Wenn die Ferne so nah ist
Weihnachten. Irgendwie hat dieses Fest nun eine ganz neue Bedeutung für Lotti bekommen. Und nicht nur das Fest, auch ihre Heimatstadt. Gedanken angesichts eines baldigen Heimaturlaubes…
Weihnachten: seit der Entdeckung der wahren Persönlichkeit des Weihnachtsmannes war Weihnachten für mich kein besonderes Fest mehr. Das ist vielleicht falsch gesagt, aber Weihnachtsstimmung kam immer erst in der letzten Sekunde vorher auf, dann aber immer im gleichen Moment (Kirche – 3000 Menschen – "Tochter Zion" und dann im Refrain die Trommeln, ja, das ist Weihnachten!). Den Weihnachtstrubel fand ich immer furchtbar und dieses ganze aufgesetzte Tun...
Dieses Jahr hat Weihnachten eine ganz neue Bedeutung bekommen.
Ich freue mich nicht so auf Weihnachten, wie das Ich im Alter von sechs Jahren. Das heutige Ich ist eigentlich nur so verrückt auf Weihnachten, weil es weiß, dass es nach Hause geht.
Als ich Ende November erfuhr, dass in Belgien Advent nicht wirklich zelebriert wird, dachte ich, wo bin ich hier? Ich fand nur einen einzigen Adventskalender im Supermarkt… über die Preise von gemahlenen Mandeln, um Vanillekipferl zu backen, wollen wir erst gar nicht reden Unglaublich – ich stand mit offenem Mund vor dem Regal und hatte das Gefühl, von einer Dampfwalze überrollt zu werden: 5 Euro für 125g Mandeln! Mit den anderen deutschen Freiwilligen habe ich Plätzchen gebacken, natürlich durfte der Glühwein nicht fehlen! Glühwein, das ist auch so eine Sache. Wenn man in einer Bar/einem Café einen Glühwein bestellt, bekommt man einen aufgeheizten Rotwein, das war’s. Zum Glück gibt es auf dem Brüssler Weihnachtsmarkt, der im Übrigen wunderschön ist, eine "Deutsche Stube" und an fast allen Ständen wird wortwörtlich "Glühwein" verkauft. Das sind dann die fertigen Flaschen aus dem Supermarkt, denn die gibt es auch hier.
Meine Eltern schickten mir Adventskalender und selbst gemachte Plätzchen, ich kaufte einen Weihnachtsstern und habe mich in den Weihnachtsgeschenkstress gestürzt wie sonst nie. Weihnachten ich komme!
Ja, ich komme. In einer Woche bin ich schon zu Hause und ich bin richtig aufgeregt. Meine Eltern und meinen Bruder sah ich ja auch während der Zeit hier, weil sie mich besuchen kamen, aber meine Onkeld, meine Tanten, meine Cousins und vor allem meine Freunde! Alle kommen sie gerade wieder von überall aus der Welt, wie soll man da zu Wort kommen? :) Jeder wird voller neuer Erfahrungen und Erlebnissen sein und trifft sich wieder. Ich bin gespannt, aber ich habe keine Angst, dass sich unsere Freundschaft ins Negative verändert hat. Die seltenen Telefonate haben gezeigt, dass selbst das erste Wort nach drei Monaten so sein kann, wie das erste Wort an einem normalen Tag. Man hatte das Gefühl, als wäre keine Zeit vergangen und man knüpft einfach da an, wo man aufgehört hat und das zeigt mir wie gut wir uns verstehen!
Doch auch in den Freiwilligen hier habe ich neue Freunde gefunden. Am Sonntag wollen wir eine kleine Weihnachtsfeier bei mir machen (die mit dem meisten Wohnraumplatz…., wirklich VIEL, na ja, es muss auch einen Vorteil haben, in der Organisation, in der man arbeitet, auch zu wohnen). Es gibt Kekse, Glühwein und wir wichteln. Ein kleines Weihnachtsfest also.
Es ist beruhigend zu wissen, dass mein Aufenthalt danach noch nicht zu Ende ist. So kann ich mich wirklich auf meinen Heimatbesuch freuen ohne gleichzeitig an Abschied zu denken und dafür wäre ich auch noch nicht bereit, so viele Dinge, die ich noch nicht gesehen, noch nicht gelernt, noch nicht kennen gelernt und noch nicht gemacht habe.
Es ist schön nach Hause zu kehren und es ist schön wieder hier her zurück zu kehren, denn mittlerweile ist es doch ein neues zu Hause geworden. Wenn ich am Küchentisch sitze und in die Küche schauen, dann ist die Küche nicht mehr fremd, sie ist meine Küche, ich habe mittlerweile ein Abkommen mit der Mischbatterie der Dusche, das heißt ich verbrenne/verkühle mich nicht mehr ständig und mein Basilikum lebt auch noch (die Frage ist nur, wie lange noch, ich glaube, diesmal habe ich zu viel Wasser gegeben...).
In der letzten Zeit ist nichts Außergewöhnliches passiert, doch was sollte auch Wasserrohrbruch und beinahen Selbstmord toppen können? Es ist ein Alltag, der sich eingeschlichen hat, aber ich bin nicht böse drum.
Nach Hause. Hätte man mir vor einem Jahr, als ich gerade meine Seminarfacharbeit verteidigte, die Schule mich voll und ganz eingenommen hatte, ich am Druck fast verzweifelte, das Näherrücken des Abiturs und Vorabiturs bemerkte und einfach nur weg wollte, weg von diesem Alltag der mich langweilte, weg aus der Stadt, in der ich Wege zu viele Male gegangen bin, sodass ich schon versuchte, sie durch Umwege zu umgehen, weg von immer den gleichen Leuten (damit sind jetzt nicht Freunde, sondern die immergleichen Leute bei Partys, Festlichkeiten etc. gemeint) und Hallo zur weiten Welt sagen wollte – ja, hätte man mir vor einem Jahrgesagt, dass ich ein Jahr später voller Freude nach Eisenach zurück kehren würde, ich hätte es nicht geglaubt. Eisenach vs. Brüssel – na ja, ich habe eingesehen, dass Eisenach meine Heimatstadt ist und mich immer etwas damit verbinden wird. Oder sind es die Freunde, die ich vermisse und nicht die Stadt?
Doch wie schon gesagt, das beste ist zu wissen, dass es begrenzt ist. Brüssel, meine Liebe, ich komme wieder!
Bis dahin genieße ich noch die Zeit hier, dann die Zeit dort und freue mich über mein Leben, über das Leben, von dem ich seit vier Jahren träume und welches ich vor einem Jahr so unbedingt herbeigesehnt habe und voller Enthusiasmus die Datenbank durchstöberte.
Euch allen, wenn auch etwas verfrüht, ein wunderbares Weihnachtsfest, wo auch immer Ihr sein werdet, lasst uns freuen über das Alte, über das Jetzt und über das, was kommen mag!
Joyeuse Fêtes
Lotti