Whistleblower - Verräter oder notwendiges Korrektiv unserer Staaten?
Edward Snowden ist wohl das bekannteste Beispiel - Aber neben ihm gibt es noch tausende von anderen Menschen, die Missstände erkennen und anzeigen. Und dabei geht es nicht nur um große Staatsgeheimnisse, auch Mitarbeiter* einer Firma oder Altenpfleger* in einem Heim - Wer mit vertraulichen Informationen an die Öffentlichkeit geht gerät häufig ins Visier derer, denen das schaden würde…
Sie decken Skandale auf, sammeln belastendes Material und veröffentlichen: Whistleblower können große Firmen gefährden und sogar Regierungen zum Sturz bringen. Doch dabei bringen sie sich in der Regel auch selber in Gefahr und sind in einer umstrittenen Position: Für die einen sind sie Helden, die Freiheit und Recht garantieren, für die Anderen sind sie Verräter, die die allgemeine Sicherheit gefährden und die Integrität ihres Landes untergraben. Sie sind aber auch der Grundstein des investigativen Journalismus - Und damit absolut notwendig in jeder Demokratie.
Die Rolle eines demokratischen Staates ist manchmal schwierig zu definieren : Einerseits muss er manchmal aus strategischen Gründen geheime Verhandlungen durchführen und kann generell nicht alles veröffentlichen, aber andererseits ist es seine Pflicht, Journalisten zu schützen, auch wenn sie manchmal nicht in seinem Interesse handeln. Und zur Zeit erleben wir eine Episode beispielsloser Gewalt gegenüber Journalisten, und das auch in der Europäischen Union: Erst letztes Jahr starb eine investigative Journalistin auf Malta, dann wurden ein Journalist und seine Freundin in der Slowakei ermordet und eine weitere Journalistin in Rom überlebte glücklicherweise schwere Attentate. In vielen dieser Fälle handelt es sich um Machenschaften der Mafia, das geht aber nicht nur um die kriminellen Aktivitäten dieser Organisation: Es geht auch um das Versagen des Staates und deren Verbindungen in die Politik und die nationalen Eliten.
Edward Snowden handelte aus anderen Motiven, ihm ging es vor allem darum, das Ausmaß der internationalen Überwachung von Bürgern aufzudecken: Er veröffentliche rund 1,7 Millionen Dateien, die der 29-Jährige in seiner Arbeit in der Systemadministration der NSA, dem amerikanischen Auslandsgeheimdienst, gesammelt hatte. So hatte Edward Snowden Zugriff auf Informationen, die unter absoluter Geheimhaltung standen, beispielsweise über das Ausmaß, in dem die NSA und der britische Geheimdienst die Telekommunikation und die Internetnutzung überwachten. Aus diesem öffentlichen Skandal, in dem klar wurde, dass Geheimdienste weltweit Bürger ausspionierten und ihre Daten massenhaft sammelten, wurde eine gesellschaftliche Debatte: Welche Rechte besitzen wir als Individuen über unsere Daten? Und was kann man mit dieser Datenmasse anstellen? Aber vor allem: Wem kann man eigentlich noch trauen? Schließlich kam auch raus, dass selbst die deutsche Regierung von ihren vermeintlichen politischen Partnern, der USA, ausspioniert wurde.
Das löste eine diplomatische Krise aus, vor allem implizierte es aber auch schwerwiegende Folgen für Snowden: Er wurde wegen Spionage angeklagt, und konnte sich nur durch russisches Asyl retten. Tatsächlich versuchte Edward Snowden, die Menschen vor einem Staat zu schützen, welcher immer weiter in die Privatsphäre von Menschen eindringt. Auch Daniel Ellsberg, der in den 1970er Jahren die „Pentagon Papers“ veröffentlichte, fühlte sich mehr der Wahrheit und der gesamten Bevölkerung verpflichtet als der Regierung. Diese Pentagon Papers belegten, dass die US-Regierung die Öffentlichkeit in wesentlichen Aspekten des Vietnamkrieges belog. Ein anderer bekannter Fall aus den USA ist die Watergate-Affäre: Dabei handelte es sich um brisante Informationen, wegen denen der damalige Präsident Richard Nixon 1974 zurücktreten musste. Es handelte sich um den Fall, dass 1972 Mitglieder des Wahlkampfteams der Republikaner in die Wahlkampfzentrale der Demokraten einbrachen und dort Wanzen installierten.
Es gibt viele Fällen von couragierten Menschen, die gegen ihre Verschwiegenheitspflicht und trotz Einschüchterungsversuche, Daten leaken und damit häufig Unrecht aufdecken. Zwei weitere Beispiele kommen aus Deutschland: Der erste Fall ist der der Fleischhygienetierärztin Margret Herbst, welche 1990 mit BSE erkrankte Schlachtrinder entdeckte. Gegen ihren Willen wurde diese geschachtet und kamen in den Handel. Sie machte den Fall daraufhin publik und wurde fristlos gekündigt, weil sie gegen ihre Verschwiegenheitspflicht verstoßen hätte - Noch heute wird ihr Eingreifen nicht anerkannt und sie lebt von einer schmalen Rente. 2011 wurde eine Krankenpflegerin gekündigt, weil sie auf die unmenschlichen Zustände in ihrem Betrieb aufmerksam machte. Der Fall ging bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der sich dann aber für die Whistleblowerin entschied und ihre Kündigung als ungerechtfertigt darstellte.
Und genau das ist ein wichtiges Zeichen: Gerade die Europäische Union muss ein klares Zeichen setzen, dass Bürger sich sicher sein können, dass Rechte durchgesetzt werden und Menschen, die Missstände aufdecken, von der Gemeinschaft geschützt werden. Schließlich können humanistische Werte nicht einfach von Staaten, mafiösen Strukturen großen Firmen untergraben werden. Whistleblower sind ein notweniges Korrektiv eines demokratischen Staates!
https://economictimes.indiatimes.com/definition/whistleblower
https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2013-10/hintergrund-nsa-skandal
http://www.spiegel.de/politik/ausland/pentagon-papers-washington-beichtet-letzte-vietnam-luegen-a-767493.html
http://www.informationsfreiheitsgesetz.net/blog/2011/07/21/europaischer-gerichtshof-fur-menschenrechte-erlaubt-whistleblowing/
Eine gute Doku über Edward Snowden: https://citizenfourfilm.com