Wenn’s kommt, dann dicke…
Svenschkas Freiwilligendienst ist vorbei, doch sie wollte in Estland bleiben. Allerdings war es gar nicht so einfach, ein Dach über dem Kopf zu finden. Eine Geschichte von Bürokratie und Hilfsbereitschaft.
…und immer anders, als man denkt!
Tja, nun ist mein Freiwilligendienst schon seit einem Monat beendet - und trotzdem komme ich irgendwie nicht von diesem Land los.
Geplant war ja, wie in meinem letzten Tagebucheintrag zu lesen, alles ganz anders: Ich wollte nach Jõelahtme, in ein archäologisches Reservat, und dort ein Praktikum machen, was aber leider nicht geklappt hat. Da ich meiner Entsendeorganisation aber schon mitgeteilt hatte, das ich noch etwa sechs Wochen länger bleibe, und eigentlich auch eh nicht gehen wollte, beschloss ich, mir einfach etwas anderes zu suchen. Das erste Problem: Wohin mit mir? Wo soll ich denn unterkommen, wenn nicht in Jõelahtme? Raus aus meinem Studentenheim musste ich, ohne Frage, das Geld konnte ich ohne weiteres nicht so leicht aufbringen. Aber da ich ja wirklich tolle Freundschaften hier schließen konnte, boten mir bald alle möglichen Leute eine Unterkunft an. So zog ich zu ein paar anderen Freiwilligen. Allerdings ohne die Zustimmung von deren Koordinationsorganisation.
Ich musste jetzt erstmal etwas anderes finden: Auch das Freilichtmuseum in Tallinn und das Freilichtmuseum bei Rapla antworteten nicht auf meine Anfragen, da war dann also Improvisation gefragt, weil ich meine Zeit nicht unnütz verstreichen lassen wollte und mir natürlich nach zwei Tagen auch schon in der neuen Unterkunft die Decke auf den Kopf fiel. Dann erinnerte ich mich an eine Begebenheit, die sich etwa Anfang Februar ereignete: Ich saß mit ein paar Freiwilligen in einem Café in Tallinn und am Nebentisch ein Lehrer der deutschen Schule Tallinn, mit dem wir ins Gespräch kamen. Ich schrieb also eine Email (wo sich dann herausstellte, das dieser Lehrer auch der Leiter der deutschen Abteilung war) und mache nun ein Praktikum in der deutschen Schule Tallinn, wo sich die estnischen Schüler gerade auf das Abitur vorbereiten und mich alles, aber auch alles, an meine Vorabizeit letztes Jahr erinnert.
Okay, nicht ganz alles: Ist schon etwas seltsam, einfach die Lehrertoilette zu benutzen.
Aber auch in der Schule zeigt sich die technische Fortgeschrittenheit Estlands: Die Klassenbücher werden online geführt. Zugang hat - Lehrer wie Schüler - jeder durch seinen ID Code, also der Zahl, die auf der ID-Card der Esten steht, plus einem selbst gewählten Kennwort. Nicht nur die Schüler haben Zugang, sondern auch deren Eltern: Sie können direkt sehen, ob ihre Sprösslinge auch nicht blaumachen, welche Noten sie gerade haben et cetera. Obendrein können die Lehrer den Schülern auch kleine Kommentare zu ihren Noten schreiben.
Nach einigen Vorkommnissen in meiner neuen Umgebung, die eher negativ als positiv auffielen (nichts, was mit mir zu tun gehabt hätte), ging mir die Heimlichtuerei um meine Anwesenheit in der WG auf die Nerven: Ich hatte nicht vorgehabt, mich verstecken zu müssen, wenngleich ich auch verstehen kann, weshalb. Mir war es unangenehm: Ich will nirgendwo illegal sein. Ich wollte von meinen neuen Mitbewohnern, dass sie in ihrer Organsiation Klarheit schafften, weshalb ich sonntags beschloss, am Montag solle jemand hingehen und sie über mich aufklären und ich würde Freitags schon die Wohnung wechseln - genügend andere Angebote gab es ja. Soweit kam es jedoch nicht: Montagmorgens kam eine Frau der Organisation unangekündigt vorbei. Ich saß, noch im Schlafanzug, in der Küche und mein Koffer, den ich diesen Tag nach Deutschland schicken wollte, stand mitten im Flur. Zeit der Wahrheit: Corinna und ich erzählten also von meiner misslichen Lage. Sie zeigte sich verständnisvoll und versprach, mit dem Chef zu reden.
Am nächsten Tag gab es allerdings Probleme: Der Chef fand das alles (verständlicherweise) gar nicht witzig und verlangte dann von mir, ich solle 60 Kroonen pro Nacht bezahlen, was bedeutet hätte, das ich insgesamt hätte 300 Kroonen (20 Euro) bezahlen müssen. Also packte ich noch am gleichen Tag meine Koffer, bezahlte 120 Kroonen, für zwei Nächte, und ging. Nur wohin?
1. Möglichkeit: Meine Tutorin. Unmöglich. Ihr Bruder ist in ihre eineinhalb-Zimmer-Wohnung miteingezogen.
2. Möglichkeit: Katharina. Wie die Lene (dielene) schon mal angedeutet hat: Bei Katharina kann man immer unterkommen, zumal sie es mir auch zugesagt hatte. Jetzt geht das aber nicht mehr so ganz einfach: Die freien Zimmer in dem Haus wurden belegt und ich hätte drei Wochen mit Katharina in einem Zimmer schlafen müssen, was ich ihr nicht antun wollte.
3. Möglichkeit: Jan (Janhkorte). Ging auch nicht. Das Gästezimmer wurde das Wochenende zuvor abgeschlossen und dann wurde eröffnet, dass die Sekretärin seiner Organisation dort nun einziehen würde, weshalb ich ebenfalls in Jans kleinem Zimmer in seinem Bett hätte schlafen müssen. Drei Wochen lang undenkbar.
Wohin sollte ich also gehen? Meine Entsendeorganisation hatte meinen Rückflug für den 8.4. gebucht und da das auch wirklich ein Problem war und ein Hick Hack für sie, wollte ich sie nicht noch bitten, die Reise doch vorzuverlegen, obwohl ich - in dieser Zeit - nichts lieber getan hätte. Mir wurde angeboten, zu JuliBi nach Imastu zu gehen - aber was sollte dann aus meinem Praktikum in Tallinn werden? Also schrieb ich meiner Mentorin, ob sie nicht jemanden wüsste, der mir helfen könnte - ich wusste auch von ihr, dass sie es nicht konnte. Und tatsächlich rief sie mich an und sagte mir, sie habe vielleicht etwas gefunden. Allerdings erst ab Freitag. Kein Problem, so lange konnte ich doch bei Jan unterkommen.
Und dann kam am nächsten Tag doch die erlösende Nachricht: Ein Freund meiner Mentorin wollte mich aufnehmen. Ein völlig Fremder wollte mir helfen: Wirklich toll!
Nun wohne ich also, für meine letzten Wochen, in Pääsküla in Nõmme - ein wirklich hübscher kleiner Ort: Man kommt sich vor, wie in einem Dorf und trotzdem gehört es zu Tallinn. Es ist wie ein großer Wald, mit Häusern dazwischen. Nõmme ist ein großer Pinienwald, mit kleinen Holzhäusern dazwischen. Es ist wirklich schön und ich fühle mich sehr wohl. Mir wurden die Schlüssel für das Haus gegeben und ich habe mein eigenes kleines Zimmer - es fährt ein Bus direkt zur Schule, ich kann mit dem Zug und anderen Bussen direkt in die Innenstadt (was 40 Minuten dauert...). Aber das ist es wirklich wert, es ist echt schön.
Ich bin begeistert, wie Rando, ein Freund meiner Mentorin, und seine Mutter mich hier aufgenommen haben - sie kocht sogar immer für mich, und will nicht einmal Geld dafür haben. Noch überlege ich, wie ich ihnen danken kann - für Ideen bin ich immer offen!