Wieder in Deutschland
„Going away is nothing compared to coming back.“ Dieser Satz geht Svenschka nicht mehr aus dem Kopf, seit sie ihren Europäischen Freiwilligendienst in Estland beendet hat. Warum, berichtet sie hier.
Ein ehemaliger Freiwilliger aus Estland, der seinen Freiwilligendienst in Dänemark verbracht hatte, hat uns Frischlingen beim On-Arrival-Training im Oktober (daaamaaaals...) einen Satz gesagt, den ich während meiner gesamten Zeit in Estland und auch jetzt nicht mehr vergessen kann: „Going away is nothing compared to coming back.“ - und es stimmt.
So gern ich auch hier bin und so froh ich bin, meine Freunde, Familie wieder zu haben: Ich vermisse Estland. Die kalten Esten, das kalte Wetter, die Plattenbauten, den Wirsing. Aber auch viele interessante Menschen aus aller Welt, Freunde, die wunderschöne Natur, die Altstadt, die Ladenöffnungszeiten, die Kinder aus dem Jugendzentrum. Das schmerzt schon. Und nach zwei Monaten in Deutschland hat mich der Alltag hier wieder total eingeholt.
Alle Menschen in Deutschland fragen mich über Estland aus, alle sind neugierig und wollen Fotos sehen. Alles schön und gut, aber was antwortet man auf die Frage „Wie war es denn in Estland?“ Gut? Natürlich war es gut, aber ist mit einem Wort denn alles gesagt? Es war phänomenal, es war das Beste, was ich je getan habe, es war wunderschön, es war anstrengend, es war manchmal auch traurig. Wie ich kann ich sieben Monate meines Lebens mit Erfahrungen, die meinen Kopf immer noch übersprudeln lassen, in ein einziges Wort stecken? Alleine damit fängt es schon an: Was berichte ich, wie berichte ich?
Meine Freunde haben mich überrascht. Von anderen Leuten, die schon vorher im Ausland waren, hörte ich nur: Am Ende interessiert es doch niemanden, was dort gewesen ist. Davor hatte ich Angst - ich will meine Erfahrungen teilen und ich kann kaum inne halten, etwas zu erzählen, von dem ich begeistert bin. So ist es nicht gewesen, bisher haben mich wirklich alle möglichen Leute darauf angesprochen.
Als ich in Deutschland ankam, war ich einfach nur glücklich, wieder hier zu sein, so glücklich, dass ich Estland und alle Erinnerungen erst einmal verbannte. Doch wie gesagt: Der Alltag hat mich schnell eingeholt und mittlerweile denke ich jeden Tag in irgendeiner Art und Weise an Estland, meinen Freiwilligendienst und alles, was damit zusammen hing. Ich glaube es ist schon schwierig für alle Menschen um mich herum, dauernd zu hören: „Ach, in Estland, da war das auch…/nicht…/anders...“ - ich komme mir schon vor, als würde ich Geschichten aus der guten, alten Zeit erzählen, die ja interessant sind, aber mittlerweile auch alle nur nerven. ;-)
Im Moment tue ich jedem weh, der mir nahe steht. Die Leute in Estland fühlten sich enttäuscht, als ich sagte, ich sei glücklich wieder zu Hause zu sein und das ich im Moment nicht über Estland nachdenke. Die Leute hier sind nun traurig, weil ich Estland so vermisse und denken, sie wären mir nicht gut genug. Das stimmt alles nicht: Ich liebe Estland, ich habe dort von krassen bis zu wunderschönen Erfahrungen wirklich alles erlebt und es ist ja nunmal nicht leicht, damit einfach mir nichts, dir nichts abzuschließen. Und genauso sehr liebe ich meine Heimat und alle Menschen, die hier sind. Deshalb ist ja niemand besser oder schlechter gestellt.
Besonders krass war es, als mich die beiden Freiwilligen, die ja auch Youth Reporter geschrieben haben beziehungsweise schreiben, Juliane (JuliBi) und Jan (Janhkorte) hier in Deutschland besucht haben - Juliane, die meine Sichtweise nur allzu gut versteht, weil sie selber wieder in Deutschland ist, und Jan, der zu Besuch in Deutschland war, jetzt wieder in Estland ist. Diese beiden Menschen hier zu treffen, ihnen meine Welt zu zeigen, meine Freunde vorzustellen - das waren alles Dinge, von denen sie sieben Monate lang nur Erzählungen kannten. Beide allerdings kamen unabhängig voneinander und deshalb war es doppelt seltsam - aber auch sehr schön und man fühlte sich ja doch irgendwie „reunited“.
Mein letztes Seminar ist auch erst Ende Juli, geplant war dieses eigentlich direkt zwei Wochen nachdem ich zurückgekommen bin, ist allerdings wegen Krankheit ausgefallen. Damals habe ich mich wirklich nicht gefreut, mittlerweile freue ich mich sehr darauf und kann es kaum noch abwarten.
Aber eines habe ich in die Wege geleitet: In knapp zweieinhalb Wochen geht mein Flieger von Berlin-Schönefeld nach Tallinn. Mit an Bord drei meiner engsten Freundinnen, die sich sehr auf den Trip freuen und ich umso mehr. Ich vermisse Estland so sehr und kann es kaum erwarten, wieder dorthin zu kommen, aber alles wird noch schöner, wenn auch meine Freunde dabei sind, denn es bedeutet mir wirklich viel, das sie sehen, worüber ich spreche, von wem ich erzähle und vielleicht auch verstehen, warum ich Estland vermisse.
Eine andere Freiwillige hat mal gesagt: „Ich habe gehört, sich von einer Reise zu erholen, dauert genau so lange, wie die Reise gedauert hat.“ Ich hoffe, ich werde mich immer positiv an Estland erinnern, auf jeden Fall hat es einen großen Platz in meinem Herzen, auch wenn das jetzt sehr kitschig klingt. ;-)
Commentaren