Was ist da eigentlich in Ungarn los?
Die kritischen Nachrichten über das Ungarn von Viktor Orbán häufen sich nun schon seit einiger Zeit in den deutschen Medien. Die Regierung geht mit der Rechtstaatlichkeit, Flüchtlingspolitik und Presse weitgehend widersprüchlich zu den EU Grundsätzen um. In dem Land scheint einiges nicht mehr sehr demokratisch abzulaufen!
Doch was genau geht da vor sich? Wie beeinflusst dies das Leben von jungen Leuten hier, und was bekomme ich als Freiwillige davon mit?
Egal, wie viele Nachrichten ich beiläufig über das kritische Verhältnis zwischen Ungarn und der EU überflog, tatsächlich wach rüttelten mich schließlich die lauten Demonstrationen im Winter 2018 gegen das sogenannte Sklaven Gesetz Orbáns, welches Arbeitgebern erlaubt, zahlreiche Überstunden von Mitarbeitern zu fordern. Erst als ich diese aufgebrachten Menschen sah, wurde mir wirklich bewusst, dass bei dieser Regierung etwas nicht mit rechten Dingen zuging.
Vor kurzem wurde nun die ungarische Regierungspartei Fidesz fast einstimmig aus der europäischen EVP-Fraktion suspendiert. Das bedeutet, sie ist von Gremien ausgeschlossen, kann keine Posten besetzen, nicht mehr abstimmen oder an Sitzungen teilnehmen. Dahinter steckt die Frage, ob die Regierung von Viktor Orbán den EVP-Werten von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit noch entspricht. Schon, dass Orbán im Zusammenhang mit dieser Entscheidung von einem „riesigen Sieg über jene negative, liberalen, migrationsfreundlichen Kräfte“ spricht, lässt mich stark daran zweifeln. Für den Ministerpräsidenten steht nämlich schon lange fest, alles Schlechte in diesem Land habe man der EU zu verdanken und deswegen ist der Ausschluss für ihn, der Gewinn von Abstand. Von den zahlreichen Förderungen, die die Union schon seit Jahren in unterschiedliche Bereiche des Landes pumpt, spricht er dabei nicht. Und die Bevölkerung glaubt ihm! Selbst junge ungarische Studenten habe ich schon zustimmen hören. Vielleicht, weil er auch schon die Universitäten größtenteils in der Hand hat?
Dabei ist der Wandel des Landes, den Victor nun schon seit fast neun Jahren vorantreibt, deutlich zu erkennen. Er baut die Demokratie zunehmend ab, und die Diskriminierung von Minderheiten steht gerne auf seiner Tagesordnung. Ist sein Ziel die Diktatur? Er ist dabei, Medien, Gerichte und weitere Elemente des Staates weitgehend zu kontrollieren. Schon 2011 änderte er das juristische System grundlegend und konnte dadurch neue, ihm gegenüber loyale Richter einsetzen. 2015 plante seine Regierung, einen Zaun gegen Flüchtlinge zu bauen. Zwei Jahre später bat Orbán die EU Mitgliedsstaaten sogar um finanzielle Unterstützung, obwohl er sich damit strickt weigert Flüchtlinge aufzunehmen und das entgegen jeglicher Beschlüsse der EU zum Thema Migration. „Wir wollen unter uns bleiben!“ sagt er. Und diese Denkweise spiegelt sich zunehmend im gesamten Land wider.
Und genau das ist es, was ich am deutlichsten von der heutigen Regierung spüre. Der Glaube, die EU und die Flüchtlinge würden sich negativ auf Ungarn auswirken, ist weitreichend vertreten. Die wenigen Ungaren, die überhaupt fähig sind Englisch zu sprechen, erzählen davon, dass kaum einer hier reist, andere Sprachen lernt oder sonst eine offene Haltung gegenüber der übrigen Welt vertritt. Selbst an touristischen Orten kann man sich nur mit Händen und Füßen verständigen und steht dabei oft Rassismus und Ausländerfeindlichkeit gegenüber. Einer meiner Freunde hier aus Indien erzählt von Angriffen auf ihn wegen seiner Nationalität, und ich war selber dabei, als einer meiner nigerianischen Freunde wegen seiner Hautfarbe nicht in einen Club gelassen wurde. Es gibt zahlreiche internationale Studenten überall in Ungarn und diese sollten nicht so behandelt werden. Doch die jetzige Regierung unterstützt dieses Verhalten und lehrt den jungen Leuten ein feindseliges, verschlossenes Weltbild.
So darf das nicht weitergehen! Aber die vielen Vertragsverletzungsverfahren, welche die EU mittlerweile gegen Ungarn eingeleitet hat, sind nicht genug, vor allem, da das Land dabei sowieso meistens ungestraft davonkam. Neue Demonstrationen sollten gestartet werden und Europa muss mehr durchgreifen, um seine Grundsätze wieder verwirklicht zu sehen. Erst dann wird der Wandel Ungarns weg von der Demokratie und hin zu einer Diktatur vielleicht noch rückgängig zu machen sein.
Quellen:
https://www.welt.de/politik/ausland/article190660255/EVP-Votum-gegen-Orban-Ungarns-Regierungsmedien-feiern-Orbans-Riesenerfolg.html
https://www.deutschlandfunk.de/ungarn-und-die-eu-solidaritaet-ist-keine-einbahnstrasse.694.de.html?dram:article_id=394876
https://www.zeit.de/politik/ausland/2017-08/ungarn-viktor-orban-eu-gelder-autokratie-rechtsstaat
https://www.deutschlandfunk.de/antisemitismus-in-ungarn-orbans-zwiespaeltige-politik.886.de.html?dram:article_id=439004
https://edition.cnn.com/2018/12/16/europe/hungary-protests-intl/index.html
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