf polnischen Straßen? Weit, sehr, sehr weit!
Daher geht nochmal großer Dank an Frank und den Prinzen. Nun bin ich dort gelandet, wo alle wegwollen: in Bialystok in Ostpolen.
Mein Viertel heißt zwar nicht Prohlis, aber den Namen hätte es verdient. Der Blick aus dem Fenster taugt höchstens dazu, sich die gute Laune zu verderben und man muss auch nicht in die Fenster der Nachbarn sehen - man hört eh alles.
Daher an dieser Stelle großen Dank an meine Nachbarn mit W-lan! Auch wenn Ihr es nicht wisst, ich Euch auch nicht kenne: Tausend Dank, Ihr ermöglicht mir stundenlanges skypen und soeben diese Zeilen.
Solltet mich je jemand besuchen wollen: Fragt nie nach dem Straßennamen, den kennt eh keiner, aber um die Ecke ist die Polizei. Fragt danach, das weiß hier jeder.
Meinen Müll hab ich heut, wie ortsüblich, unsortiert entsorgt. Nun ist er vor wenigen Stunden im Müllhäuschen abgebrannt. Man munkelt, es sei darin mal wieder ein Obdachloser mit Zigarette eingeschlafen.
Mein nun trautes Heim für ein Jahr lässt Erinnerung an frühere Jugendherbergsbesuche aufkommen: Plastemöbel der 70er, chicheringrünes Sofa, die Türen klemmen oder schließen garnicht, Vorhänge von anno Finsternis, ebenfalls in anheimelndem gammelgrün-gelb mit Blumen.
Mein garantiert nicht-FCKW-freier-Kühlschrank zusammen mit den Nachrichten meines Nachbarn und den Rohren im Bad bilden ein permanenten Klangteppich, dem ich abwechselnd mit Hardtek und Beethoven den Kampf ansage.
Aber sind wir nicht alle fröhliche Menschen und nehmen es mit Humor? Natürlich! Nur die Nachricht, dass die Heizungen hier erst ab November laufen, obwohl es jetzt des nachtens schon bloß fünf Grad waren, haben mir dann doch etwas den Spaß verdorben.
Nun warte ich sehnsüchtig auf meine Schwedin Lisa, die hier ab Oktober einzieht und das Leid mit mir teilt.
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