Wenn einer eine Reise tut
Die letzte Zeit war ich ständig „on the road“ und habe nicht nur den Wechsel in mein 20. Lebensjahr erfolgreich gemeistert, sondern auch innerhalb von zwei Wochen vier neue Städte, sowie zahlreiche rumänische Weihnachtsmärkte besichtigt. Leider war das Wetter nicht konstant in Adventstimmung und so waren unsere Reisen neben unseren mangelnden Planungskünsten und anderen Faktoren verschuldeten Chaos, auch von einen verwirrenden Wechsel von Sonnenschein über strömenden Regen bis zu eisiger Kälte begleitet.
Hallo mal wieder!
Erst jetzt scheint in Târgu Mureş der richtige Winter eingekehrt zu sein und es kommt langsam die richtige Stimmung für die kommenden Festtage und all die geplanten Weihnachtsfeiern in der Foundation auf.
Vor drei Wochen hieß es für uns zum ersten Mal seit der Ankunft im Oktober, die Koffer zu packen, denn unser On-Arrival-Training in Sibiu (deutsch: Hermannstadt) stand an. In dieser wunderschönen und kulturell hochinteressanten Stadt, direkt am Rand der südlichen Karpaten, durften wir eine Woche lang mit etwa 60 anderen Freiwilligen aus 15 verschiedenen Ländern Kontakte knüpfen, Erfahrungen austauschen und in täglichen Sessions eine Menge über den Europäischen Freiwilligendienst und unsere Rolle als EVS-Volunteer, aber auch das Land Rumänien und seine Besonderheiten lernen. Die Woche voll spannender Tage und kurzer Nächte ging leider viel zu schnell zu Ende, doch ich habe von dem Seminar neben den zahlreichen neuen Facebookkontakten sicherlich einiges an Wissen sowohl über andere Kulturen, als auch über mich selbst dazu gewonnen. Nachdem Elisa, Julia, Ellen, João und ich am Samstag, dem Tag der Abreise, die Zeit in Sibiu noch etwas nutzen wollten, um die stark von der Zeit unter Österreich-Ungarischer Herrschaft geprägten Altstadt kennenzulernen und über den Weihnachtsmarkt zu schlendern, begannen am Abend die Komplikationen, die unseren Volunteer-Lifstyle auch in der folgenden Woche prägten und unsere Spontanität auf die Probe stellten: Leider fuhr nämlich abends kein Bus mehr zurück nach Targu-Mures ( - selbst wenn das Internet etwas anderes behauptet hatte - ) und wir wurden vor die Wahl gestellt, entweder eine weitere Nacht in Sibiu zu verbringen oder die Reise in das endlos langsame Verkehrsmittel Zug zu verlagern, mit welchem wir die Strecke innerhalb von über sechs Stunden meistern könnten, um dann am frühen Morgen wieder daheim einzulaufen. Da besonders mich letztere Vorstellung nicht sonderlich reizte und wir glücklicherweise am Bahnhof einige der anderen Freiwilligen des Seminars wiedertrafen, die der Stadt ebenfalls noch nicht den Rücken kehren wollten, entschieden wir, trotz unserer begrenzten finanziellen Mittel nach einer Übernachtungsmöglichkeit Ausschau zu halten und schafften es, uns kurzfristig noch im selben Hostel wie die anderen einzumieten. Auf diese Weise kam es, dass ich die ersten Minuten meines 19ten Geburtstags im Wiener Café der Stadt Sibiu verbrachte und neben einem portugiesischen Geburtstagslied mit Glückwünschen nach spanisch/italienischer Art überrascht wurde, bei denen dem Geburtstagskind nach Anzahl an verlebten Jahren entsprechend oft an den Ohrläppchen gezupft wird.
Nach einer kurzen Nacht verging der Vormittag mit Heimreise, Auspacken, Einkaufen, Putzen und so weiter; eben die üblichen Post-Reise-Aktivitäten. Nachmittags wurden wir dann von einer befreundeten Freiwilligen aus einem Dorf nahe zu Târgu Mureş zum Essen eingeladen und lernten dabei ihre Eltern ihr Zuhause kennen. Die außergewöhnlich gastfreundliche Familie legte sich wirklich ins Zeug und verwöhnte uns mit Mici, hausgemachten Papanaşi und Geburtstagskuchen, weshalb wir trotz unserer Müdigkeit viel später als geplant nach Hause zurückkehrten, wo mich meine WG-Family noch einmal mit Kuchen und Happy-Birthday-Lied in vielen verschiedenen Sprachen überraschte.
Die folgende Woche begann mit zwei normalen Arbeitstagen, vielen lieben Glückwünschen und einem dritten Kuchen von meinen Kollegen (erstaunlich, dass wir es zu viert schafften, alle Kuchen innerhalb von drei Tagen aufzuessen), doch schon am Mittwoch konnten wir uns Dank zwei Feiertagen und einem Brückentag erneut auf die Reise machen, diesmal ging es in Richtung der ungarischen Grenze, wo wir Timişoara (deutsch: Temeswar), Arad und Oradea (deutsch: Großwardein) besuchen wollten.
Timişoara ist mit etwa 332 000 die größte der drei Städte, die allesamt im Westen Rumäniens, naher der ungarischen Grenze gelegen sind. Auch wenn die Einheimischen, mit denen wir hier gesprochen haben, größtenteils nicht überzeugt von der Schönheit ihrer Stadt waren, nahmen wir uns die Zeit, die Altstadt mit ihren mehreren großen Plätzen zu erkunden und erlebten die Feier zum rumänischen Nationalfeiertag, dem „Tag der Einheit“ (am 1. Dezember 1918 wurden die einzelnen Fürstentümer und Gebiete zum heutigen Rumänien vereinigt) auf dem Piața Victoriei. Unsere nächste Station war Arad, wo viele der Freiwilligen des On-Arrival-Seminar wohnen und dort in verschiedenen Projekten mitarbeiten. Zufällig war ausgerechnet am Tag unseres Besuchs eine Party einiger unserer neuen Freunde geplant und wir hatten das Glück, beinahe die gesamte Gruppe aus Sibiu in Arad wiederzusehen. Nach dieser fröhlichen Re-Union und einer kurzen und unbequemen Nacht in deren Studentenwohnheim, ging es noch weiter gen Norden in das wunderschöne Oradea, welches mit den circa 224 000 Einwohnern am Fluss Crişul Repede liegt und das westliche Tor zum Apunisengebirge markiert. Das Zentrum ist von Gebäuden in Jugendstil- und Barockarchitektur geprägt und meiner Meinung nach sehr sehenswert. Natürlich mussten wir auch hier den Weihnachtsmarkt und die örtlichen Gastwirtschaften testen, bevor es am nächsten Morgen schon früh wieder mit dem Bus durch malerische Berglandschaften und vorbei an der Stadt Cluj-Napoca zurück nach Hause ging.
Ansonsten lässt sich noch sagen, dass wir auf der Reise eine Menge gelernt haben, beispielsweise dass es zwar möglich aber nicht unbedingt entspannt ist, am Ankunftsabend noch nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu suchen oder, dass man sich in einer fremden Stadt möglichst schon im Voraus nach einer Möglichkeit zum Frühstücken umsehen sollte, um morgens hungerbedingte schlechte Laune zu vermeiden. Obwohl wir nach der langen und unbequemen Busfahrt froh waren, wieder zu Hause zu sein, ließ sich unsere Reiselust jedenfalls nicht von den teils mangelhaften Organisationskünsten dämpfen und unsere Liste an Urlaubszielen in und um Rumänien bleibt nach wie vor sehr umfangreich.
Immerhin haben wir in der kurzen Zeit schon erstaunlich viel vom Westen des Landes und Transsilvanien gesehen und abgesehen von Cluj-Napoca, das wir uns für die Tage um Neujahr vorgenommen haben, viele wichtige Städte der Region besucht. Mit den Kollegen ging es letzte Woche schon einmal in diese Richtung, als wir im Rahmen des monatlichen Tagesausflugs das Salzbergwerk in Turda, nahe Cluj ansahen. Hier wurde schon zur Zeit der alten Römer Salz gewonnen, ab 1690 begann die Arbeit am heutigen Bergwerk unter Habsburger Herrschaft, bis der Salzabbau 1932 schließlich eingestellt wurde und sich das Bergwerk von einem Luftschutzbunker über ein Käselager zur heutigen Touristenattraktion entwickelte. In dieser unterirdischen Welt begegnen den zahlreichen Besuchern schneeähnliche Formationen, enge Gänge, ein See am Grund der 120 Meter tiefen Terezia Miene und eine fast fünfzig Meter tiefe und achtzig Meter lange Halle (die Rudolf Miene) mit eigenem Konzertsaal, Sportangeboten und einem Riesenrad. Der Tag war eine entspannte Abwechslung zu den geschäftigen Weihnachtsvorbereitungen und den vielen Meetings, von denen die Woche in der Foundation geprägt war.
Nach dem Urlaub stellten Ellen und ich übrigens mit Erschrecken fest, dass unsere verbleibenden Arbeitstage in der Gruppe ATRIUM sich schon an weniger als zwei Händen abzählen lassen, da für die Youngsters ab nächsten Freitag schon die Weihnachtsferien beginnen. Immerhin kamen wir, nachdem es uns schon seit Monaten angekündigt wurde, nun doch noch dazu, mit der Gruppe zum Reiten zu gehen, abgesehen davon stehen gerade hauptsächlich Weihnachtsbasteleien und –lieder auf unserem Programm. Wir werden jedenfalls versuchen die restliche Zeit noch richtig zu genießen, bevor unsere Südeuropäer João und Pepe dann im neuen Jahr unseren Job übernehmen werden.
Bis bald, pe curând!