Wege in die Obdachlosigkeit
„Obdachlose sind selbst Schuld an ihrer jetzigen Situation!“ So viele Vorurteile schlagen Obdachlosen entgegen, aber ist an ihnen überhaupt etwas Wahres dran? Und läuft der Weg in die Obdachlosigkeit immer gleich ab?
Ungefähr zu genau derselben Zeit letzten Jahres wurde ich ständig gefragt, was ich denn nach meinem Abitur mit mir anfangen möchte; damals hatte ich zum Glück schon die Zusage von Simon Community erhalten und konnte meine Verwandten zumindest ansatzweise beruhigen, dass ich etwas Sinnvolles im folgenden Jahr machen werde. Was mich jedoch immer wieder etwas bedrückte, war die doch durchgehend negative bzw. verständnislose Reaktion auf den Satz: „ Ich werde nächstes Jahr mit Obdachlosen arbeiten!“. Natürlich ist es irgendwo auch verständlich, weil ich in meinem Umfeld mit solchen Problemen fast nie in Berührung gekommen bin , aber gerade nach meiner Vorbereitung auf das Interview mit Cork Simon wurde mir zum ersten Mal bewusst, wie breit gefächert die Probleme dieser Menschen sind und wie schwierig der Weg aus der Obdachlosigkeit für viele ist.
Wenn man an Obdachlose denkt, fallen einem zuerst immer die Menschen ein, die auf der Straße schlafen, dass es aber auch weniger offensichtliche Arten von Obdachlosigkeit gibt, kommt einem zunächst nicht in den Sinn; Menschen, die in Notunterkünften oder Hostels unterkommen, bei Freunden schlafen oder sich eine viel zu kleine Wohnung teilen müssen.
Vor allem in Irland ist es aufgrund der sogenannten „housing crisis“ sehr schwierig eine angemessene Unterkunft zu finden. Es gibt generell zu wenig Wohnungen/Häuser von denen zusätzlich, die meisten viel zu hohe Mieten verlangen und von einem normalen Vollzeitjob nicht ausreichend gedeckt werden können. Doch nicht nur das anhaltende Wohnungsproblem führt zu einem stetigen Anstieg der Obdachlosenzahlen, es spielen auch viele persönliche Faktoren eine essentielle Rolle; langfristige oder kurzzeitige persönliche Krisen können ein Leben so erschüttern und von einen Tag auf den anderen alles verändern. Darunter fallen unter anderem häusliche Gewalt, Vernachlässigung, traumatische Erlebnisse (Tod eines geliebten Menschen, Ende einer Beziehung oder Misshandlung). Oft beginnen diese traumatischen Erlebnisse schon im Kindesalter und viele können mit diesen unbeschreiblich schlimmen Dingen nicht umgehen, isolieren sich von der Gesellschaft, ihren Bezugspersonen und entwickeln oft ungesunde Bewältigungsstrategien, wie z.B. die Flucht zum Alkohol oder Drogen. Das bedeutet aber nicht, dass jeder Obdachlose automatisch auch ein Abhängiger ist! Aber jeder Mensch, der in Obdachlosigkeit verfällt, ist eine individuelle Persönlichkeit, was es gleichzeitig so schwierig macht diesen Menschen zu helfen. Man muss ihnen klar machen, dass man sie nicht verurteilt, ihr Vertrauen gewinnen, um zu den oft tiefer liegenden Traumata durchdringen zu können.
Ein weiteres Problem ist auch die Gesundheit dieser Menschen. Ein Leben auf der Straße, bei Wind und Wetter, schutzlos ausgesetzt, ständig in Angst und Alarmbereitschaft zu sein, zerrt nicht nur an der physischen, sondern auch an der psychischen Gesundheit. Bei über zwei Drittel aller Obdachlosen konnte eine psychische Erkrankung festgestellt werden, die häufigste davon waren Depressionen, aber auch Angstzustände und Schizophrenie wurden oft diagnostiziert. Sätze wie: „Die sind alle selbst schuld, wenn sie ihr Geld versaufen oder für Drogen ausgeben!“ und „Ich könnte nie obdachlos werden.“ Sind also weit entfernt von der Realität.
Zum einen kann es wirklich jeden treffen, denn keiner von uns kann vor plötzlichen Verlusten oder unerwarteten Wendungen im Leben gewappnet sein und niemand kann vorhersagen, wie er mit solchen Erlebnissen umgehen würde. Wir können nur dankbar sein, dass uns solche schlimmen Dingen erspart blieben.
Zum anderen die harten Verurteilungen, die obdachlosen Menschen immer wieder entgegenschlagen , anstatt sie zu integrieren, verbannen wir sie aus der Gesellschaft... Integration statt Verurteilung, Hilfe statt Ignorieren. Jeder von uns könnte durch Gespräche mit diesen Menschen lernen, dass es oft Ereignisse oder Dinge außerhalb ihrer Kontrolle sind, welche sie dorthin gebracht haben, wo sie jetzt sind, unterstützt durch falsche Entscheidungen und ungesunde Beziehungen und Freunde.
Ich habe durch meine Arbeit gelernt, Menschen nicht mehr nur nach ihrem Erscheinungsbild zu verurteilen! Keiner von uns kennt die Geschichte von dem Menschen, der in der Fußgängerzone schlafen oder in einer Notunterkunft übernachten muss. Und keiner von uns hat das Recht über diesen Menschen zu urteilen und ihn als obdachlosen Suchtkranken oder schlechten Menschen abzustempeln. Jeder sollte sich überlegen wie schnell er verurteilt und ob man nicht selber derjenige und vielleicht damit sogar der erste sein könnte, der diesen Menschen ein offenes Ohr schenkt!
Meine Quellen waren:
https://en.wikipedia.org/wiki/Homelessness_in_Ireland
https://www.focusireland.ie/resource-hub/about-homelessness/
https://www.corksimon.ie/about-homelessness/causes-homelessness/health-homelessness/
https://www.corksimon.ie/about-homelessness/causes-homelessness/happen/