Weer terug in Nederland!
Oder: Von einem Lockdown in den nächsten.
Nach einer Weihnachtspause, die länger war als geplant, bin ich wieder zurück in Amsterdam. Auch wenn ich sehr dankbar über mein Projekt und mein Leben hier bin, war es doch sehr schön die Weihnachtszeit mit meiner Familie zu Hause zu verbringen. Und vor allem notwendig, denn ich habe mich die Tage vor meiner Abreise doch zunehmend allein gefühlt. Das Verzetsmuseum musste im November für zwei Wochen und nun seit dem Lockdown Dezember schließen. Das bedeutet für mich: Homeoffice. Zunächst noch zu Hause, nun aber wieder in meinem Zimmer in Amsterdam.
Die Zugfahrt zurück nach Amsterdam war abenteuerlich. Zuerst bekam ich fälschlicherweise die Meldung, ein Zug würde ausfallen, dann fiel der zweite Zug wirklich aus und ich musste den Rest der Strecke mit der Regionalbahn zurücklegen. Unterwegs ging auch noch mein Koffer kaputt – vollends glücklicherweise erst im Treppenhaus meines Studentenhauses und nicht am Bahnhof oder auf der Straße.
Seit meiner Ankunft hier in Amsterdam fällt mir umso deutlicher auf, dass mein Leben hier fast schon wie eine andere Realität für mich ist. Der direkte Kontrast von Zuhause und meinem Leben hier ist einfach unwirklich – aber das ist schön und wichtig und macht mich ein kleines bisschen stolz.
Nun passiert hier im Lockdown immer noch nicht viel. Sich mit wenigen Freunden treffen, um zu quatschen, zu kochen, spazieren zu gehen oder Spiele zu spielen ist das Maximum, was man zurzeit unternehmen kann. Es ist schade, wenn man in Amsterdam lebt – einer Stadt, die so viel zu bieten hat – und so wenig unternehmen kann. Aber ich bin trotzdem dankbar. Durch Amsterdam zu spazieren ist wunderschön. Meine große Hoffnung liegt auf Frühling und Sommer, wenn der Lockdown zu Ende ist und vor allem das Wetter besser wird - dem fiebern wir alle entgegen. Während der Lockdown-Zeit ist eine große WG allerdings ein Vorteil, denn wenn man mit zehn Menschen in einer WG wohnt hat man oft jemanden zum Reden oder man organisiert ein gemeinsames „WG-Dinner“. So kann man auch legal „gezellig“ zusammensitzen, ohne dass einem die „avondklok“, die nächtliche Ausgangssperre ab 21.00 Uhr in die Quere kommt. Menschlicher Kontakt ist in einem gewissen Maß essentiell, das mussten und müssen viele Menschen aktuell feststellen.
Als ich zu Hause in Deutschland war, habe ich die Ausgangssperre ab 20.00 Uhr schon seit Mitte Dezember miterlebt. Lästig, aber wenn sie in der aktuellen Situation hilft, vielleicht notwendig. In den Niederlanden trat sie nun am vergangenen Wochenende in Kraft und hat deutlich größere Entrüstung ausgelöst. Es ist die erste Ausgangssperre seit dem zweiten Weltkrieg. Seit einigen Tagen gibt es daher in einigen Städten – auch in Amsterdam – gewalttätige Proteste, bei denen auch Geschäfte geplündert wurden. Glücklicherweise habe ich das nicht in meinem näheren Umfeld miterlebt, sondern größtenteils aus den Nachrichten oder von meinen niederländischen Mitbewohner*innen, die mich gefragt haben, ob es in Deutschland auch so extreme Reaktionen gab. Das einzig Auffällige waren die vergitterten Polizeibusse und Helikopter, die man teilweise tagsüber in der Stadt sah.
Ansonsten gibt es aktuell nicht so viel Neues, außer dass ich nun natürlich mein Niederländisch weiterhin aufpoliere, vor allem nach der Pause zu Hause. Allerdings muss ich sagen: es läuft besser als erwartet. Die Tage werden mit Homeoffice, Lesen, Musik hören, mit alten Freunden telefonierend oder mit neuen Freunden spazierend und Kaffee oder Tee trinkend verbracht.
Was mir am Herzen liegt
Heute, am 27. Januar, ist der internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts. In diesem Jahr wird an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau 1945, also vor 76 Jahren gedacht. Es wird den ermordeten europäischen Juden, der Sinti und Roma, der Zwangsarbeiter, der Kriegsgefangenen, der Opfer staatlicher Euthanasie, der Homosexuellen und der religiösen, politischen oder moralischen Opposition gedacht. Auch wenn diese Geschehnisse zwei bis drei Generationen vor meiner Zeit stattfanden und viele Menschen heutzutage keine Verbindung dazu haben möchten oder sich nicht angesprochen fühlen, ist es doch wichtig zu Gedenken. Mit der Zeit wird es immer weniger Zeitzeugen geben, bis es schließlich gar keine mehr gibt. Ohne aktive Stimmen ist es schwierig zu Gedenken, darum müssen wir uns jetzt ein Bewusstsein dafür schaffen. Geschichte ist nie wirklich „vorbei“, die Auswirkungen sind allgegenwärtig. Es liegt an uns was wir damit machen. Vielleicht ist es heute (oder immer) eine gute Idee mit Menschen darüber zu sprechen, sich zu informieren (zum Beispiel hier) und eine Meinung zu bilden, sich Schicksale vor Augen zu führen und heute mehr Menschlichkeit zu etablieren. Zündet eine Kerze an, schaut einen online Gottesdienst oder lest die bewegende Rede des Holocaustgedenktages 2020 von Marian Tuski, einem Holocaustüberlebenden aus Auschwitz. Es gibt viele kleine Schritte zur Menschlichkeit, wir müssen uns nur erinnern, den ersten zu machen.